Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

nes Herzens auszusetzen. Er trat vor den
Fürsten, der mit dem Grafen allein war, und
kündigte ihm sein Unglück an, betheuerte seine
Unschuld, und unterwarf sich seinem Schick-
sal. Der Graf ließ die erste Empfindung
bey dem Fürsten würken, trat dann kalt
näher, zog das Dokument aus der Tasche,
übergab es dem Fürsten mit einer tiefen
Verbeugung, ließ darauf hart in sich drin-
gen, wie er dazu gekommen, ließ sich sogar
mit Ungnade bedrohen, und gestund end-
lich mit dem äußersten Widerwillen den Vor-
gang der Sache, nach seinem entworfnen
Plane. Der Minister verstummte, der spre-
chende Beweis von Schuld verwirrte ihn so,
daß selbst das Gefühl seiner Unschuld nicht
durch die Finsterniß dringen konnte, die die-
se unerwartete Wendung vor seine Sinne
zog. Der Fürst sah ihn wüthend an, und
sagte: "Lange konnt ich von Euch erwar-
"ten, daß Ihr endlich die Thorheit Eurer
"Aufführung durch Verrätherey an mir, hei-
"len würdet." Dieser Vorwurf zog die De-

cke

nes Herzens auszuſetzen. Er trat vor den
Fuͤrſten, der mit dem Grafen allein war, und
kuͤndigte ihm ſein Ungluͤck an, betheuerte ſeine
Unſchuld, und unterwarf ſich ſeinem Schick-
ſal. Der Graf ließ die erſte Empfindung
bey dem Fuͤrſten wuͤrken, trat dann kalt
naͤher, zog das Dokument aus der Taſche,
uͤbergab es dem Fuͤrſten mit einer tiefen
Verbeugung, ließ darauf hart in ſich drin-
gen, wie er dazu gekommen, ließ ſich ſogar
mit Ungnade bedrohen, und geſtund end-
lich mit dem aͤußerſten Widerwillen den Vor-
gang der Sache, nach ſeinem entworfnen
Plane. Der Miniſter verſtummte, der ſpre-
chende Beweis von Schuld verwirrte ihn ſo,
daß ſelbſt das Gefuͤhl ſeiner Unſchuld nicht
durch die Finſterniß dringen konnte, die die-
ſe unerwartete Wendung vor ſeine Sinne
zog. Der Fuͤrſt ſah ihn wuͤthend an, und
ſagte: „Lange konnt ich von Euch erwar-
„ten, daß Ihr endlich die Thorheit Eurer
„Auffuͤhrung durch Verraͤtherey an mir, hei-
„len wuͤrdet.“ Dieſer Vorwurf zog die De-

cke
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0200" n="189"/>
nes Herzens auszu&#x017F;etzen. Er trat vor den<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten, der mit dem Grafen allein war, und<lb/>
ku&#x0364;ndigte ihm &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck an, betheuerte &#x017F;eine<lb/>
Un&#x017F;chuld, und unterwarf &#x017F;ich &#x017F;einem Schick-<lb/>
&#x017F;al. Der Graf ließ die er&#x017F;te Empfindung<lb/>
bey dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten wu&#x0364;rken, trat dann kalt<lb/>
na&#x0364;her, zog das Dokument aus der Ta&#x017F;che,<lb/>
u&#x0364;bergab es dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten mit einer tiefen<lb/>
Verbeugung, ließ darauf hart in &#x017F;ich drin-<lb/>
gen, wie er dazu gekommen, ließ &#x017F;ich &#x017F;ogar<lb/>
mit Ungnade bedrohen, und ge&#x017F;tund end-<lb/>
lich mit dem a&#x0364;ußer&#x017F;ten Widerwillen den Vor-<lb/>
gang der Sache, nach &#x017F;einem entworfnen<lb/>
Plane. Der Mini&#x017F;ter ver&#x017F;tummte, der &#x017F;pre-<lb/>
chende Beweis von Schuld verwirrte ihn &#x017F;o,<lb/>
daß &#x017F;elb&#x017F;t das Gefu&#x0364;hl &#x017F;einer Un&#x017F;chuld nicht<lb/>
durch die Fin&#x017F;terniß dringen konnte, die die-<lb/>
&#x017F;e unerwartete Wendung vor &#x017F;eine Sinne<lb/>
zog. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;ah ihn wu&#x0364;thend an, und<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;Lange konnt ich von Euch erwar-<lb/>
&#x201E;ten, daß Ihr endlich die Thorheit Eurer<lb/>
&#x201E;Auffu&#x0364;hrung durch Verra&#x0364;therey an mir, hei-<lb/>
&#x201E;len wu&#x0364;rdet.&#x201C; Die&#x017F;er Vorwurf zog die De-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">cke</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0200] nes Herzens auszuſetzen. Er trat vor den Fuͤrſten, der mit dem Grafen allein war, und kuͤndigte ihm ſein Ungluͤck an, betheuerte ſeine Unſchuld, und unterwarf ſich ſeinem Schick- ſal. Der Graf ließ die erſte Empfindung bey dem Fuͤrſten wuͤrken, trat dann kalt naͤher, zog das Dokument aus der Taſche, uͤbergab es dem Fuͤrſten mit einer tiefen Verbeugung, ließ darauf hart in ſich drin- gen, wie er dazu gekommen, ließ ſich ſogar mit Ungnade bedrohen, und geſtund end- lich mit dem aͤußerſten Widerwillen den Vor- gang der Sache, nach ſeinem entworfnen Plane. Der Miniſter verſtummte, der ſpre- chende Beweis von Schuld verwirrte ihn ſo, daß ſelbſt das Gefuͤhl ſeiner Unſchuld nicht durch die Finſterniß dringen konnte, die die- ſe unerwartete Wendung vor ſeine Sinne zog. Der Fuͤrſt ſah ihn wuͤthend an, und ſagte: „Lange konnt ich von Euch erwar- „ten, daß Ihr endlich die Thorheit Eurer „Auffuͤhrung durch Verraͤtherey an mir, hei- „len wuͤrdet.“ Dieſer Vorwurf zog die De- cke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/200
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/200>, abgerufen am 02.05.2024.