Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Anfangs war ich wohl etwas betreten darü-
ber, weil solch ein lebendiger Schaz zum min-
desten von einem todten begleitet sein muß,
wenn ein Uebriges dabei heraus kommen soll,
und der Bube war mutternakt, und lachte
noch dazu darüber, als ich ihn darauf ansah.
Als ich mich besonnen hatte, nahm ich indeß
die Sache tiefer und hatte meine eigenen Ge-
danken dabei, weshalb ich meinen Schaz sorg-
sam nach Hause trug.

So weit mein ehrlicher Schuhmacher, als
ich plözlich durch eine sonderbare Erscheinung
unterbrochen wurde. Eine große männliche
Gestalt in einen Mantel gehüllt, schritt durch
das Gewölbe, und blieb auf einem Grabsteine
stehen. Ich schlich mich leise hinter eine Säule,
wo ich ihr nahe war, da warf sie den
Mantel von sich, und ich erblickte hinter
schwarzen tief über die Stirne herabtretenden
Haaren ein finsteres feindliches Antlitz mit ei-
nem südlichen blasgrauen Kolorit.


Anfangs war ich wohl etwas betreten daruͤ-
ber, weil ſolch ein lebendiger Schaz zum min-
deſten von einem todten begleitet ſein muß,
wenn ein Uebriges dabei heraus kommen ſoll,
und der Bube war mutternakt, und lachte
noch dazu daruͤber, als ich ihn darauf anſah.
Als ich mich beſonnen hatte, nahm ich indeß
die Sache tiefer und hatte meine eigenen Ge-
danken dabei, weshalb ich meinen Schaz ſorg-
ſam nach Hauſe trug.

So weit mein ehrlicher Schuhmacher, als
ich ploͤzlich durch eine ſonderbare Erſcheinung
unterbrochen wurde. Eine große maͤnnliche
Geſtalt in einen Mantel gehuͤllt, ſchritt durch
das Gewoͤlbe, und blieb auf einem Grabſteine
ſtehen. Ich ſchlich mich leiſe hinter eine Saͤule,
wo ich ihr nahe war, da warf ſie den
Mantel von ſich, und ich erblickte hinter
ſchwarzen tief uͤber die Stirne herabtretenden
Haaren ein finſteres feindliches Antlitz mit ei-
nem ſuͤdlichen blasgrauen Kolorit.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0054" n="52"/>
        <p>Anfangs war ich wohl etwas betreten daru&#x0364;-<lb/>
ber, weil &#x017F;olch ein lebendiger Schaz zum min-<lb/>
de&#x017F;ten von einem todten begleitet &#x017F;ein muß,<lb/>
wenn ein Uebriges dabei heraus kommen &#x017F;oll,<lb/>
und der Bube war mutternakt, und lachte<lb/>
noch dazu daru&#x0364;ber, als ich ihn darauf an&#x017F;ah.<lb/>
Als ich mich be&#x017F;onnen hatte, nahm ich indeß<lb/>
die Sache tiefer und hatte meine eigenen Ge-<lb/>
danken dabei, weshalb ich meinen Schaz &#x017F;org-<lb/>
&#x017F;am nach Hau&#x017F;e trug.</p><lb/>
        <p>So weit mein ehrlicher Schuhmacher, als<lb/>
ich plo&#x0364;zlich durch eine &#x017F;onderbare Er&#x017F;cheinung<lb/>
unterbrochen wurde. Eine große ma&#x0364;nnliche<lb/>
Ge&#x017F;talt in einen Mantel gehu&#x0364;llt, &#x017F;chritt durch<lb/>
das Gewo&#x0364;lbe, und blieb auf einem Grab&#x017F;teine<lb/>
&#x017F;tehen. Ich &#x017F;chlich mich lei&#x017F;e hinter eine Sa&#x0364;ule,<lb/>
wo ich ihr nahe war, da warf &#x017F;ie den<lb/>
Mantel von &#x017F;ich, und ich erblickte hinter<lb/>
&#x017F;chwarzen tief u&#x0364;ber die Stirne herabtretenden<lb/>
Haaren ein fin&#x017F;teres feindliches Antlitz mit ei-<lb/>
nem &#x017F;u&#x0364;dlichen blasgrauen Kolorit.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0054] Anfangs war ich wohl etwas betreten daruͤ- ber, weil ſolch ein lebendiger Schaz zum min- deſten von einem todten begleitet ſein muß, wenn ein Uebriges dabei heraus kommen ſoll, und der Bube war mutternakt, und lachte noch dazu daruͤber, als ich ihn darauf anſah. Als ich mich beſonnen hatte, nahm ich indeß die Sache tiefer und hatte meine eigenen Ge- danken dabei, weshalb ich meinen Schaz ſorg- ſam nach Hauſe trug. So weit mein ehrlicher Schuhmacher, als ich ploͤzlich durch eine ſonderbare Erſcheinung unterbrochen wurde. Eine große maͤnnliche Geſtalt in einen Mantel gehuͤllt, ſchritt durch das Gewoͤlbe, und blieb auf einem Grabſteine ſtehen. Ich ſchlich mich leiſe hinter eine Saͤule, wo ich ihr nahe war, da warf ſie den Mantel von ſich, und ich erblickte hinter ſchwarzen tief uͤber die Stirne herabtretenden Haaren ein finſteres feindliches Antlitz mit ei- nem ſuͤdlichen blasgrauen Kolorit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/54
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/54>, abgerufen am 07.05.2024.