Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

nackten Hinterköpfe zu zeigen. -- "Wie, ist
denn kein Gott!" rief er wild aus, und das
Echo gab ihm das Wort "Gott!" laut und
vernehmlich zurück. Jezt stand er ganz ein-
fältig da und käuete an der Feder. "Der
Teufel hat das Echo erschaffen!" sagte er zu-
lezt -- "Weiß man doch nicht zu unterschei-
den ob es bloß äfft, oder ob wirklich geredet
wird!" --

Er setzte noch einmal rasch an, doch die
Schriftzüge kamen nicht zum Vorscheine; da
steckte er abgespannt und fast gleichmüthig die
Feder hinter das Ohr und sagte monoton:
"Die Unsterblichkeit ist widerspänstig, die Ver-
leger zahlen bogenweis und die Honorare sind
heuer sehr schmal; da wirft dergleichen Schrei-
berei nichts ab, und ich will mich wieder in
die Dramen werfen!" --

Ich erwachte bei diesen Worten, und mit
dem Traume war auch der Poet vom Kirchhofe

nackten Hinterkoͤpfe zu zeigen. — „Wie, iſt
denn kein Gott!“ rief er wild aus, und das
Echo gab ihm das Wort „Gott!“ laut und
vernehmlich zuruͤck. Jezt ſtand er ganz ein-
faͤltig da und kaͤuete an der Feder. „Der
Teufel hat das Echo erſchaffen!“ ſagte er zu-
lezt — „Weiß man doch nicht zu unterſchei-
den ob es bloß aͤfft, oder ob wirklich geredet
wird!“ —

Er ſetzte noch einmal raſch an, doch die
Schriftzuͤge kamen nicht zum Vorſcheine; da
ſteckte er abgeſpannt und faſt gleichmuͤthig die
Feder hinter das Ohr und ſagte monoton:
„Die Unſterblichkeit iſt widerſpaͤnſtig, die Ver-
leger zahlen bogenweis und die Honorare ſind
heuer ſehr ſchmal; da wirft dergleichen Schrei-
berei nichts ab, und ich will mich wieder in
die Dramen werfen!“ —

Ich erwachte bei dieſen Worten, und mit
dem Traume war auch der Poet vom Kirchhofe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0279" n="277"/>
nackten Hinterko&#x0364;pfe zu zeigen. &#x2014; &#x201E;Wie, i&#x017F;t<lb/>
denn kein Gott!&#x201C; rief er wild aus, und das<lb/>
Echo gab ihm das Wort &#x201E;Gott!&#x201C; laut und<lb/>
vernehmlich zuru&#x0364;ck. Jezt &#x017F;tand er ganz ein-<lb/>
fa&#x0364;ltig da und ka&#x0364;uete an der Feder. &#x201E;Der<lb/>
Teufel hat das Echo er&#x017F;chaffen!&#x201C; &#x017F;agte er zu-<lb/>
lezt &#x2014; &#x201E;Weiß man doch nicht zu unter&#x017F;chei-<lb/>
den ob es bloß a&#x0364;fft, oder ob wirklich geredet<lb/>
wird!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;etzte noch einmal ra&#x017F;ch an, doch die<lb/>
Schriftzu&#x0364;ge kamen nicht zum Vor&#x017F;cheine; da<lb/>
&#x017F;teckte er abge&#x017F;pannt und fa&#x017F;t gleichmu&#x0364;thig die<lb/>
Feder hinter das Ohr und &#x017F;agte monoton:<lb/>
&#x201E;Die Un&#x017F;terblichkeit i&#x017F;t wider&#x017F;pa&#x0364;n&#x017F;tig, die Ver-<lb/>
leger zahlen bogenweis und die Honorare &#x017F;ind<lb/>
heuer &#x017F;ehr &#x017F;chmal; da wirft dergleichen Schrei-<lb/>
berei nichts ab, und ich will mich wieder in<lb/>
die Dramen werfen!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich erwachte bei die&#x017F;en Worten, und mit<lb/>
dem Traume war auch der Poet vom Kirchhofe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0279] nackten Hinterkoͤpfe zu zeigen. — „Wie, iſt denn kein Gott!“ rief er wild aus, und das Echo gab ihm das Wort „Gott!“ laut und vernehmlich zuruͤck. Jezt ſtand er ganz ein- faͤltig da und kaͤuete an der Feder. „Der Teufel hat das Echo erſchaffen!“ ſagte er zu- lezt — „Weiß man doch nicht zu unterſchei- den ob es bloß aͤfft, oder ob wirklich geredet wird!“ — Er ſetzte noch einmal raſch an, doch die Schriftzuͤge kamen nicht zum Vorſcheine; da ſteckte er abgeſpannt und faſt gleichmuͤthig die Feder hinter das Ohr und ſagte monoton: „Die Unſterblichkeit iſt widerſpaͤnſtig, die Ver- leger zahlen bogenweis und die Honorare ſind heuer ſehr ſchmal; da wirft dergleichen Schrei- berei nichts ab, und ich will mich wieder in die Dramen werfen!“ — Ich erwachte bei dieſen Worten, und mit dem Traume war auch der Poet vom Kirchhofe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/279
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/279>, abgerufen am 05.05.2024.