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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Frühere Versuche.
oder durch ein anderes Vergehen bewirkt worden ist, wenn z. B.
die Arbeiter des Erfinders bestochen oder seine Pläne und
Zeichnungen entwendet sind, so behält doch die Thatsache der
erfolgten Veröffentlichung die Wirkung, dass die Erfindung
nicht mehr patentirt werden kann1).

Es kommt ferner nicht darauf an, ob derjenige, welcher
die Gültigkeit des Patentes anficht, selbst vor der Anmeldung
des Patentgesuches von der veröffentlichten Erfindung Kennt-
niss erlangt hatte. Das Erkenntniss des Pariser Cassations-
hofes vom 19. März 18212) bemerkt hierüber zutreffend:

"Der Einwand, dass die Erfindung nicht neu sei, ist ein
in der Natur der Sache begründeter. Das Gesetz verlangt nicht,
dass derjenige, welcher der Klage des Patentinhabers die Ein-
wendung entgegen setzt, dass das Verfahren schon vor der
Patentirung bekannt gewesen sei, auch beweise, dass er per-
sönlich vor der Patentirung von diesem Verfahren Kenntniss
gehabt habe."

Auch die Zahl der Personen, welche von dem veröffent-
lichten Verfahren Kenntniss erhalten haben, ist für den That-
bestand der Veröffentlichung gleichgültig. Um eine Erfindung
zum Gemeingute zu machen, ist es keinesweges erforderlich,
dass eine grössere Anzahl von Individuen von derselben Kennt-
niss erlangt habe. Es wäre, wie Renouard (a. a. O. S. 244)
bemerkt, widersinnig, zu verlangen, dass die Veröffentlichung
zur Kenntniss aller der Individuen gelangt wäre, aus denen
sich die Gesammtheit zusammensetzt. Andrerseits bildet auch
der grösste Leserkreis des verbreitetsten Buches nur einen ver-
schwindenden Bruchtheil der Gesammtheit. Es genügt daher,
wenn die Veröffentlichung Jedem die Möglichkeit gewährt, von
der Erfindung Kenntniss zu erlangen.

Durch diese Begrenzung wird aber zugleich von dem That-
bestande der Veröffentlichung eine solche Mittheilung ausge-
nommen, welche nur an einzelne mit dem Erfinder zu einem
bestimmten gewerblichen Zwecke verbundene Personen geschieht.
So lange diese Personen, welche contractlich zur Geheimhal-
tung verpflichtet sind, die Erfindung wirklich geheim halten,
liegt der Thatbestand einer Veröffentlichung nicht vor. Die

1) Renouard, Traite des brevets d'invention p. 249.
2) Renouard, l. c. p. 248.

Frühere Versuche.
oder durch ein anderes Vergehen bewirkt worden ist, wenn z. B.
die Arbeiter des Erfinders bestochen oder seine Pläne und
Zeichnungen entwendet sind, so behält doch die Thatsache der
erfolgten Veröffentlichung die Wirkung, dass die Erfindung
nicht mehr patentirt werden kann1).

Es kommt ferner nicht darauf an, ob derjenige, welcher
die Gültigkeit des Patentes anficht, selbst vor der Anmeldung
des Patentgesuches von der veröffentlichten Erfindung Kennt-
niss erlangt hatte. Das Erkenntniss des Pariser Cassations-
hofes vom 19. März 18212) bemerkt hierüber zutreffend:

»Der Einwand, dass die Erfindung nicht neu sei, ist ein
in der Natur der Sache begründeter. Das Gesetz verlangt nicht,
dass derjenige, welcher der Klage des Patentinhabers die Ein-
wendung entgegen setzt, dass das Verfahren schon vor der
Patentirung bekannt gewesen sei, auch beweise, dass er per-
sönlich vor der Patentirung von diesem Verfahren Kenntniss
gehabt habe.«

Auch die Zahl der Personen, welche von dem veröffent-
lichten Verfahren Kenntniss erhalten haben, ist für den That-
bestand der Veröffentlichung gleichgültig. Um eine Erfindung
zum Gemeingute zu machen, ist es keinesweges erforderlich,
dass eine grössere Anzahl von Individuen von derselben Kennt-
niss erlangt habe. Es wäre, wie Renouard (a. a. O. S. 244)
bemerkt, widersinnig, zu verlangen, dass die Veröffentlichung
zur Kenntniss aller der Individuen gelangt wäre, aus denen
sich die Gesammtheit zusammensetzt. Andrerseits bildet auch
der grösste Leserkreis des verbreitetsten Buches nur einen ver-
schwindenden Bruchtheil der Gesammtheit. Es genügt daher,
wenn die Veröffentlichung Jedem die Möglichkeit gewährt, von
der Erfindung Kenntniss zu erlangen.

Durch diese Begrenzung wird aber zugleich von dem That-
bestande der Veröffentlichung eine solche Mittheilung ausge-
nommen, welche nur an einzelne mit dem Erfinder zu einem
bestimmten gewerblichen Zwecke verbundene Personen geschieht.
So lange diese Personen, welche contractlich zur Geheimhal-
tung verpflichtet sind, die Erfindung wirklich geheim halten,
liegt der Thatbestand einer Veröffentlichung nicht vor. Die

1) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 249.
2) Renouard, l. c. p. 248.
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[53/0080] Frühere Versuche. oder durch ein anderes Vergehen bewirkt worden ist, wenn z. B. die Arbeiter des Erfinders bestochen oder seine Pläne und Zeichnungen entwendet sind, so behält doch die Thatsache der erfolgten Veröffentlichung die Wirkung, dass die Erfindung nicht mehr patentirt werden kann 1). Es kommt ferner nicht darauf an, ob derjenige, welcher die Gültigkeit des Patentes anficht, selbst vor der Anmeldung des Patentgesuches von der veröffentlichten Erfindung Kennt- niss erlangt hatte. Das Erkenntniss des Pariser Cassations- hofes vom 19. März 1821 2) bemerkt hierüber zutreffend: »Der Einwand, dass die Erfindung nicht neu sei, ist ein in der Natur der Sache begründeter. Das Gesetz verlangt nicht, dass derjenige, welcher der Klage des Patentinhabers die Ein- wendung entgegen setzt, dass das Verfahren schon vor der Patentirung bekannt gewesen sei, auch beweise, dass er per- sönlich vor der Patentirung von diesem Verfahren Kenntniss gehabt habe.« Auch die Zahl der Personen, welche von dem veröffent- lichten Verfahren Kenntniss erhalten haben, ist für den That- bestand der Veröffentlichung gleichgültig. Um eine Erfindung zum Gemeingute zu machen, ist es keinesweges erforderlich, dass eine grössere Anzahl von Individuen von derselben Kennt- niss erlangt habe. Es wäre, wie Renouard (a. a. O. S. 244) bemerkt, widersinnig, zu verlangen, dass die Veröffentlichung zur Kenntniss aller der Individuen gelangt wäre, aus denen sich die Gesammtheit zusammensetzt. Andrerseits bildet auch der grösste Leserkreis des verbreitetsten Buches nur einen ver- schwindenden Bruchtheil der Gesammtheit. Es genügt daher, wenn die Veröffentlichung Jedem die Möglichkeit gewährt, von der Erfindung Kenntniss zu erlangen. Durch diese Begrenzung wird aber zugleich von dem That- bestande der Veröffentlichung eine solche Mittheilung ausge- nommen, welche nur an einzelne mit dem Erfinder zu einem bestimmten gewerblichen Zwecke verbundene Personen geschieht. So lange diese Personen, welche contractlich zur Geheimhal- tung verpflichtet sind, die Erfindung wirklich geheim halten, liegt der Thatbestand einer Veröffentlichung nicht vor. Die 1) Renouard, Traité des brevets d’invention p. 249. 2) Renouard, l. c. p. 248.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/80>, abgerufen am 29.04.2024.