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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung der menschlichen Eihüllen.
Auch beim befruchteten menschlichen Eie ist natürlich das ur-
sprüngliche Vorhandensein einer von der Dotterhaut gebildeten Hülle
nicht zu bezweifeln. Da jedoch menschliche Eier aus dem Eileiter
nicht mit Sicherheit bekannt sind, und da auch über die aller-
jüngsten Eier im Uterus äusserst wenige Beobachtungen vorliegen,
so sind die späteren Schicksale der Dotterhaut ganz unbekannt, und
im Besonderen die Frage noch nicht erledigt, ob dieselbe auch beim
Menschen in einem gewissen Stadium Zöttchen trägt oder nicht. Aus
einer Beobachtung von Wharton Jones (Philos. Transactions 1837,
pag. 339), der im Uterus in der einen Seite der Decidua ein erbsen-
grosses Eichen fand, welches, obschon es keinen Embryo, sondern
nur an einer Seite einen kleinen runden Körper, vielleicht die Keim-
blase, enthielt, doch schon wenigstens an einer Seite Zöttchen trug,
könnte man versucht sein, den Schluss abzuleiten, dass die Dotter-
haut auch beim Menschen zu einer gewissen Zeit Zöttchen trägt.
Da aber nur diese Eine Beobachtung vorliegt und noch sehr fraglich
ist, ob jenes Ei normal und so jung war, wie es dem Baue nach sein
musste (angeblich war das Ei 3--4 Wochen alt), da ferner nicht
nachgewiesen ist, dass jene Zotten wirklich structurlos waren, so
ist es wohl am gerathensten, in Bezug auf diesen Fall sich wei-
terer Folgerungen zu enthalten. Zwei andere Eier aus einem frü-
heren Stadium von 3 und 6''', welche Allen Thomson im Uterus be-
obachtete und die ich Ihnen früher beschrieb (s. Figg. 63--65), waren
ebenfalls mit Zöttchen besetzt, allein bei diesen Eiern, die schon
einen Embryo enthielten, erscheint es in hohem Grade wahrschein-
lich, dass die äussere zottentragende Eihülle schon die seröse Hülle
war, und dass die Zöttchen aus Zellen bestanden. Es scheinen nämlich
die fraglichen Embryonen das Amnios, dessen Vorhandensein im-
mer auch von dem Bestehen einer serösen Hülle zeugt, schon gehabt
zu haben, wie sich daraus schliessen lässt, dass dieselben mit dem
Rücken an der äussern Eihülle festsassen, wie diess immer der Fall
ist, wenn Amnios und seröse Hülle im Begriffe sind, sich zu tren-
nen. Leider meldet Thomson gar nichts über die mikroskopische
Zusammensetzung der Zöttchen dieser Eier, welche, beiläufig ge-
sagt, vielleicht jetzt noch sich anstellen liesse, und enthalten wir
uns daher auch für diese Fälle der Entscheidung. Sicher ist nur so
viel, dass die Dotterhaut später schwindet und kann ich wenigstens
dafür einstehen, dass dieselbe an dem 15--18 Tage alten Eie von
Coste, das ich selbst untersuchte (s. Vorles. XVII.), und bei einem

Entwicklung der menschlichen Eihüllen.
Auch beim befruchteten menschlichen Eie ist natürlich das ur-
sprüngliche Vorhandensein einer von der Dotterhaut gebildeten Hülle
nicht zu bezweifeln. Da jedoch menschliche Eier aus dem Eileiter
nicht mit Sicherheit bekannt sind, und da auch über die aller-
jüngsten Eier im Uterus äusserst wenige Beobachtungen vorliegen,
so sind die späteren Schicksale der Dotterhaut ganz unbekannt, und
im Besonderen die Frage noch nicht erledigt, ob dieselbe auch beim
Menschen in einem gewissen Stadium Zöttchen trägt oder nicht. Aus
einer Beobachtung von Wharton Jones (Philos. Transactions 1837,
pag. 339), der im Uterus in der einen Seite der Decidua ein erbsen-
grosses Eichen fand, welches, obschon es keinen Embryo, sondern
nur an einer Seite einen kleinen runden Körper, vielleicht die Keim-
blase, enthielt, doch schon wenigstens an einer Seite Zöttchen trug,
könnte man versucht sein, den Schluss abzuleiten, dass die Dotter-
haut auch beim Menschen zu einer gewissen Zeit Zöttchen trägt.
Da aber nur diese Eine Beobachtung vorliegt und noch sehr fraglich
ist, ob jenes Ei normal und so jung war, wie es dem Baue nach sein
musste (angeblich war das Ei 3—4 Wochen alt), da ferner nicht
nachgewiesen ist, dass jene Zotten wirklich structurlos waren, so
ist es wohl am gerathensten, in Bezug auf diesen Fall sich wei-
terer Folgerungen zu enthalten. Zwei andere Eier aus einem frü-
heren Stadium von 3 und 6‴, welche Allen Thomson im Uterus be-
obachtete und die ich Ihnen früher beschrieb (s. Figg. 63—65), waren
ebenfalls mit Zöttchen besetzt, allein bei diesen Eiern, die schon
einen Embryo enthielten, erscheint es in hohem Grade wahrschein-
lich, dass die äussere zottentragende Eihülle schon die seröse Hülle
war, und dass die Zöttchen aus Zellen bestanden. Es scheinen nämlich
die fraglichen Embryonen das Amnios, dessen Vorhandensein im-
mer auch von dem Bestehen einer serösen Hülle zeugt, schon gehabt
zu haben, wie sich daraus schliessen lässt, dass dieselben mit dem
Rücken an der äussern Eihülle festsassen, wie diess immer der Fall
ist, wenn Amnios und seröse Hülle im Begriffe sind, sich zu tren-
nen. Leider meldet Thomson gar nichts über die mikroskopische
Zusammensetzung der Zöttchen dieser Eier, welche, beiläufig ge-
sagt, vielleicht jetzt noch sich anstellen liesse, und enthalten wir
uns daher auch für diese Fälle der Entscheidung. Sicher ist nur so
viel, dass die Dotterhaut später schwindet und kann ich wenigstens
dafür einstehen, dass dieselbe an dem 15—18 Tage alten Eie von
Coste, das ich selbst untersuchte (s. Vorles. XVII.), und bei einem

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[173/0189] Entwicklung der menschlichen Eihüllen. Auch beim befruchteten menschlichen Eie ist natürlich das ur- sprüngliche Vorhandensein einer von der Dotterhaut gebildeten Hülle nicht zu bezweifeln. Da jedoch menschliche Eier aus dem Eileiter nicht mit Sicherheit bekannt sind, und da auch über die aller- jüngsten Eier im Uterus äusserst wenige Beobachtungen vorliegen, so sind die späteren Schicksale der Dotterhaut ganz unbekannt, und im Besonderen die Frage noch nicht erledigt, ob dieselbe auch beim Menschen in einem gewissen Stadium Zöttchen trägt oder nicht. Aus einer Beobachtung von Wharton Jones (Philos. Transactions 1837, pag. 339), der im Uterus in der einen Seite der Decidua ein erbsen- grosses Eichen fand, welches, obschon es keinen Embryo, sondern nur an einer Seite einen kleinen runden Körper, vielleicht die Keim- blase, enthielt, doch schon wenigstens an einer Seite Zöttchen trug, könnte man versucht sein, den Schluss abzuleiten, dass die Dotter- haut auch beim Menschen zu einer gewissen Zeit Zöttchen trägt. Da aber nur diese Eine Beobachtung vorliegt und noch sehr fraglich ist, ob jenes Ei normal und so jung war, wie es dem Baue nach sein musste (angeblich war das Ei 3—4 Wochen alt), da ferner nicht nachgewiesen ist, dass jene Zotten wirklich structurlos waren, so ist es wohl am gerathensten, in Bezug auf diesen Fall sich wei- terer Folgerungen zu enthalten. Zwei andere Eier aus einem frü- heren Stadium von 3 und 6‴, welche Allen Thomson im Uterus be- obachtete und die ich Ihnen früher beschrieb (s. Figg. 63—65), waren ebenfalls mit Zöttchen besetzt, allein bei diesen Eiern, die schon einen Embryo enthielten, erscheint es in hohem Grade wahrschein- lich, dass die äussere zottentragende Eihülle schon die seröse Hülle war, und dass die Zöttchen aus Zellen bestanden. Es scheinen nämlich die fraglichen Embryonen das Amnios, dessen Vorhandensein im- mer auch von dem Bestehen einer serösen Hülle zeugt, schon gehabt zu haben, wie sich daraus schliessen lässt, dass dieselben mit dem Rücken an der äussern Eihülle festsassen, wie diess immer der Fall ist, wenn Amnios und seröse Hülle im Begriffe sind, sich zu tren- nen. Leider meldet Thomson gar nichts über die mikroskopische Zusammensetzung der Zöttchen dieser Eier, welche, beiläufig ge- sagt, vielleicht jetzt noch sich anstellen liesse, und enthalten wir uns daher auch für diese Fälle der Entscheidung. Sicher ist nur so viel, dass die Dotterhaut später schwindet und kann ich wenigstens dafür einstehen, dass dieselbe an dem 15—18 Tage alten Eie von Coste, das ich selbst untersuchte (s. Vorles. XVII.), und bei einem

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/189>, abgerufen am 29.04.2024.