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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Nervensystems.
Fasern des Stabkranzes sich bilden, während Bischoff annimmt,
dass derselbe aus der ursprünglichen Vereinigungsstelle der Halb-
kugeln hervorgehe und Arnold, auf dessen Darstellung der Ent-
wicklungsgeschichte im 2. Bande seiner Anatomie St. 1175--1355
ich Sie nachträglich noch aufmerksam mache, in einer mir nicht
verständlichen Weise dem Balken eine von den Hemisphären unab-
hängige und ganz selbständige Entwicklung zuschreibt. Schmidt's
Untersuchungen lehren, dass Tiedemann im Wesentlichen Recht
hat und gestalten sich nach ihm die Verhältnisse in folgender
Weise.

Die Wandungen der Hemisphäre zeigen vom 3. Monate an deut-
lich zwei Schichten, eine äussere mit senkrechter Faserung, die spä-
ter zur grauen Substanz der Windungen sich gestaltet, und eine
innere mit horizontalem Faserverlauf, deren Elemente jedoch aller-
wärts in die der äusseren Lage sich umbiegen. Die Fasern der inneren
Schicht, welche später die Markmasse der Hemisphären darstellt,
convergiren schon im dritten Monate, bevor der Balken da ist, nach
zwei Puncten, nämlich einmal nach dem Hirnstiele, und stellen so
den sogenannten Stabkranz dar, und zweitens nach der Stelle, welche
unmittelbar über der Verbindungsstelle beider Hemisphären sich
befindet (d in Fig. 112, 1, 2, 3); diese letzte Faserung ist die erste
Andeutung der Balkenstrahlung. Unmittelbar über der Stelle, gegen
welche die Fasern der Balkenstrahlung convergiren, brechen nun
im vierten Monate, zu welcher Zeit der Balken zuerst erscheint, die
horizontalen Fasern durch die Rinde durch und verwachsen von bei-
den Seiten mit einander. Diess ist die erste Andeutung des Balkens,
der in seiner frühesten Form (s. Fig. 112, 4 g) ein ganz kleines, fast
cylindrisches Verbindungsstück darstellt, das im Randbogen unmit-
telbar über dem vordersten obersten Theile der Querspalte seine Lage
hat. Um die Stellung des Randbogens zum Balken noch genauer zu
bezeichnen, ist zu bemerken, dass der Bogen nach Schmidt mit Be-
zug auf seinen Bau in zwei Theile zerfällt, einen unteren (h", h''' in
Fig. 112, 4 und in Fig. 113), die Querspalte begrenzenden, der nur
aus horizontalen, von vorn nach hinten ziehenden Fasern besteht
und der Rindenschicht entbehrt, und einen oberen Theil (h h' in
Fig. 112, 4 und in Fig. 113), der beide Schichten besitzt. Der Bal-
ken bricht nun gerade an der Grenze zwischen diesen beiden Schich-
ten durch und kommt bei seiner weiteren Ausbreitung nach hinten
der äussere Bogen an seine äussere Fläche zu liegen und wandelt

Entwicklung des Nervensystems.
Fasern des Stabkranzes sich bilden, während Bischoff annimmt,
dass derselbe aus der ursprünglichen Vereinigungsstelle der Halb-
kugeln hervorgehe und Arnold, auf dessen Darstellung der Ent-
wicklungsgeschichte im 2. Bande seiner Anatomie St. 1175—1355
ich Sie nachträglich noch aufmerksam mache, in einer mir nicht
verständlichen Weise dem Balken eine von den Hemisphären unab-
hängige und ganz selbständige Entwicklung zuschreibt. Schmidt’s
Untersuchungen lehren, dass Tiedemann im Wesentlichen Recht
hat und gestalten sich nach ihm die Verhältnisse in folgender
Weise.

Die Wandungen der Hemisphäre zeigen vom 3. Monate an deut-
lich zwei Schichten, eine äussere mit senkrechter Faserung, die spä-
ter zur grauen Substanz der Windungen sich gestaltet, und eine
innere mit horizontalem Faserverlauf, deren Elemente jedoch aller-
wärts in die der äusseren Lage sich umbiegen. Die Fasern der inneren
Schicht, welche später die Markmasse der Hemisphären darstellt,
convergiren schon im dritten Monate, bevor der Balken da ist, nach
zwei Puncten, nämlich einmal nach dem Hirnstiele, und stellen so
den sogenannten Stabkranz dar, und zweitens nach der Stelle, welche
unmittelbar über der Verbindungsstelle beider Hemisphären sich
befindet (d in Fig. 112, 1, 2, 3); diese letzte Faserung ist die erste
Andeutung der Balkenstrahlung. Unmittelbar über der Stelle, gegen
welche die Fasern der Balkenstrahlung convergiren, brechen nun
im vierten Monate, zu welcher Zeit der Balken zuerst erscheint, die
horizontalen Fasern durch die Rinde durch und verwachsen von bei-
den Seiten mit einander. Diess ist die erste Andeutung des Balkens,
der in seiner frühesten Form (s. Fig. 112, 4 g) ein ganz kleines, fast
cylindrisches Verbindungsstück darstellt, das im Randbogen unmit-
telbar über dem vordersten obersten Theile der Querspalte seine Lage
hat. Um die Stellung des Randbogens zum Balken noch genauer zu
bezeichnen, ist zu bemerken, dass der Bogen nach Schmidt mit Be-
zug auf seinen Bau in zwei Theile zerfällt, einen unteren (h″, h‴ in
Fig. 112, 4 und in Fig. 113), die Querspalte begrenzenden, der nur
aus horizontalen, von vorn nach hinten ziehenden Fasern besteht
und der Rindenschicht entbehrt, und einen oberen Theil (h h′ in
Fig. 112, 4 und in Fig. 113), der beide Schichten besitzt. Der Bal-
ken bricht nun gerade an der Grenze zwischen diesen beiden Schich-
ten durch und kommt bei seiner weiteren Ausbreitung nach hinten
der äussere Bogen an seine äussere Fläche zu liegen und wandelt

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[237/0253] Entwicklung des Nervensystems. Fasern des Stabkranzes sich bilden, während Bischoff annimmt, dass derselbe aus der ursprünglichen Vereinigungsstelle der Halb- kugeln hervorgehe und Arnold, auf dessen Darstellung der Ent- wicklungsgeschichte im 2. Bande seiner Anatomie St. 1175—1355 ich Sie nachträglich noch aufmerksam mache, in einer mir nicht verständlichen Weise dem Balken eine von den Hemisphären unab- hängige und ganz selbständige Entwicklung zuschreibt. Schmidt’s Untersuchungen lehren, dass Tiedemann im Wesentlichen Recht hat und gestalten sich nach ihm die Verhältnisse in folgender Weise. Die Wandungen der Hemisphäre zeigen vom 3. Monate an deut- lich zwei Schichten, eine äussere mit senkrechter Faserung, die spä- ter zur grauen Substanz der Windungen sich gestaltet, und eine innere mit horizontalem Faserverlauf, deren Elemente jedoch aller- wärts in die der äusseren Lage sich umbiegen. Die Fasern der inneren Schicht, welche später die Markmasse der Hemisphären darstellt, convergiren schon im dritten Monate, bevor der Balken da ist, nach zwei Puncten, nämlich einmal nach dem Hirnstiele, und stellen so den sogenannten Stabkranz dar, und zweitens nach der Stelle, welche unmittelbar über der Verbindungsstelle beider Hemisphären sich befindet (d in Fig. 112, 1, 2, 3); diese letzte Faserung ist die erste Andeutung der Balkenstrahlung. Unmittelbar über der Stelle, gegen welche die Fasern der Balkenstrahlung convergiren, brechen nun im vierten Monate, zu welcher Zeit der Balken zuerst erscheint, die horizontalen Fasern durch die Rinde durch und verwachsen von bei- den Seiten mit einander. Diess ist die erste Andeutung des Balkens, der in seiner frühesten Form (s. Fig. 112, 4 g) ein ganz kleines, fast cylindrisches Verbindungsstück darstellt, das im Randbogen unmit- telbar über dem vordersten obersten Theile der Querspalte seine Lage hat. Um die Stellung des Randbogens zum Balken noch genauer zu bezeichnen, ist zu bemerken, dass der Bogen nach Schmidt mit Be- zug auf seinen Bau in zwei Theile zerfällt, einen unteren (h″, h‴ in Fig. 112, 4 und in Fig. 113), die Querspalte begrenzenden, der nur aus horizontalen, von vorn nach hinten ziehenden Fasern besteht und der Rindenschicht entbehrt, und einen oberen Theil (h h′ in Fig. 112, 4 und in Fig. 113), der beide Schichten besitzt. Der Bal- ken bricht nun gerade an der Grenze zwischen diesen beiden Schich- ten durch und kommt bei seiner weiteren Ausbreitung nach hinten der äussere Bogen an seine äussere Fläche zu liegen und wandelt

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/253>, abgerufen am 16.05.2024.