Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Sieh des schattenden Walds Wipfel. Sie neigen sich.
Vor dem kommenden Hauch lauterer Lüfte? Nein,
Friedrich kömmt in den Schatten!
Darum neigen die Wipfel sich.
Warum lächelt dein Blick? warum ergiesset sich
Diese Freude, der Reiz heller vom Aug herab?
Wird sein festlicher Name
Schon genannt, wo die Palme weht?
Glaubst du, daß wir auf das, was auf der Erd' ihr thut,
Nicht mit forschendem Blick wachsam herunter sehn?
Und die Edlen nicht kennen,
Die so einsam hier unten sind?
Da wir, wenn er kaum reift, schon den Gedanken sehn,
Und die werdende That, eh sie hinübertrit
Vor das Auge des Schauers,
Und nun andre Gebehrden hat!
Kann was feyrlicher denn uns wie ein König seyn,
Der zwar feurig und jung, dennoch ein Weiser ist,
Und, die höchste der Würden,
Durch sich selber, noch mehr erhöht?
Heil dem König! Er hört, rufet die Stund ihm einst,
Die auch Kronen vom Haupt, wenn sie ertönet, wirft,
Unerschrocken ihr Rufen,
Lächelt, schlummert zu Glücklichen

Still

Sieh des ſchattenden Walds Wipfel. Sie neigen ſich.
Vor dem kommenden Hauch lauterer Luͤfte? Nein,
Friedrich koͤmmt in den Schatten!
Darum neigen die Wipfel ſich.
Warum laͤchelt dein Blick? warum ergieſſet ſich
Dieſe Freude, der Reiz heller vom Aug herab?
Wird ſein feſtlicher Name
Schon genannt, wo die Palme weht?
Glaubſt du, daß wir auf das, was auf der Erd’ ihr thut,
Nicht mit forſchendem Blick wachſam herunter ſehn?
Und die Edlen nicht kennen,
Die ſo einſam hier unten ſind?
Da wir, wenn er kaum reift, ſchon den Gedanken ſehn,
Und die werdende That, eh ſie hinuͤbertrit
Vor das Auge des Schauers,
Und nun andre Gebehrden hat!
Kann was feyrlicher denn uns wie ein Koͤnig ſeyn,
Der zwar feurig und jung, dennoch ein Weiſer iſt,
Und, die hoͤchſte der Wuͤrden,
Durch ſich ſelber, noch mehr erhoͤht?
Heil dem Koͤnig! Er hoͤrt, rufet die Stund ihm einſt,
Die auch Kronen vom Haupt, wenn ſie ertoͤnet, wirft,
Unerſchrocken ihr Rufen,
Laͤchelt, ſchlummert zu Gluͤcklichen

Still
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg>
            <pb facs="#f0108" n="100"/>
            <lg n="14">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>ieh des &#x017F;chattenden Walds Wipfel. Sie neigen &#x017F;ich.</l><lb/>
              <l>Vor dem kommenden Hauch lauterer Lu&#x0364;fte? Nein,</l><lb/>
              <l>Friedrich ko&#x0364;mmt in den Schatten!</l><lb/>
              <l>Darum neigen die Wipfel &#x017F;ich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l><hi rendition="#in">W</hi>arum la&#x0364;chelt dein Blick? warum ergie&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Die&#x017F;e Freude, der Reiz heller vom Aug herab?</l><lb/>
              <l>Wird &#x017F;ein fe&#x017F;tlicher Name</l><lb/>
              <l>Schon genannt, wo die Palme weht?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l><hi rendition="#in">G</hi>laub&#x017F;t du, daß wir auf das, was auf der Erd&#x2019; ihr thut,</l><lb/>
              <l>Nicht mit for&#x017F;chendem Blick wach&#x017F;am herunter &#x017F;ehn?</l><lb/>
              <l>Und die Edlen nicht kennen,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;o ein&#x017F;am hier unten &#x017F;ind?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <l><hi rendition="#in">D</hi>a wir, wenn er kaum reift, &#x017F;chon den Gedanken &#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Und die werdende That, eh &#x017F;ie hinu&#x0364;bertrit</l><lb/>
              <l>Vor das Auge des Schauers,</l><lb/>
              <l>Und nun andre Gebehrden hat!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="18">
              <l><hi rendition="#in">K</hi>ann was feyrlicher denn uns wie ein Ko&#x0364;nig &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Der zwar feurig und jung, dennoch ein Wei&#x017F;er i&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Und, die ho&#x0364;ch&#x017F;te der Wu&#x0364;rden,</l><lb/>
              <l>Durch &#x017F;ich &#x017F;elber, noch mehr erho&#x0364;ht?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="19">
              <l><hi rendition="#in">H</hi>eil dem Ko&#x0364;nig! Er ho&#x0364;rt, rufet die Stund ihm ein&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Die auch Kronen vom Haupt, wenn &#x017F;ie erto&#x0364;net, wirft,</l><lb/>
              <l>Uner&#x017F;chrocken ihr Rufen,</l><lb/>
              <l>La&#x0364;chelt, &#x017F;chlummert zu Glu&#x0364;cklichen</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Still</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0108] Sieh des ſchattenden Walds Wipfel. Sie neigen ſich. Vor dem kommenden Hauch lauterer Luͤfte? Nein, Friedrich koͤmmt in den Schatten! Darum neigen die Wipfel ſich. Warum laͤchelt dein Blick? warum ergieſſet ſich Dieſe Freude, der Reiz heller vom Aug herab? Wird ſein feſtlicher Name Schon genannt, wo die Palme weht? Glaubſt du, daß wir auf das, was auf der Erd’ ihr thut, Nicht mit forſchendem Blick wachſam herunter ſehn? Und die Edlen nicht kennen, Die ſo einſam hier unten ſind? Da wir, wenn er kaum reift, ſchon den Gedanken ſehn, Und die werdende That, eh ſie hinuͤbertrit Vor das Auge des Schauers, Und nun andre Gebehrden hat! Kann was feyrlicher denn uns wie ein Koͤnig ſeyn, Der zwar feurig und jung, dennoch ein Weiſer iſt, Und, die hoͤchſte der Wuͤrden, Durch ſich ſelber, noch mehr erhoͤht? Heil dem Koͤnig! Er hoͤrt, rufet die Stund ihm einſt, Die auch Kronen vom Haupt, wenn ſie ertoͤnet, wirft, Unerſchrocken ihr Rufen, Laͤchelt, ſchlummert zu Gluͤcklichen Still

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/108
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Oden. Hamburg, 1771, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_oden_1771/108>, abgerufen am 26.04.2024.