Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwanzigster Gesang.
Wie herlich ist sie! Treue Schaar, halt, was du hast,
Und o laß keinen die Krone des Heils dir nehmen!
Der Vollendete steht glänzend ein Pfeiler einst
Jn dem Tempel, wo der Sohn ewig belohnt!
Wehmutsvoll, mit jener Empfindung, die unter den Menschen
Thränen wird, kam mitten aus einem Chore die Stimme:
O vernähme den Ruf Laodicea noch!
Er ruft ihr vom Tod' auf! wehklaget sanft!
Wie blind ach! und wie elend täuschet sie sich!
Du des Herrn sonst, auf, eile dem Rufenden zu!
Der Gezüchtigte geht auch zu dem Abendmahl
Des Sohns ein! Wer fest steht, aushält, und siegt,
Belohnt wird, und gekrönt der! steiget empor
Zu des Throns Höh, Gottmensch, wo in Lichte du wohnst!
Da des Triumphs Heerschaar stets weiter hinauf zu des Himmels
Stralenkreise stieg, begannen Chöre der Seher
Und Erzengel dem Auferwecker und Richter zu singen.
Also sangen sie gegen einander. Die Harfen der Seher
Tönten feyrlichen Ernst, und flossen von grossen Gedanken
Feuriger über. Jzt strömte der Psalm in der Saite Begeistrung:
Wo erhöht er in dem Lichtreich, im Glanz thront, dort
Stieg er herab, und den Gerichtsruf donnerte sein Heer!
Und die Grabnacht gab, die sie wegnahm, her,
Da des Gerichts Ruf tönt', und das Gebirg' einsank!
Und
IV Band. N
Zwanzigſter Geſang.
Wie herlich iſt ſie! Treue Schaar, halt, was du haſt,
Und o laß keinen die Krone des Heils dir nehmen!
Der Vollendete ſteht glaͤnzend ein Pfeiler einſt
Jn dem Tempel, wo der Sohn ewig belohnt!
Wehmutsvoll, mit jener Empfindung, die unter den Menſchen
Thraͤnen wird, kam mitten aus einem Chore die Stimme:
O vernaͤhme den Ruf Laodicea noch!
Er ruft ihr vom Tod’ auf! wehklaget ſanft!
Wie blind ach! und wie elend taͤuſchet ſie ſich!
Du des Herrn ſonſt, auf, eile dem Rufenden zu!
Der Gezuͤchtigte geht auch zu dem Abendmahl
Des Sohns ein! Wer feſt ſteht, aushaͤlt, und ſiegt,
Belohnt wird, und gekroͤnt der! ſteiget empor
Zu des Throns Hoͤh, Gottmenſch, wo in Lichte du wohnſt!
Da des Triumphs Heerſchaar ſtets weiter hinauf zu des Himmels
Stralenkreiſe ſtieg, begannen Choͤre der Seher
Und Erzengel dem Auferwecker und Richter zu ſingen.
Alſo ſangen ſie gegen einander. Die Harfen der Seher
Toͤnten feyrlichen Ernſt, und floſſen von groſſen Gedanken
Feuriger uͤber. Jzt ſtroͤmte der Pſalm in der Saite Begeiſtrung:
Wo erhoͤht er in dem Lichtreich, im Glanz thront, dort
Stieg er herab, und den Gerichtsruf donnerte ſein Heer!
Und die Grabnacht gab, die ſie wegnahm, her,
Da des Gerichts Ruf toͤnt’, und das Gebirg’ einſank!
Und
IV Band. N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0193" n="193"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zwanzig&#x017F;ter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <lg n="184">
              <l>Wie herlich i&#x017F;t &#x017F;ie! Treue Schaar, halt, was du ha&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Und o laß keinen die Krone des Heils dir nehmen!</l><lb/>
              <l>Der Vollendete &#x017F;teht gla&#x0364;nzend ein Pfeiler ein&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Jn dem Tempel, wo der Sohn ewig belohnt!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="185">
              <l>Wehmutsvoll, mit jener Empfindung, die unter den Men&#x017F;chen</l><lb/>
              <l>Thra&#x0364;nen wird, kam mitten aus einem Chore die Stimme:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="186">
              <l>O verna&#x0364;hme den Ruf Laodicea noch!</l><lb/>
              <l>Er ruft ihr vom Tod&#x2019; auf! wehklaget &#x017F;anft!</l><lb/>
              <l>Wie blind ach! und wie elend ta&#x0364;u&#x017F;chet &#x017F;ie &#x017F;ich!</l><lb/>
              <l>Du des Herrn &#x017F;on&#x017F;t, auf, eile dem Rufenden zu!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="187">
              <l>Der Gezu&#x0364;chtigte geht auch zu dem Abendmahl</l><lb/>
              <l>Des Sohns ein! Wer fe&#x017F;t &#x017F;teht, ausha&#x0364;lt, und &#x017F;iegt,</l><lb/>
              <l>Belohnt wird, und gekro&#x0364;nt der! &#x017F;teiget empor</l><lb/>
              <l>Zu des Throns Ho&#x0364;h, Gottmen&#x017F;ch, wo in Lichte du wohn&#x017F;t!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="188">
              <l>Da des Triumphs Heer&#x017F;chaar &#x017F;tets weiter hinauf zu des Himmels</l><lb/>
              <l>Stralenkrei&#x017F;e &#x017F;tieg, begannen Cho&#x0364;re der Seher</l><lb/>
              <l>Und Erzengel dem Auferwecker und Richter zu &#x017F;ingen.</l><lb/>
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;angen &#x017F;ie gegen einander. Die Harfen der Seher</l><lb/>
              <l>To&#x0364;nten feyrlichen Ern&#x017F;t, und flo&#x017F;&#x017F;en von gro&#x017F;&#x017F;en Gedanken</l><lb/>
              <l>Feuriger u&#x0364;ber. Jzt &#x017F;tro&#x0364;mte der P&#x017F;alm in der Saite Begei&#x017F;trung:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="189">
              <l>Wo erho&#x0364;ht er in dem Lichtreich, im Glanz thront, dort</l><lb/>
              <l>Stieg er herab, und den Gerichtsruf donnerte &#x017F;ein Heer!</l><lb/>
              <l>Und die Grabnacht gab, die &#x017F;ie wegnahm, her,</l><lb/>
              <l>Da des Gerichts Ruf to&#x0364;nt&#x2019;, und das Gebirg&#x2019; ein&#x017F;ank!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV</hi><hi rendition="#fr">Band.</hi> N</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0193] Zwanzigſter Geſang. Wie herlich iſt ſie! Treue Schaar, halt, was du haſt, Und o laß keinen die Krone des Heils dir nehmen! Der Vollendete ſteht glaͤnzend ein Pfeiler einſt Jn dem Tempel, wo der Sohn ewig belohnt! Wehmutsvoll, mit jener Empfindung, die unter den Menſchen Thraͤnen wird, kam mitten aus einem Chore die Stimme: O vernaͤhme den Ruf Laodicea noch! Er ruft ihr vom Tod’ auf! wehklaget ſanft! Wie blind ach! und wie elend taͤuſchet ſie ſich! Du des Herrn ſonſt, auf, eile dem Rufenden zu! Der Gezuͤchtigte geht auch zu dem Abendmahl Des Sohns ein! Wer feſt ſteht, aushaͤlt, und ſiegt, Belohnt wird, und gekroͤnt der! ſteiget empor Zu des Throns Hoͤh, Gottmenſch, wo in Lichte du wohnſt! Da des Triumphs Heerſchaar ſtets weiter hinauf zu des Himmels Stralenkreiſe ſtieg, begannen Choͤre der Seher Und Erzengel dem Auferwecker und Richter zu ſingen. Alſo ſangen ſie gegen einander. Die Harfen der Seher Toͤnten feyrlichen Ernſt, und floſſen von groſſen Gedanken Feuriger uͤber. Jzt ſtroͤmte der Pſalm in der Saite Begeiſtrung: Wo erhoͤht er in dem Lichtreich, im Glanz thront, dort Stieg er herab, und den Gerichtsruf donnerte ſein Heer! Und die Grabnacht gab, die ſie wegnahm, her, Da des Gerichts Ruf toͤnt’, und das Gebirg’ einſank! Und IV Band. N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/193
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/193>, abgerufen am 29.04.2024.