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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Dreissigste Vorlesung.
in keiner Verbindung mit dem Medullarrohre stehe, und dass er
auch nie die allmälige Hervorbildung desselben aus dem Medullar-
rohre wahrgenommen habe, doch gelang es ihm nicht, die erste Ent-
wicklung des Bläschens zu verfolgen und erwähnt er auch Huschke's
Darstellung mit keinem Wort. Darauf folgte Remak (Unters. I. Lief.
1851. St. 1--40. Taf. I, II, VII), der ebenfalls ganz bestimmt aus-
sprach, dass die Gehörbläschen keine Ausstülpungen des Medullar-
rohres sind (St. 18) und dieselben auch im Zustande offener nach
aussen mündender und von dem Hornblatte ausgekleideter Bläschen
wahrnahm, jedoch darin im Irrthume befangen war, dass er diesel-
ben aus den Kopfplatten ableitete und ursprünglich als solide schei-
benförmige Körper beschrieb. Nach diesen Vorarbeiten gelang es
denn Remak und Reissner ziemlich gleichzeitig und unabhängig von
einander den Nachweis zu liefern, dass in der That die Labyrinth-
bläschen, wie Huschke schon angedeutet hatte, von Anfang an als
Einstülpungen der Haut auftreten. Während jedoch Reissner (de
auris internae formatione.
Dorp. 1851 Diss.), dieselben durch Einstül-
pung der ganzen Haut, Cutis und Epidermis, die bei Reissner nach
Reichert als Umhüllungshaut bezeichnet ist, sich bilden lässt, leitete
Remak (Unters. Heft II. 1851. St. 73 und 93 und Tab. III) dieselben
nur vom Hornblatte ab und stellte ihre Bildung mit derjenigen der
Linse in Eine Linie.

Gehörbläschen
des Hühnchens.
Wenn Jemand, der gewohnt ist, auch nur mit schwächeren
Vergrösserungen embryologische Untersuchungen anzustellen, Hüh-
nerembryonen vom Ende des zweiten und dem dritten Tage unter-
sucht, so wird er sicherlich erstaunen, dass es so lange dauern
konnte, bevor man über die Entwicklung des primitiven Ohrbläs-
chens ins Reine kam, denn nichts ist leichter, als die Beobachtung
desselben als eines gegen das Nachhirn abgeschlossenen, nach aussen
ausmündenden Säckchens, und habe ich Ihnen, wie Sie sich erinnern
werden, schon in einer früheren Stunde Gelegenheit gegeben, ein
solches Ohrbläschen zu sehen. Verfolgen wir den Vorgang bei der
Bildung desselben beim Hühnchen genauer, so zeigt sich, dass in
der zweiten Hälfte des zweiten Tages zu beiden Seiten des Kopfes
ungefähr der Mitte des Nachhirns entsprechend zwei seichte Grüb-
chen entstehen, welche zusehends tiefer in die Kopfwand sich ein-
graben, und am Ende des zweiten Tages schon als zwei ziemlich
tiefe Gruben mit einer engeren Mündung erscheinen. Ueber die
eigentliche Lage und Bildung dieser Gruben geben jedoch erst Quer-

Dreissigste Vorlesung.
in keiner Verbindung mit dem Medullarrohre stehe, und dass er
auch nie die allmälige Hervorbildung desselben aus dem Medullar-
rohre wahrgenommen habe, doch gelang es ihm nicht, die erste Ent-
wicklung des Bläschens zu verfolgen und erwähnt er auch Huschke’s
Darstellung mit keinem Wort. Darauf folgte Remak (Unters. I. Lief.
1851. St. 1—40. Taf. I, II, VII), der ebenfalls ganz bestimmt aus-
sprach, dass die Gehörbläschen keine Ausstülpungen des Medullar-
rohres sind (St. 18) und dieselben auch im Zustande offener nach
aussen mündender und von dem Hornblatte ausgekleideter Bläschen
wahrnahm, jedoch darin im Irrthume befangen war, dass er diesel-
ben aus den Kopfplatten ableitete und ursprünglich als solide schei-
benförmige Körper beschrieb. Nach diesen Vorarbeiten gelang es
denn Remak und Reissner ziemlich gleichzeitig und unabhängig von
einander den Nachweis zu liefern, dass in der That die Labyrinth-
bläschen, wie Huschke schon angedeutet hatte, von Anfang an als
Einstülpungen der Haut auftreten. Während jedoch Reissner (de
auris internae formatione.
Dorp. 1851 Diss.), dieselben durch Einstül-
pung der ganzen Haut, Cutis und Epidermis, die bei Reissner nach
Reichert als Umhüllungshaut bezeichnet ist, sich bilden lässt, leitete
Remak (Unters. Heft II. 1851. St. 73 und 93 und Tab. III) dieselben
nur vom Hornblatte ab und stellte ihre Bildung mit derjenigen der
Linse in Eine Linie.

Gehörbläschen
des Hühnchens.
Wenn Jemand, der gewohnt ist, auch nur mit schwächeren
Vergrösserungen embryologische Untersuchungen anzustellen, Hüh-
nerembryonen vom Ende des zweiten und dem dritten Tage unter-
sucht, so wird er sicherlich erstaunen, dass es so lange dauern
konnte, bevor man über die Entwicklung des primitiven Ohrbläs-
chens ins Reine kam, denn nichts ist leichter, als die Beobachtung
desselben als eines gegen das Nachhirn abgeschlossenen, nach aussen
ausmündenden Säckchens, und habe ich Ihnen, wie Sie sich erinnern
werden, schon in einer früheren Stunde Gelegenheit gegeben, ein
solches Ohrbläschen zu sehen. Verfolgen wir den Vorgang bei der
Bildung desselben beim Hühnchen genauer, so zeigt sich, dass in
der zweiten Hälfte des zweiten Tages zu beiden Seiten des Kopfes
ungefähr der Mitte des Nachhirns entsprechend zwei seichte Grüb-
chen entstehen, welche zusehends tiefer in die Kopfwand sich ein-
graben, und am Ende des zweiten Tages schon als zwei ziemlich
tiefe Gruben mit einer engeren Mündung erscheinen. Ueber die
eigentliche Lage und Bildung dieser Gruben geben jedoch erst Quer-

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[302/0318] Dreissigste Vorlesung. in keiner Verbindung mit dem Medullarrohre stehe, und dass er auch nie die allmälige Hervorbildung desselben aus dem Medullar- rohre wahrgenommen habe, doch gelang es ihm nicht, die erste Ent- wicklung des Bläschens zu verfolgen und erwähnt er auch Huschke’s Darstellung mit keinem Wort. Darauf folgte Remak (Unters. I. Lief. 1851. St. 1—40. Taf. I, II, VII), der ebenfalls ganz bestimmt aus- sprach, dass die Gehörbläschen keine Ausstülpungen des Medullar- rohres sind (St. 18) und dieselben auch im Zustande offener nach aussen mündender und von dem Hornblatte ausgekleideter Bläschen wahrnahm, jedoch darin im Irrthume befangen war, dass er diesel- ben aus den Kopfplatten ableitete und ursprünglich als solide schei- benförmige Körper beschrieb. Nach diesen Vorarbeiten gelang es denn Remak und Reissner ziemlich gleichzeitig und unabhängig von einander den Nachweis zu liefern, dass in der That die Labyrinth- bläschen, wie Huschke schon angedeutet hatte, von Anfang an als Einstülpungen der Haut auftreten. Während jedoch Reissner (de auris internae formatione. Dorp. 1851 Diss.), dieselben durch Einstül- pung der ganzen Haut, Cutis und Epidermis, die bei Reissner nach Reichert als Umhüllungshaut bezeichnet ist, sich bilden lässt, leitete Remak (Unters. Heft II. 1851. St. 73 und 93 und Tab. III) dieselben nur vom Hornblatte ab und stellte ihre Bildung mit derjenigen der Linse in Eine Linie. Wenn Jemand, der gewohnt ist, auch nur mit schwächeren Vergrösserungen embryologische Untersuchungen anzustellen, Hüh- nerembryonen vom Ende des zweiten und dem dritten Tage unter- sucht, so wird er sicherlich erstaunen, dass es so lange dauern konnte, bevor man über die Entwicklung des primitiven Ohrbläs- chens ins Reine kam, denn nichts ist leichter, als die Beobachtung desselben als eines gegen das Nachhirn abgeschlossenen, nach aussen ausmündenden Säckchens, und habe ich Ihnen, wie Sie sich erinnern werden, schon in einer früheren Stunde Gelegenheit gegeben, ein solches Ohrbläschen zu sehen. Verfolgen wir den Vorgang bei der Bildung desselben beim Hühnchen genauer, so zeigt sich, dass in der zweiten Hälfte des zweiten Tages zu beiden Seiten des Kopfes ungefähr der Mitte des Nachhirns entsprechend zwei seichte Grüb- chen entstehen, welche zusehends tiefer in die Kopfwand sich ein- graben, und am Ende des zweiten Tages schon als zwei ziemlich tiefe Gruben mit einer engeren Mündung erscheinen. Ueber die eigentliche Lage und Bildung dieser Gruben geben jedoch erst Quer- Gehörbläschen des Hühnchens.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/318>, abgerufen am 28.04.2024.