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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Auges.
dritten Monates sind jedoch der vordere und der hintere Abschnitt
derselben noch vollkommen gleich beschaffen und wird der erstere
erst am Ende des dritten Monates und im vierten Monate allmälig
durchsichtig und somit zur Cornea. Um diese Zeit ist auch die Horn-
haut stark gewölbt, was später nach und nach sich verliert, und was
ihre Dicke anlangt, so ist zu bemerken, dass dieselbe anfänglich
kaum dünner ist als die Sclera, wie Ihnen die Fig. 142 deutlich zeigt,
und in kurzer Zeit dieselbe an Stärke bedeutend übertrifft, so dass
sie zu einer gewissen Zeit mächtiger ist als in der nachembryo-
nalen Zeit.

Die Sclerotica ihrerseits verdickt sich viel langsamer und
bleibt während der ganzen Fötalzeit unverhältnissmässig dünn, da-
her sie auch wegen des Durchschimmerns des inneren Augenpigmen-
tes ein bläuliches Ansehen hat. Ihr Dickenwachsthum kommt nach
Ammon durch äussere Auflagerungen zu Stande, beginnt in einer
mittleren Ringzone und schreitet von da nach vorn und hinten fort;
doch ist sie an der Grenze gegen die Cornea noch am Ende der Fötal-
periode auffallend dünn und ebenso in der Nähe des Sehnerven,
besonders nach hinten und aussen an einer Stelle, welche nach
Ammon schon im dritten Monate deutlich ist und die von ihm soge-
nannte Protuberantia scleralis bildet (l. c. Taf. III. Fig. 15).

In ähnlicher Weise wie die Faserhaut des Auges bildet sich auf
jeden Fall auch die Scheide des Sehnerven, welche ebenfalls im
zweiten Monate schon deutlich wird.

Die zweite oder Gefässhaut des Auges anlangend, so habe ichGefässhaut.
schon der widersprechenden Ansichten Erwähnung gethan, die mit
Bezug auf ihre erste Bildung aufgetaucht sind. Nach der Annahme
von Remak entsteht die ganze Chorioidea aus der äusseren Lamelle der
secundären Augenblase, die, wie Sie bereits wissen, ursprünglich
nichts Anderes als die hintere Hälfte der primitiven Augenblase ist,
und begreift sich so leicht, dass dieselbe ursprünglich nicht weiter
reicht als die Retina und der Rand der Linse und mithin vorn ein
Loch besitzt, welches dem Durchmesser der Linse entspricht (siehe
Fig. 136). Nach der Auffassung von Huschke, Schöler und Aug. Mül-
ler
wird die gesammte secundäre Augenblase zur Retina und kann
demnach die Chorioidea nichts Anderes als eine äussere Auflagerung
sein, gerade wie die Sclerotica und Cornea. Auch bei dieser Auf-
stellung liesse sich das Vorkommen einer vorderen Oeffnung begrei-

Entwicklung des Auges.
dritten Monates sind jedoch der vordere und der hintere Abschnitt
derselben noch vollkommen gleich beschaffen und wird der erstere
erst am Ende des dritten Monates und im vierten Monate allmälig
durchsichtig und somit zur Cornea. Um diese Zeit ist auch die Horn-
haut stark gewölbt, was später nach und nach sich verliert, und was
ihre Dicke anlangt, so ist zu bemerken, dass dieselbe anfänglich
kaum dünner ist als die Sclera, wie Ihnen die Fig. 142 deutlich zeigt,
und in kurzer Zeit dieselbe an Stärke bedeutend übertrifft, so dass
sie zu einer gewissen Zeit mächtiger ist als in der nachembryo-
nalen Zeit.

Die Sclerotica ihrerseits verdickt sich viel langsamer und
bleibt während der ganzen Fötalzeit unverhältnissmässig dünn, da-
her sie auch wegen des Durchschimmerns des inneren Augenpigmen-
tes ein bläuliches Ansehen hat. Ihr Dickenwachsthum kommt nach
Ammon durch äussere Auflagerungen zu Stande, beginnt in einer
mittleren Ringzone und schreitet von da nach vorn und hinten fort;
doch ist sie an der Grenze gegen die Cornea noch am Ende der Fötal-
periode auffallend dünn und ebenso in der Nähe des Sehnerven,
besonders nach hinten und aussen an einer Stelle, welche nach
Ammon schon im dritten Monate deutlich ist und die von ihm soge-
nannte Protuberantia scleralis bildet (l. c. Taf. III. Fig. 15).

In ähnlicher Weise wie die Faserhaut des Auges bildet sich auf
jeden Fall auch die Scheide des Sehnerven, welche ebenfalls im
zweiten Monate schon deutlich wird.

Die zweite oder Gefässhaut des Auges anlangend, so habe ichGefässhaut.
schon der widersprechenden Ansichten Erwähnung gethan, die mit
Bezug auf ihre erste Bildung aufgetaucht sind. Nach der Annahme
von Remak entsteht die ganze Chorioidea aus der äusseren Lamelle der
secundären Augenblase, die, wie Sie bereits wissen, ursprünglich
nichts Anderes als die hintere Hälfte der primitiven Augenblase ist,
und begreift sich so leicht, dass dieselbe ursprünglich nicht weiter
reicht als die Retina und der Rand der Linse und mithin vorn ein
Loch besitzt, welches dem Durchmesser der Linse entspricht (siehe
Fig. 136). Nach der Auffassung von Huschke, Schöler und Aug. Mül-
ler
wird die gesammte secundäre Augenblase zur Retina und kann
demnach die Chorioidea nichts Anderes als eine äussere Auflagerung
sein, gerade wie die Sclerotica und Cornea. Auch bei dieser Auf-
stellung liesse sich das Vorkommen einer vorderen Oeffnung begrei-

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[287/0303] Entwicklung des Auges. dritten Monates sind jedoch der vordere und der hintere Abschnitt derselben noch vollkommen gleich beschaffen und wird der erstere erst am Ende des dritten Monates und im vierten Monate allmälig durchsichtig und somit zur Cornea. Um diese Zeit ist auch die Horn- haut stark gewölbt, was später nach und nach sich verliert, und was ihre Dicke anlangt, so ist zu bemerken, dass dieselbe anfänglich kaum dünner ist als die Sclera, wie Ihnen die Fig. 142 deutlich zeigt, und in kurzer Zeit dieselbe an Stärke bedeutend übertrifft, so dass sie zu einer gewissen Zeit mächtiger ist als in der nachembryo- nalen Zeit. Die Sclerotica ihrerseits verdickt sich viel langsamer und bleibt während der ganzen Fötalzeit unverhältnissmässig dünn, da- her sie auch wegen des Durchschimmerns des inneren Augenpigmen- tes ein bläuliches Ansehen hat. Ihr Dickenwachsthum kommt nach Ammon durch äussere Auflagerungen zu Stande, beginnt in einer mittleren Ringzone und schreitet von da nach vorn und hinten fort; doch ist sie an der Grenze gegen die Cornea noch am Ende der Fötal- periode auffallend dünn und ebenso in der Nähe des Sehnerven, besonders nach hinten und aussen an einer Stelle, welche nach Ammon schon im dritten Monate deutlich ist und die von ihm soge- nannte Protuberantia scleralis bildet (l. c. Taf. III. Fig. 15). In ähnlicher Weise wie die Faserhaut des Auges bildet sich auf jeden Fall auch die Scheide des Sehnerven, welche ebenfalls im zweiten Monate schon deutlich wird. Die zweite oder Gefässhaut des Auges anlangend, so habe ich schon der widersprechenden Ansichten Erwähnung gethan, die mit Bezug auf ihre erste Bildung aufgetaucht sind. Nach der Annahme von Remak entsteht die ganze Chorioidea aus der äusseren Lamelle der secundären Augenblase, die, wie Sie bereits wissen, ursprünglich nichts Anderes als die hintere Hälfte der primitiven Augenblase ist, und begreift sich so leicht, dass dieselbe ursprünglich nicht weiter reicht als die Retina und der Rand der Linse und mithin vorn ein Loch besitzt, welches dem Durchmesser der Linse entspricht (siehe Fig. 136). Nach der Auffassung von Huschke, Schöler und Aug. Mül- ler wird die gesammte secundäre Augenblase zur Retina und kann demnach die Chorioidea nichts Anderes als eine äussere Auflagerung sein, gerade wie die Sclerotica und Cornea. Auch bei dieser Auf- stellung liesse sich das Vorkommen einer vorderen Oeffnung begrei- Gefässhaut.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/303>, abgerufen am 27.04.2024.