dieser wenigstens in keinem einzigen Falle von lebenslänglicher Folter die Rede ist."--
"Aber mein Gott, das kann doch nicht so fort gehen!" sagte er auf einmal wie zu sich kommend. "Man weiß nicht so recht mehr, ob man wacht oder träumt; ja ich hätte Lust mich zu betasten und zu zwicken, blos um zu sehen, ob ich wachte oder schliefe, wenn ich nicht darauf schwören wollte, vorher wirklich den Nachtwächter gehört zu haben!" --
"Ei mein Gott!" rief ich aus. "Jezt er- wache ich; Ihr habt mich beim Namen geru- fen, und es ist noch mein Glück, daß ich mich gerade nicht zu hoch befinde, etwa auf einem Dache, oder in einer dichterischen Begeisterung, um mir jezt beim Herabfallen den Hals zu brechen. So aber stehe ich glücklicherweise nicht höher, als hier die Gerechtigkeit stehen soll, und da bleibe ich noch menschlich und unter den Menschen. Ihr starrt mich an, und
dieſer wenigſtens in keinem einzigen Falle von lebenslaͤnglicher Folter die Rede iſt.“—
„Aber mein Gott, das kann doch nicht ſo fort gehen!“ ſagte er auf einmal wie zu ſich kommend. „Man weiß nicht ſo recht mehr, ob man wacht oder traͤumt; ja ich haͤtte Luſt mich zu betaſten und zu zwicken, blos um zu ſehen, ob ich wachte oder ſchliefe, wenn ich nicht darauf ſchwoͤren wollte, vorher wirklich den Nachtwaͤchter gehoͤrt zu haben!“ —
„Ei mein Gott!“ rief ich aus. „Jezt er- wache ich; Ihr habt mich beim Namen geru- fen, und es iſt noch mein Gluͤck, daß ich mich gerade nicht zu hoch befinde, etwa auf einem Dache, oder in einer dichteriſchen Begeiſterung, um mir jezt beim Herabfallen den Hals zu brechen. So aber ſtehe ich gluͤcklicherweiſe nicht hoͤher, als hier die Gerechtigkeit ſtehen ſoll, und da bleibe ich noch menſchlich und unter den Menſchen. Ihr ſtarrt mich an, und
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dieſer wenigſtens in keinem einzigen Falle von
lebenslaͤnglicher Folter die Rede iſt.“—
„Aber mein Gott, das kann doch nicht ſo
fort gehen!“ ſagte er auf einmal wie zu ſich
kommend. „Man weiß nicht ſo recht mehr,
ob man wacht oder traͤumt; ja ich haͤtte Luſt
mich zu betaſten und zu zwicken, blos um zu
ſehen, ob ich wachte oder ſchliefe, wenn ich
nicht darauf ſchwoͤren wollte, vorher wirklich
den Nachtwaͤchter gehoͤrt zu haben!“ —
„Ei mein Gott!“ rief ich aus. „Jezt er-
wache ich; Ihr habt mich beim Namen geru-
fen, und es iſt noch mein Gluͤck, daß ich mich
gerade nicht zu hoch befinde, etwa auf einem
Dache, oder in einer dichteriſchen Begeiſterung,
um mir jezt beim Herabfallen den Hals zu
brechen. So aber ſtehe ich gluͤcklicherweiſe nicht
hoͤher, als hier die Gerechtigkeit ſtehen ſoll,
und da bleibe ich noch menſchlich und unter
den Menſchen. Ihr ſtarrt mich an, und
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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/43>, abgerufen am 13.11.2024.
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