Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

Mann, der immer auf andrer Leute Kosten
oder auf Kosten der Wahrheit die Gesellschaft
vergnügen will, und man hat Recht dazu,
denn der gefühlvolle, verständige Mensch muß
Nachsicht haben mit den Schwächen Andrer;
Er weiß, welchen großen Schaden oft ein ein¬
ziges, wenngleich nicht böse gemeintes Wört¬
gen anrichten kann, auch sehnt er sich nach
gründlicherer und nützlicherer Unterhaltung;
ihn ekelt vor leerer Persifflage. Gar zu leicht
aber gewöhnt man sich in der sogenannten
großen Welt diesen elenden Ton an; Man
kann nicht genug davor warnen.

Uebrigens aber mögte ich auch nicht gern
alle Satyre für unerlaubt erklären, noch leug¬
nen, daß manche Thorheiten und Unzweck¬
mäßigkeiten, im weniger vertraueten Um¬
gange
, am besten durch eine feine, nicht be¬
leidigende, nicht zu deutlich auf einzelne Per¬
sonen anspielende Persifflage bekämpft werden
können. Endlich bin ich auch weit entfernt,
zu fordern, man solle alles loben und alle offen¬
bahre Fehler entschuldigen, vielmehr habe ich
nie den Leuten getrauet, die so merklich affecti¬
ren, alles mit dem Mantel der christlichen Liebe

be¬

Mann, der immer auf andrer Leute Koſten
oder auf Koſten der Wahrheit die Geſellſchaft
vergnuͤgen will, und man hat Recht dazu,
denn der gefuͤhlvolle, verſtaͤndige Menſch muß
Nachſicht haben mit den Schwaͤchen Andrer;
Er weiß, welchen großen Schaden oft ein ein¬
ziges, wenngleich nicht boͤſe gemeintes Woͤrt¬
gen anrichten kann, auch ſehnt er ſich nach
gruͤndlicherer und nuͤtzlicherer Unterhaltung;
ihn ekelt vor leerer Perſifflage. Gar zu leicht
aber gewoͤhnt man ſich in der ſogenannten
großen Welt dieſen elenden Ton an; Man
kann nicht genug davor warnen.

Uebrigens aber moͤgte ich auch nicht gern
alle Satyre fuͤr unerlaubt erklaͤren, noch leug¬
nen, daß manche Thorheiten und Unzweck¬
maͤßigkeiten, im weniger vertraueten Um¬
gange
, am beſten durch eine feine, nicht be¬
leidigende, nicht zu deutlich auf einzelne Per¬
ſonen anſpielende Perſifflage bekaͤmpft werden
koͤnnen. Endlich bin ich auch weit entfernt,
zu fordern, man ſolle alles loben und alle offen¬
bahre Fehler entſchuldigen, vielmehr habe ich
nie den Leuten getrauet, die ſo merklich affecti¬
ren, alles mit dem Mantel der chriſtlichen Liebe

be¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="64"/>
Mann, der immer auf andrer Leute Ko&#x017F;ten<lb/>
oder auf Ko&#x017F;ten der Wahrheit die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
vergnu&#x0364;gen will, und man hat Recht dazu,<lb/>
denn der gefu&#x0364;hlvolle, ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Men&#x017F;ch muß<lb/>
Nach&#x017F;icht haben mit den Schwa&#x0364;chen Andrer;<lb/>
Er weiß, welchen großen Schaden oft ein ein¬<lb/>
ziges, wenngleich nicht bo&#x0364;&#x017F;e gemeintes Wo&#x0364;rt¬<lb/>
gen anrichten kann, auch &#x017F;ehnt er &#x017F;ich nach<lb/>
gru&#x0364;ndlicherer und nu&#x0364;tzlicherer Unterhaltung;<lb/>
ihn ekelt vor leerer Per&#x017F;ifflage. Gar zu leicht<lb/>
aber gewo&#x0364;hnt man &#x017F;ich in der &#x017F;ogenannten<lb/>
großen Welt die&#x017F;en elenden Ton an; Man<lb/>
kann nicht genug davor warnen.</p><lb/>
            <p>Uebrigens aber mo&#x0364;gte ich auch nicht gern<lb/>
alle Satyre fu&#x0364;r unerlaubt erkla&#x0364;ren, noch leug¬<lb/>
nen, daß manche Thorheiten und Unzweck¬<lb/>
ma&#x0364;ßigkeiten, <hi rendition="#fr">im weniger vertraueten Um¬<lb/>
gange</hi>, am be&#x017F;ten durch eine feine, nicht be¬<lb/>
leidigende, nicht zu deutlich auf einzelne Per¬<lb/>
&#x017F;onen an&#x017F;pielende Per&#x017F;ifflage beka&#x0364;mpft werden<lb/>
ko&#x0364;nnen. Endlich bin ich auch weit entfernt,<lb/>
zu fordern, man &#x017F;olle alles loben und alle offen¬<lb/>
bahre Fehler ent&#x017F;chuldigen, vielmehr habe ich<lb/>
nie den Leuten getrauet, die &#x017F;o merklich affecti¬<lb/>
ren, alles mit dem Mantel der chri&#x017F;tlichen Liebe<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">be¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0094] Mann, der immer auf andrer Leute Koſten oder auf Koſten der Wahrheit die Geſellſchaft vergnuͤgen will, und man hat Recht dazu, denn der gefuͤhlvolle, verſtaͤndige Menſch muß Nachſicht haben mit den Schwaͤchen Andrer; Er weiß, welchen großen Schaden oft ein ein¬ ziges, wenngleich nicht boͤſe gemeintes Woͤrt¬ gen anrichten kann, auch ſehnt er ſich nach gruͤndlicherer und nuͤtzlicherer Unterhaltung; ihn ekelt vor leerer Perſifflage. Gar zu leicht aber gewoͤhnt man ſich in der ſogenannten großen Welt dieſen elenden Ton an; Man kann nicht genug davor warnen. Uebrigens aber moͤgte ich auch nicht gern alle Satyre fuͤr unerlaubt erklaͤren, noch leug¬ nen, daß manche Thorheiten und Unzweck¬ maͤßigkeiten, im weniger vertraueten Um¬ gange, am beſten durch eine feine, nicht be¬ leidigende, nicht zu deutlich auf einzelne Per¬ ſonen anſpielende Perſifflage bekaͤmpft werden koͤnnen. Endlich bin ich auch weit entfernt, zu fordern, man ſolle alles loben und alle offen¬ bahre Fehler entſchuldigen, vielmehr habe ich nie den Leuten getrauet, die ſo merklich affecti¬ ren, alles mit dem Mantel der chriſtlichen Liebe be¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/94
Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/94>, abgerufen am 01.05.2024.