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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Neununddreissigste Vorlesung.
die von mir beschriebene sogenannte innere Muskelhaut des Hodens
zwischen Communis und Propria der Rest dieses Bandes ist, auf des-
sen physiologische Bedeutung wir noch zu reden kommen.

Descensus
ovariorum
.
Der Descensus ovariorum ist zwar viel weniger ausgeprägt als
derjenige der Hoden, aber doch für den aufmerksamen Beobachter
nicht zu übersehen. Auch die Eierstöcke liegen anfänglich an der-
selben Stelle, wo die Hoden (Fig. 215) und besitzen dieselben Be-
ziehungen zum Bauchfell. Namentlich findet sich auch hier schon
zur Blüthezeit der Wolff'schen Körper am Urnierengange ein dem
Gubernaculum Hunteri entsprechender Strang, der später zum Liga-
mentum uteri rotundum
wird. Mit dem Vergehen der Wolff'schen
Körper nun rücken die Eierstöcke ebenfalls gegen die Leistengegend

[Abbildung] Fig. 223.
herab, indem sie zugleich schief sich stellen,
und wird hierbei die Bauchfellbekleidung der
Urnieren zum Lig. uteri latum oder eigentlich
zuerst nur zum Fledermausflügel, während der
vorhin erwähnte Strang vom Urnierengange, der
schwindet, an den Müller'schen Faden zu lie-
gen kommt. Hier sitzt derselbe, wie Sie be-
reits wissen, gerade an der Stelle, wo die Tuba
in den Uterus übergeht, und diess ist auch be-
kanntlich der Ort, von dem später das Ligamen-
tum uteri rotundum
ausgeht. Dieses Band zeigt
übrigens beim weiblichen Geschlechte dieselben Beziehungen zum
Leistenkanale wie beim männlichen und bildet sich bemerkenswer-
ther Weise auch hier ein Processus vaginalis (der auch der Kanal von
Nuck heisst), der dann aber später spurlos schwindet, während be-
kanntlich das Ligamentum uteri rotundum in einer Lage sich erhält,
die der ursprünglichen des Gubernaculum Hunteri vollkommen ent-
spricht. Um wieder auf die Eierstöcke zurück zu kommen, so be-
merke ich Ihnen von denselben noch, dass sie lange Zeit im Bereiche
des grossen Beckens sich erhalten und erst am Ende des Embryo-
nallebens in den des kleinen Beckens zu liegen kommen. In sehr
seltenen Fällen treten dieselben, wie die Hoden, in den Leistenkanal
und können selbst bis in die grossen Schamlippen herausrücken,
[Abbildung]

Fig. 223. Ein Theil der Baucheingeweide eines dreimonatlichen weiblichen
menschlichen Embryo, vergr. s Nebenniere, o kleines Netz, r' Niere, l Milz,
o m grosses Netz, c Coecum, r Lig. uteri rotundum. Ausserdem sieht man Blase,
Urachus, Ovarium, Tuba, Uterusanlage, Magen, Duodenum, Colon.

Neununddreissigste Vorlesung.
die von mir beschriebene sogenannte innere Muskelhaut des Hodens
zwischen Communis und Propria der Rest dieses Bandes ist, auf des-
sen physiologische Bedeutung wir noch zu reden kommen.

Descensus
ovariorum
.
Der Descensus ovariorum ist zwar viel weniger ausgeprägt als
derjenige der Hoden, aber doch für den aufmerksamen Beobachter
nicht zu übersehen. Auch die Eierstöcke liegen anfänglich an der-
selben Stelle, wo die Hoden (Fig. 215) und besitzen dieselben Be-
ziehungen zum Bauchfell. Namentlich findet sich auch hier schon
zur Blüthezeit der Wolff’schen Körper am Urnierengange ein dem
Gubernaculum Hunteri entsprechender Strang, der später zum Liga-
mentum uteri rotundum
wird. Mit dem Vergehen der Wolff’schen
Körper nun rücken die Eierstöcke ebenfalls gegen die Leistengegend

[Abbildung] Fig. 223.
herab, indem sie zugleich schief sich stellen,
und wird hierbei die Bauchfellbekleidung der
Urnieren zum Lig. uteri latum oder eigentlich
zuerst nur zum Fledermausflügel, während der
vorhin erwähnte Strang vom Urnierengange, der
schwindet, an den Müller’schen Faden zu lie-
gen kommt. Hier sitzt derselbe, wie Sie be-
reits wissen, gerade an der Stelle, wo die Tuba
in den Uterus übergeht, und diess ist auch be-
kanntlich der Ort, von dem später das Ligamen-
tum uteri rotundum
ausgeht. Dieses Band zeigt
übrigens beim weiblichen Geschlechte dieselben Beziehungen zum
Leistenkanale wie beim männlichen und bildet sich bemerkenswer-
ther Weise auch hier ein Processus vaginalis (der auch der Kanal von
Nuck heisst), der dann aber später spurlos schwindet, während be-
kanntlich das Ligamentum uteri rotundum in einer Lage sich erhält,
die der ursprünglichen des Gubernaculum Hunteri vollkommen ent-
spricht. Um wieder auf die Eierstöcke zurück zu kommen, so be-
merke ich Ihnen von denselben noch, dass sie lange Zeit im Bereiche
des grossen Beckens sich erhalten und erst am Ende des Embryo-
nallebens in den des kleinen Beckens zu liegen kommen. In sehr
seltenen Fällen treten dieselben, wie die Hoden, in den Leistenkanal
und können selbst bis in die grossen Schamlippen herausrücken,
[Abbildung]

Fig. 223. Ein Theil der Baucheingeweide eines dreimonatlichen weiblichen
menschlichen Embryo, vergr. s Nebenniere, o kleines Netz, r′ Niere, l Milz,
o m grosses Netz, c Coecum, r Lig. uteri rotundum. Ausserdem sieht man Blase,
Urachus, Ovarium, Tuba, Uterusanlage, Magen, Duodenum, Colon.

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[456/0472] Neununddreissigste Vorlesung. die von mir beschriebene sogenannte innere Muskelhaut des Hodens zwischen Communis und Propria der Rest dieses Bandes ist, auf des- sen physiologische Bedeutung wir noch zu reden kommen. Der Descensus ovariorum ist zwar viel weniger ausgeprägt als derjenige der Hoden, aber doch für den aufmerksamen Beobachter nicht zu übersehen. Auch die Eierstöcke liegen anfänglich an der- selben Stelle, wo die Hoden (Fig. 215) und besitzen dieselben Be- ziehungen zum Bauchfell. Namentlich findet sich auch hier schon zur Blüthezeit der Wolff’schen Körper am Urnierengange ein dem Gubernaculum Hunteri entsprechender Strang, der später zum Liga- mentum uteri rotundum wird. Mit dem Vergehen der Wolff’schen Körper nun rücken die Eierstöcke ebenfalls gegen die Leistengegend [Abbildung Fig. 223.] herab, indem sie zugleich schief sich stellen, und wird hierbei die Bauchfellbekleidung der Urnieren zum Lig. uteri latum oder eigentlich zuerst nur zum Fledermausflügel, während der vorhin erwähnte Strang vom Urnierengange, der schwindet, an den Müller’schen Faden zu lie- gen kommt. Hier sitzt derselbe, wie Sie be- reits wissen, gerade an der Stelle, wo die Tuba in den Uterus übergeht, und diess ist auch be- kanntlich der Ort, von dem später das Ligamen- tum uteri rotundum ausgeht. Dieses Band zeigt übrigens beim weiblichen Geschlechte dieselben Beziehungen zum Leistenkanale wie beim männlichen und bildet sich bemerkenswer- ther Weise auch hier ein Processus vaginalis (der auch der Kanal von Nuck heisst), der dann aber später spurlos schwindet, während be- kanntlich das Ligamentum uteri rotundum in einer Lage sich erhält, die der ursprünglichen des Gubernaculum Hunteri vollkommen ent- spricht. Um wieder auf die Eierstöcke zurück zu kommen, so be- merke ich Ihnen von denselben noch, dass sie lange Zeit im Bereiche des grossen Beckens sich erhalten und erst am Ende des Embryo- nallebens in den des kleinen Beckens zu liegen kommen. In sehr seltenen Fällen treten dieselben, wie die Hoden, in den Leistenkanal und können selbst bis in die grossen Schamlippen herausrücken, [Abbildung Fig. 223. Ein Theil der Baucheingeweide eines dreimonatlichen weiblichen menschlichen Embryo, vergr. s Nebenniere, o kleines Netz, r′ Niere, l Milz, o m grosses Netz, c Coecum, r Lig. uteri rotundum. Ausserdem sieht man Blase, Urachus, Ovarium, Tuba, Uterusanlage, Magen, Duodenum, Colon.] Descensus ovariorum.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/472>, abgerufen am 15.05.2024.