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Koch, Konrad: Die Schulspiele in Braunschweig. In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. Jahrbuch des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland. 2. Jahrgang. Leipzig, 1893. S. 15-19.

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zu werden brauchen. Gleich beim ersten Versuche gefiel es hier allen
mitspielenden Schülern so sehr, daß es stets seitdem das allgemeine
Lieblingsspiel geblieben ist. Im Winterhalbjahr wird es bis jetzt aus-
schließlich gespielt. Erst in diesem letzten ist neben ihm Harpastum
(Raffball) in Frage gekommen, und ich möchte fast meinen, daß dieses
Spiel, namentlich wenn es erst sich seiner entwickelt und strengere Regeln
erhält, wohl einmal dem Fußball an Beliebtheit den Rang streitig machen
kann. Wenn also die fremden Spiele von unseren Schülern so gern
gespielt werden, so liegt das nicht etwa an einer Vorliebe von uns
ganz auf deutsche beschränkt und besonders Barlauf, Grenzball und
Kaiserball eingeübt, wie denn diese auch jetzt noch auf unserem Spielplatz
eifrig betrieben und namentlich die beiden letzten von den Schülern der
oberen Klassen, die sich nicht die nötige Geschicklichkeit für Cricket erworben
haben, regelmäßig im Sommer bevorzugt werden. Die Gefahr, als ob
durch Herübernehmen des Balls und Ballholzes und einiger Spielregeln
in unserer deutschen Jugend das Nationalgefühl irgend geschädigt würde,
haben wir nie anerkannt, auch nie berücksichtigen zu müssen geglaubt. Wer
mit dem jetzt heranwachsenden Geschlechte in geistiger Fühlung lebt, weiß
ganz genau, daß in unserem Volke das kräftige Sebstvertrauen, zu dem
es 1870 erwacht ist, so leicht nicht zu gefährden ist. Wünschenswert
ist es allerdings und hier streng beachtet, daß im Spiele nur gut deutsche
Ausdrücke vorkommen.

Als die wichtigsten Daten aus der Geschichte unserer Spiele wären
etwa folgende anzuführen. Im Mai 1872 wurden sie zuerst unternommen,
1874 Michaelis kamen mit der Einführung des Fußballs die Winter-
spiele hinzu, im Sommer 1876 ward Cricket eingeführt, 1878 wurden die
Spiele zu einer festen Schuleinrichtung gemacht und demgemäß zwei
Schulnachmittage vom Schulunterricht befreit, im folgenden Jahre wurde
die Teilnahme an den Sommer-Schulspielen obligatorisch, daneben be-
standen am Mittwoch und Sonnabend freiwillige Spiele und außerdem
im Winterhalbjahre das freiwillige Fußballspiel. Aus dem vorigen Jahr-
zehnt ist nichts von allgemeinem Interesse zu erwähnen. Das antike
Spiel Harpastum (Raffball) ist im Jahre 1891 zuerst hier neu belebt.
Seit Michaelis vorigen Jahres ist ein Versuch mit der Einführung des
obligatorischen Winterspiels gemacht, der bisher im Ganzen günstig aus-
gefallen ist. Freilich hat seit Mitte Dezember Frost und starker Schnee-
fall allem Ballspiel im Freien ein Einde gemacht; dafür aber zieht unsere
Schuljugend statt dessen in hellen Scharen regelmäßig Nachmittags

zu werden brauchen. Gleich beim ersten Versuche gefiel es hier allen
mitspielenden Schülern so sehr, daß es stets seitdem das allgemeine
Lieblingsspiel geblieben ist. Im Winterhalbjahr wird es bis jetzt aus-
schließlich gespielt. Erst in diesem letzten ist neben ihm Harpastum
(Raffball) in Frage gekommen, und ich möchte fast meinen, daß dieses
Spiel, namentlich wenn es erst sich seiner entwickelt und strengere Regeln
erhält, wohl einmal dem Fußball an Beliebtheit den Rang streitig machen
kann. Wenn also die fremden Spiele von unseren Schülern so gern
gespielt werden, so liegt das nicht etwa an einer Vorliebe von uns
ganz auf deutsche beschränkt und besonders Barlauf, Grenzball und
Kaiserball eingeübt, wie denn diese auch jetzt noch auf unserem Spielplatz
eifrig betrieben und namentlich die beiden letzten von den Schülern der
oberen Klassen, die sich nicht die nötige Geschicklichkeit für Cricket erworben
haben, regelmäßig im Sommer bevorzugt werden. Die Gefahr, als ob
durch Herübernehmen des Balls und Ballholzes und einiger Spielregeln
in unserer deutschen Jugend das Nationalgefühl irgend geschädigt würde,
haben wir nie anerkannt, auch nie berücksichtigen zu müssen geglaubt. Wer
mit dem jetzt heranwachsenden Geschlechte in geistiger Fühlung lebt, weiß
ganz genau, daß in unserem Volke das kräftige Sebstvertrauen, zu dem
es 1870 erwacht ist, so leicht nicht zu gefährden ist. Wünschenswert
ist es allerdings und hier streng beachtet, daß im Spiele nur gut deutsche
Ausdrücke vorkommen.

Als die wichtigsten Daten aus der Geschichte unserer Spiele wären
etwa folgende anzuführen. Im Mai 1872 wurden sie zuerst unternommen,
1874 Michaelis kamen mit der Einführung des Fußballs die Winter-
spiele hinzu, im Sommer 1876 ward Cricket eingeführt, 1878 wurden die
Spiele zu einer festen Schuleinrichtung gemacht und demgemäß zwei
Schulnachmittage vom Schulunterricht befreit, im folgenden Jahre wurde
die Teilnahme an den Sommer-Schulspielen obligatorisch, daneben be-
standen am Mittwoch und Sonnabend freiwillige Spiele und außerdem
im Winterhalbjahre das freiwillige Fußballspiel. Aus dem vorigen Jahr-
zehnt ist nichts von allgemeinem Interesse zu erwähnen. Das antike
Spiel Harpastum (Raffball) ist im Jahre 1891 zuerst hier neu belebt.
Seit Michaelis vorigen Jahres ist ein Versuch mit der Einführung des
obligatorischen Winterspiels gemacht, der bisher im Ganzen günstig aus-
gefallen ist. Freilich hat seit Mitte Dezember Frost und starker Schnee-
fall allem Ballspiel im Freien ein Einde gemacht; dafür aber zieht unsere
Schuljugend statt dessen in hellen Scharen regelmäßig Nachmittags

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  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.




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Zitationshilfe: Koch, Konrad: Die Schulspiele in Braunschweig. In: E. von Schenckendorff/ F. A. Schmidt (Hg.): Über Jugend- und Volksspiele. Jahrbuch des Zentralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland. 2. Jahrgang. Leipzig, 1893. S. 15-19, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_schulspiele_1893/5>, abgerufen am 26.04.2024.