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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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V. Gegenstände. §. 17. Schriften (Fortsetzung).
tischen Werke Gegenstand eines doppelten geistigen Eigenthu-
mes, des Rechtes der Vervielfältigung und des Rechtes der
öffentlichen Aufführung.

Das Recht der Vervielfältigung von Musikalien ist dem
Schrifteigenthume ganz analog. Allerdings haben die musika-
lischen Compositionen keinen logischen Inhalt, sondern einen
ästhetischen Zweck. Allein die Mittheilung und Vervielfältigung
derselben erfolgt wie bei den Schriften durch conventionelle
Zeichen: die Noten. Sie stehen daher in Allem, was die Aus-
übung und Verletzung des geistigen Eigenthumes betrifft, den
Schriften völlig gleich. Dagegen besteht in Ansehung des Ob-
jectes des geistigen Eigenthumes eine wesentliche Verschieden-
heit zwischen den Musikalien und den Schriften, welche nicht
bloss für die begriffliche Eintheilung, sondern auch für die Beur-
theilung der Originalität eines Musikstückes von Bedeutung
ist. Wenn Friedländer 1) sagt: "Die Noten sind Surrogate der
Schriftzeichen, die Verbindung der Töne eine Sprache, beider
Inhalt Gedanken", so hat diese Characteristik vielleicht einen
poetischen, jedenfalls aber keinen juristischen Werth.

Bei den Schriften besteht das Object des geistigen Eigen-
thumes keinesweges in einer bestimmten Combination von Schrift-
zeichen, oder auch nur von Worten. Eine Sammlung algebrai-
scher Aufgaben bleibt dasselbe Werk, auch wenn die angewandten
Buchstaben durchgehends und in jeder beliebigen Weise ver-
tauscht werden. Ebenso bleibt ein literarisches Werk dasselbe,
auch wenn es in eine andere Sprache übersetzt wird, obgleich
dasselbe nunmehr aus ganz andern Worten und in durchgängig
veränderter Zusammenstellung combinirt erscheint. Man kann
sogar unter Beibehaltung derselben Sprache durch Umstellungen
und Vertauschungen der Worte Veränderungen vornehmen,
welche keinesweges die Identität des Schriftwerkes aufheben.
Es ist dies ja das gewöhnliche Verfahren, durch welches die
Nachdrucker die Anmaassung fremden Geisteseigenthumes zu
verdecken suchen, nicht aber vermeiden. Das Object des gei-
stigen Eigenthumes an Schriften ist also nicht eine bestimmte

reich abgeschlossenen Vertrag, eingereicht bei der Deutschen Bundes-
versammlung, sowie bei den Regierungen von Oesterreich, Preussen,
Sachsen von dem Vereine der Deutschen Musikalienhändler.
1) Der einheimische und ausländische Rechtsschutz etc. S. 35.

V. Gegenstände. §. 17. Schriften (Fortsetzung).
tischen Werke Gegenstand eines doppelten geistigen Eigenthu-
mes, des Rechtes der Vervielfältigung und des Rechtes der
öffentlichen Aufführung.

Das Recht der Vervielfältigung von Musikalien ist dem
Schrifteigenthume ganz analog. Allerdings haben die musika-
lischen Compositionen keinen logischen Inhalt, sondern einen
ästhetischen Zweck. Allein die Mittheilung und Vervielfältigung
derselben erfolgt wie bei den Schriften durch conventionelle
Zeichen: die Noten. Sie stehen daher in Allem, was die Aus-
übung und Verletzung des geistigen Eigenthumes betrifft, den
Schriften völlig gleich. Dagegen besteht in Ansehung des Ob-
jectes des geistigen Eigenthumes eine wesentliche Verschieden-
heit zwischen den Musikalien und den Schriften, welche nicht
bloss für die begriffliche Eintheilung, sondern auch für die Beur-
theilung der Originalität eines Musikstückes von Bedeutung
ist. Wenn Friedländer 1) sagt: »Die Noten sind Surrogate der
Schriftzeichen, die Verbindung der Töne eine Sprache, beider
Inhalt Gedanken«, so hat diese Characteristik vielleicht einen
poetischen, jedenfalls aber keinen juristischen Werth.

Bei den Schriften besteht das Object des geistigen Eigen-
thumes keinesweges in einer bestimmten Combination von Schrift-
zeichen, oder auch nur von Worten. Eine Sammlung algebrai-
scher Aufgaben bleibt dasselbe Werk, auch wenn die angewandten
Buchstaben durchgehends und in jeder beliebigen Weise ver-
tauscht werden. Ebenso bleibt ein literarisches Werk dasselbe,
auch wenn es in eine andere Sprache übersetzt wird, obgleich
dasselbe nunmehr aus ganz andern Worten und in durchgängig
veränderter Zusammenstellung combinirt erscheint. Man kann
sogar unter Beibehaltung derselben Sprache durch Umstellungen
und Vertauschungen der Worte Veränderungen vornehmen,
welche keinesweges die Identität des Schriftwerkes aufheben.
Es ist dies ja das gewöhnliche Verfahren, durch welches die
Nachdrucker die Anmaassung fremden Geisteseigenthumes zu
verdecken suchen, nicht aber vermeiden. Das Object des gei-
stigen Eigenthumes an Schriften ist also nicht eine bestimmte

reich abgeschlossenen Vertrag, eingereicht bei der Deutschen Bundes-
versammlung, sowie bei den Regierungen von Oesterreich, Preussen,
Sachsen von dem Vereine der Deutschen Musikalienhändler.
1) Der einheimische und ausländische Rechtsschutz etc. S. 35.
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[172/0188] V. Gegenstände. §. 17. Schriften (Fortsetzung). tischen Werke Gegenstand eines doppelten geistigen Eigenthu- mes, des Rechtes der Vervielfältigung und des Rechtes der öffentlichen Aufführung. Das Recht der Vervielfältigung von Musikalien ist dem Schrifteigenthume ganz analog. Allerdings haben die musika- lischen Compositionen keinen logischen Inhalt, sondern einen ästhetischen Zweck. Allein die Mittheilung und Vervielfältigung derselben erfolgt wie bei den Schriften durch conventionelle Zeichen: die Noten. Sie stehen daher in Allem, was die Aus- übung und Verletzung des geistigen Eigenthumes betrifft, den Schriften völlig gleich. Dagegen besteht in Ansehung des Ob- jectes des geistigen Eigenthumes eine wesentliche Verschieden- heit zwischen den Musikalien und den Schriften, welche nicht bloss für die begriffliche Eintheilung, sondern auch für die Beur- theilung der Originalität eines Musikstückes von Bedeutung ist. Wenn Friedländer 1) sagt: »Die Noten sind Surrogate der Schriftzeichen, die Verbindung der Töne eine Sprache, beider Inhalt Gedanken«, so hat diese Characteristik vielleicht einen poetischen, jedenfalls aber keinen juristischen Werth. Bei den Schriften besteht das Object des geistigen Eigen- thumes keinesweges in einer bestimmten Combination von Schrift- zeichen, oder auch nur von Worten. Eine Sammlung algebrai- scher Aufgaben bleibt dasselbe Werk, auch wenn die angewandten Buchstaben durchgehends und in jeder beliebigen Weise ver- tauscht werden. Ebenso bleibt ein literarisches Werk dasselbe, auch wenn es in eine andere Sprache übersetzt wird, obgleich dasselbe nunmehr aus ganz andern Worten und in durchgängig veränderter Zusammenstellung combinirt erscheint. Man kann sogar unter Beibehaltung derselben Sprache durch Umstellungen und Vertauschungen der Worte Veränderungen vornehmen, welche keinesweges die Identität des Schriftwerkes aufheben. Es ist dies ja das gewöhnliche Verfahren, durch welches die Nachdrucker die Anmaassung fremden Geisteseigenthumes zu verdecken suchen, nicht aber vermeiden. Das Object des gei- stigen Eigenthumes an Schriften ist also nicht eine bestimmte 4) 1) Der einheimische und ausländische Rechtsschutz etc. S. 35. 4) reich abgeschlossenen Vertrag, eingereicht bei der Deutschen Bundes- versammlung, sowie bei den Regierungen von Oesterreich, Preussen, Sachsen von dem Vereine der Deutschen Musikalienhändler.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/188>, abgerufen am 28.04.2024.