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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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stellt habe. Ich finde es übrigens recht wohl
gethan, seine Geschichte so in Holz zu schniz-
zen und abzuspielen, man kann dabei recht
boshaft sein, ohne daß die Moralisten etwas
dagegen einwenden, und es eine Lästerung
heißen dürfen. Auch erscheint alles recht er-
haben unmotivirt, wie es doch in den ur-
sprünglichen Verhältnissen wirklich ist, obgleich
wir albernen Menschen im Kleinen gern moti-
viren mögen, dagegen unser Director es gar
nicht thut, und keine Rechenschaft giebt, wes-
halb er so manche verpfuschte Rolle, wie ich
z. B. eine bin, in seinem Fastnachtsspiele nicht
ausstreichen will. O schon seit vielen Men-
schenaltern habe ich mich bestrebt aus dem
Stücke herauszuspringen, und dem Direktor
zu entwischen, aber er läßt mich nicht fort, so
pfiffig ich es auch anfangen mag. Das Ueber-
drüßigste dabei ist die Langeweile, die ich
immer mehr empfinde; denn du sollst wissen,
daß ich hier unten schon viele Jahrhunderte
als Akteur gedient habe, und eine von den

ſtellt habe. Ich finde es uͤbrigens recht wohl
gethan, ſeine Geſchichte ſo in Holz zu ſchniz-
zen und abzuſpielen, man kann dabei recht
boshaft ſein, ohne daß die Moraliſten etwas
dagegen einwenden, und es eine Laͤſterung
heißen duͤrfen. Auch erſcheint alles recht er-
haben unmotivirt, wie es doch in den ur-
ſpruͤnglichen Verhaͤltniſſen wirklich iſt, obgleich
wir albernen Menſchen im Kleinen gern moti-
viren moͤgen, dagegen unſer Director es gar
nicht thut, und keine Rechenſchaft giebt, wes-
halb er ſo manche verpfuſchte Rolle, wie ich
z. B. eine bin, in ſeinem Faſtnachtsſpiele nicht
ausſtreichen will. O ſchon ſeit vielen Men-
ſchenaltern habe ich mich beſtrebt aus dem
Stuͤcke herauszuſpringen, und dem Direktor
zu entwiſchen, aber er laͤßt mich nicht fort, ſo
pfiffig ich es auch anfangen mag. Das Ueber-
druͤßigſte dabei iſt die Langeweile, die ich
immer mehr empfinde; denn du ſollſt wiſſen,
daß ich hier unten ſchon viele Jahrhunderte
als Akteur gedient habe, und eine von den

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[73/0075] ſtellt habe. Ich finde es uͤbrigens recht wohl gethan, ſeine Geſchichte ſo in Holz zu ſchniz- zen und abzuſpielen, man kann dabei recht boshaft ſein, ohne daß die Moraliſten etwas dagegen einwenden, und es eine Laͤſterung heißen duͤrfen. Auch erſcheint alles recht er- haben unmotivirt, wie es doch in den ur- ſpruͤnglichen Verhaͤltniſſen wirklich iſt, obgleich wir albernen Menſchen im Kleinen gern moti- viren moͤgen, dagegen unſer Director es gar nicht thut, und keine Rechenſchaft giebt, wes- halb er ſo manche verpfuſchte Rolle, wie ich z. B. eine bin, in ſeinem Faſtnachtsſpiele nicht ausſtreichen will. O ſchon ſeit vielen Men- ſchenaltern habe ich mich beſtrebt aus dem Stuͤcke herauszuſpringen, und dem Direktor zu entwiſchen, aber er laͤßt mich nicht fort, ſo pfiffig ich es auch anfangen mag. Das Ueber- druͤßigſte dabei iſt die Langeweile, die ich immer mehr empfinde; denn du ſollſt wiſſen, daß ich hier unten ſchon viele Jahrhunderte als Akteur gedient habe, und eine von den

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/75>, abgerufen am 08.05.2024.