Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Aldermänner schritten gleich nach der
Ablesung zur Untersuchung. Diese fingen sie
damit an, daß sie denjenigen vor sich fodern
liessen, aus dessen Händen die Jünglinge den
Aufsaz bekommen hatten. Nachdem man ei-
nige Zeit von Hand zu Hand zurükgegangen
war, so kam man endlich an einen, der einge-
stand, daß er den Aufsaz mit auf den Landtag
gebracht hätte. Allein, fuhr er fort, ich be-
sinne mich nicht, denn ich bin, wie meine Be-
kanten wissen, etwas zerstreut, von wem ich
dieß Papier vor meiner Abreise erhalten, und
es ist ein blosser Zufall, daß ich es mitgenom-
men habe. Jch hab es nicht gelesen. Die
Ueberschrift: Finanzvorschlag, die es hat,
wie ihr sehet, hielt mich davon ab. Denn ich
hasse Schriften, die in diese Materie einschla-
gen, eben so sehr, als sie mein Freund hier
liebt, der sich das Papier, ohne diese für ihn
so verführerische Ueberschrift, gewiß nicht zum
Durchlesen würde ausgebeten haben. Man
muste dieses nun wol glauben, und das um so
mehr, weil man es auf keine Weise auf diesen
ersten Ausleiher des Aufsazes bringen konte,
daß er sich als Abgeordneter betragen hätte.
Wider zwey andre von denen, durch deren
Hände der Finanzvorschlag gegangen war, zo-
gen sich zwar einige Wölkchen Verdachts zu-

sam-
A a 4

Die Aldermaͤnner ſchritten gleich nach der
Ableſung zur Unterſuchung. Dieſe fingen ſie
damit an, daß ſie denjenigen vor ſich fodern
lieſſen, aus deſſen Haͤnden die Juͤnglinge den
Aufſaz bekommen hatten. Nachdem man ei-
nige Zeit von Hand zu Hand zuruͤkgegangen
war, ſo kam man endlich an einen, der einge-
ſtand, daß er den Aufſaz mit auf den Landtag
gebracht haͤtte. Allein, fuhr er fort, ich be-
ſinne mich nicht, denn ich bin, wie meine Be-
kanten wiſſen, etwas zerſtreut, von wem ich
dieß Papier vor meiner Abreiſe erhalten, und
es iſt ein bloſſer Zufall, daß ich es mitgenom-
men habe. Jch hab es nicht geleſen. Die
Ueberſchrift: Finanzvorſchlag, die es hat,
wie ihr ſehet, hielt mich davon ab. Denn ich
haſſe Schriften, die in dieſe Materie einſchla-
gen, eben ſo ſehr, als ſie mein Freund hier
liebt, der ſich das Papier, ohne dieſe fuͤr ihn
ſo verfuͤhreriſche Ueberſchrift, gewiß nicht zum
Durchleſen wuͤrde ausgebeten haben. Man
muſte dieſes nun wol glauben, und das um ſo
mehr, weil man es auf keine Weiſe auf dieſen
erſten Ausleiher des Aufſazes bringen konte,
daß er ſich als Abgeordneter betragen haͤtte.
Wider zwey andre von denen, durch deren
Haͤnde der Finanzvorſchlag gegangen war, zo-
gen ſich zwar einige Woͤlkchen Verdachts zu-

ſam-
A a 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0451" n="375"/>
          <p>Die Alderma&#x0364;nner &#x017F;chritten gleich nach der<lb/>
Able&#x017F;ung zur Unter&#x017F;uchung. Die&#x017F;e fingen &#x017F;ie<lb/>
damit an, daß &#x017F;ie denjenigen vor &#x017F;ich fodern<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;en, aus de&#x017F;&#x017F;en Ha&#x0364;nden die Ju&#x0364;nglinge den<lb/>
Auf&#x017F;az bekommen hatten. Nachdem man ei-<lb/>
nige Zeit von Hand zu Hand zuru&#x0364;kgegangen<lb/>
war, &#x017F;o kam man endlich an einen, der einge-<lb/>
&#x017F;tand, daß er den Auf&#x017F;az mit auf den Landtag<lb/>
gebracht ha&#x0364;tte. Allein, fuhr er fort, ich be-<lb/>
&#x017F;inne mich nicht, denn ich bin, wie meine Be-<lb/>
kanten wi&#x017F;&#x017F;en, etwas zer&#x017F;treut, von wem ich<lb/>
dieß Papier vor meiner Abrei&#x017F;e erhalten, und<lb/>
es i&#x017F;t ein blo&#x017F;&#x017F;er Zufall, daß ich es mitgenom-<lb/>
men habe. Jch hab es nicht gele&#x017F;en. Die<lb/>
Ueber&#x017F;chrift: Finanzvor&#x017F;chlag, die es hat,<lb/>
wie ihr &#x017F;ehet, hielt mich davon ab. Denn ich<lb/>
ha&#x017F;&#x017F;e Schriften, die in die&#x017F;e Materie ein&#x017F;chla-<lb/>
gen, eben &#x017F;o &#x017F;ehr, als &#x017F;ie mein Freund hier<lb/>
liebt, der &#x017F;ich das Papier, ohne die&#x017F;e fu&#x0364;r ihn<lb/>
&#x017F;o verfu&#x0364;hreri&#x017F;che Ueber&#x017F;chrift, gewiß nicht zum<lb/>
Durchle&#x017F;en wu&#x0364;rde ausgebeten haben. Man<lb/>
mu&#x017F;te die&#x017F;es nun wol glauben, und das um &#x017F;o<lb/>
mehr, weil man es auf keine Wei&#x017F;e auf die&#x017F;en<lb/>
er&#x017F;ten Ausleiher des Auf&#x017F;azes bringen konte,<lb/>
daß er &#x017F;ich als Abgeordneter betragen ha&#x0364;tte.<lb/>
Wider zwey andre von denen, durch deren<lb/>
Ha&#x0364;nde der Finanzvor&#x017F;chlag gegangen war, zo-<lb/>
gen &#x017F;ich zwar einige Wo&#x0364;lkchen Verdachts zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;am-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[375/0451] Die Aldermaͤnner ſchritten gleich nach der Ableſung zur Unterſuchung. Dieſe fingen ſie damit an, daß ſie denjenigen vor ſich fodern lieſſen, aus deſſen Haͤnden die Juͤnglinge den Aufſaz bekommen hatten. Nachdem man ei- nige Zeit von Hand zu Hand zuruͤkgegangen war, ſo kam man endlich an einen, der einge- ſtand, daß er den Aufſaz mit auf den Landtag gebracht haͤtte. Allein, fuhr er fort, ich be- ſinne mich nicht, denn ich bin, wie meine Be- kanten wiſſen, etwas zerſtreut, von wem ich dieß Papier vor meiner Abreiſe erhalten, und es iſt ein bloſſer Zufall, daß ich es mitgenom- men habe. Jch hab es nicht geleſen. Die Ueberſchrift: Finanzvorſchlag, die es hat, wie ihr ſehet, hielt mich davon ab. Denn ich haſſe Schriften, die in dieſe Materie einſchla- gen, eben ſo ſehr, als ſie mein Freund hier liebt, der ſich das Papier, ohne dieſe fuͤr ihn ſo verfuͤhreriſche Ueberſchrift, gewiß nicht zum Durchleſen wuͤrde ausgebeten haben. Man muſte dieſes nun wol glauben, und das um ſo mehr, weil man es auf keine Weiſe auf dieſen erſten Ausleiher des Aufſazes bringen konte, daß er ſich als Abgeordneter betragen haͤtte. Wider zwey andre von denen, durch deren Haͤnde der Finanzvorſchlag gegangen war, zo- gen ſich zwar einige Woͤlkchen Verdachts zu- ſam- A a 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/451
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/451>, abgerufen am 15.06.2024.