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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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der That meine Pflicht und Zärtlichkeit gegen
sie, fremden Neigungen aufopfern; so muß
das ihre eigene Achtung gegen mich vermindern,
und merkt sie hingegen, daß ich nur Spielwerk
mit ihr treiben will; so ist das mehr als ver¬
lohrne Arbeit, die noch obendrein oft ernstliche
Folgen haben kann.

Ich sage, wenn auch auf kurze Zeit der
Mann seinem Weibe, oder die Frau ihrem
Gatten Veranlassung zu solchen Unruhen giebt;
so wird doch diese kleine Herzens-Verwirrung,
wenn der leidende Theil nur fortfährt, seinen
Pflichten treu zu seyn, nicht dauern können.
Bey kaltblütiger Prüfung wird der Gedanke
aufleben: "Mögte auch Jener, mögte auch
"Jene die liebenswürdigsten Eigenschaften ha¬
"ben; so ist er mir doch, ist sie mir doch nicht,
"was mir mein Mann, mein Weib ist, theilt
"doch nicht mit mir jede Sorge des Lebens,
"hat nicht mit mir schon so viel Glück und Un¬
"glück gemeinschaftlich getragen, hängt nicht
"so mit ganzer Seele, mit erprobter Treue an
"mir, ist nicht Vater, nicht Mutter meiner
"lieben Kinder, wird nicht so ewig alles Gute
"und alles Böse mit mir theilen, wird mir nicht

"den

der That meine Pflicht und Zaͤrtlichkeit gegen
ſie, fremden Neigungen aufopfern; ſo muß
das ihre eigene Achtung gegen mich vermindern,
und merkt ſie hingegen, daß ich nur Spielwerk
mit ihr treiben will; ſo iſt das mehr als ver¬
lohrne Arbeit, die noch obendrein oft ernſtliche
Folgen haben kann.

Ich ſage, wenn auch auf kurze Zeit der
Mann ſeinem Weibe, oder die Frau ihrem
Gatten Veranlaſſung zu ſolchen Unruhen giebt;
ſo wird doch dieſe kleine Herzens-Verwirrung,
wenn der leidende Theil nur fortfaͤhrt, ſeinen
Pflichten treu zu ſeyn, nicht dauern koͤnnen.
Bey kaltbluͤtiger Pruͤfung wird der Gedanke
aufleben: „Moͤgte auch Jener, moͤgte auch
„Jene die liebenswuͤrdigſten Eigenſchaften ha¬
„ben; ſo iſt er mir doch, iſt ſie mir doch nicht,
„was mir mein Mann, mein Weib iſt, theilt
„doch nicht mit mir jede Sorge des Lebens,
„hat nicht mit mir ſchon ſo viel Gluͤck und Un¬
„gluͤck gemeinſchaftlich getragen, haͤngt nicht
„ſo mit ganzer Seele, mit erprobter Treue an
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[127/0157] der That meine Pflicht und Zaͤrtlichkeit gegen ſie, fremden Neigungen aufopfern; ſo muß das ihre eigene Achtung gegen mich vermindern, und merkt ſie hingegen, daß ich nur Spielwerk mit ihr treiben will; ſo iſt das mehr als ver¬ lohrne Arbeit, die noch obendrein oft ernſtliche Folgen haben kann. Ich ſage, wenn auch auf kurze Zeit der Mann ſeinem Weibe, oder die Frau ihrem Gatten Veranlaſſung zu ſolchen Unruhen giebt; ſo wird doch dieſe kleine Herzens-Verwirrung, wenn der leidende Theil nur fortfaͤhrt, ſeinen Pflichten treu zu ſeyn, nicht dauern koͤnnen. Bey kaltbluͤtiger Pruͤfung wird der Gedanke aufleben: „Moͤgte auch Jener, moͤgte auch „Jene die liebenswuͤrdigſten Eigenſchaften ha¬ „ben; ſo iſt er mir doch, iſt ſie mir doch nicht, „was mir mein Mann, mein Weib iſt, theilt „doch nicht mit mir jede Sorge des Lebens, „hat nicht mit mir ſchon ſo viel Gluͤck und Un¬ „gluͤck gemeinſchaftlich getragen, haͤngt nicht „ſo mit ganzer Seele, mit erprobter Treue an „mir, iſt nicht Vater, nicht Mutter meiner „lieben Kinder, wird nicht ſo ewig alles Gute „und alles Boͤſe mit mir theilen, wird mir nicht „den

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/157>, abgerufen am 29.04.2024.