Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

etwas zu lange verzögere und daß das feurige
Schwerdt im Norden, statt des Gerichtsschwer-
tes auch wohl nur als ein bloßer Nordschein
zu nehmen sei. In diesem entscheidenden Mo-
mente, da schon einige von den Schächern die
Köpfe wieder empor recken wollten, hielt ichs
für nüzlich, sie wenigstens während einer kur-
zen erbaulichen Rede noch in ihrer Zerknir-
schung festzuhalten zu suchen, und ich hub fol-
gender Gestalt an:

"Theuerste Mitbürger!

Ein Astronom kann in diesem Falle nicht
als ein kompetenter Richter angesehen werden,
indem ein so wichtiges Phänomen, das über
uns am Himmel heraufzuziehen scheint, kei-
nesweges wie ein unbedeutender Komet berech-
net werden kann, und nur einmal während
der ganzen Weltgeschichte erscheint; laßt uns
darum unsere feierliche Stimmung nicht so leicht-
sinnig aufgeben, sondern vielmehr einige für

etwas zu lange verzoͤgere und daß das feurige
Schwerdt im Norden, ſtatt des Gerichtsſchwer-
tes auch wohl nur als ein bloßer Nordſchein
zu nehmen ſei. In dieſem entſcheidenden Mo-
mente, da ſchon einige von den Schaͤchern die
Koͤpfe wieder empor recken wollten, hielt ichs
fuͤr nuͤzlich, ſie wenigſtens waͤhrend einer kur-
zen erbaulichen Rede noch in ihrer Zerknir-
ſchung feſtzuhalten zu ſuchen, und ich hub fol-
gender Geſtalt an:

„Theuerſte Mitbuͤrger!

Ein Aſtronom kann in dieſem Falle nicht
als ein kompetenter Richter angeſehen werden,
indem ein ſo wichtiges Phaͤnomen, das uͤber
uns am Himmel heraufzuziehen ſcheint, kei-
nesweges wie ein unbedeutender Komet berech-
net werden kann, und nur einmal waͤhrend
der ganzen Weltgeſchichte erſcheint; laßt uns
darum unſere feierliche Stimmung nicht ſo leicht-
ſinnig aufgeben, ſondern vielmehr einige fuͤr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="99"/>
etwas zu lange verzo&#x0364;gere und daß das feurige<lb/>
Schwerdt im Norden, &#x017F;tatt des Gerichts&#x017F;chwer-<lb/>
tes auch wohl nur als ein bloßer Nord&#x017F;chein<lb/>
zu nehmen &#x017F;ei. In die&#x017F;em ent&#x017F;cheidenden Mo-<lb/>
mente, da &#x017F;chon einige von den Scha&#x0364;chern die<lb/>
Ko&#x0364;pfe wieder empor recken wollten, hielt ichs<lb/>
fu&#x0364;r nu&#x0364;zlich, &#x017F;ie wenig&#x017F;tens wa&#x0364;hrend einer kur-<lb/>
zen erbaulichen Rede noch in ihrer Zerknir-<lb/>
&#x017F;chung fe&#x017F;tzuhalten zu &#x017F;uchen, und ich hub fol-<lb/>
gender Ge&#x017F;talt an:</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">&#x201E;Theuer&#x017F;te Mitbu&#x0364;rger!</hi> </p><lb/>
        <p>Ein A&#x017F;tronom kann in die&#x017F;em Falle nicht<lb/>
als ein kompetenter Richter ange&#x017F;ehen werden,<lb/>
indem ein &#x017F;o wichtiges Pha&#x0364;nomen, das u&#x0364;ber<lb/>
uns am Himmel heraufzuziehen &#x017F;cheint, kei-<lb/>
nesweges wie ein unbedeutender Komet berech-<lb/>
net werden kann, und nur einmal wa&#x0364;hrend<lb/>
der ganzen Weltge&#x017F;chichte er&#x017F;cheint; laßt uns<lb/>
darum un&#x017F;ere feierliche Stimmung nicht &#x017F;o leicht-<lb/>
&#x017F;innig aufgeben, &#x017F;ondern vielmehr einige fu&#x0364;r<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0101] etwas zu lange verzoͤgere und daß das feurige Schwerdt im Norden, ſtatt des Gerichtsſchwer- tes auch wohl nur als ein bloßer Nordſchein zu nehmen ſei. In dieſem entſcheidenden Mo- mente, da ſchon einige von den Schaͤchern die Koͤpfe wieder empor recken wollten, hielt ichs fuͤr nuͤzlich, ſie wenigſtens waͤhrend einer kur- zen erbaulichen Rede noch in ihrer Zerknir- ſchung feſtzuhalten zu ſuchen, und ich hub fol- gender Geſtalt an: „Theuerſte Mitbuͤrger! Ein Aſtronom kann in dieſem Falle nicht als ein kompetenter Richter angeſehen werden, indem ein ſo wichtiges Phaͤnomen, das uͤber uns am Himmel heraufzuziehen ſcheint, kei- nesweges wie ein unbedeutender Komet berech- net werden kann, und nur einmal waͤhrend der ganzen Weltgeſchichte erſcheint; laßt uns darum unſere feierliche Stimmung nicht ſo leicht- ſinnig aufgeben, ſondern vielmehr einige fuͤr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/101
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/101>, abgerufen am 03.05.2024.