Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Klaget, Brüder! Sie flohn. Klaget die Flüchtlinge!
Jammernd klagt sie mein Lied. Jeglicher Laut wird
Ach,
Und verweht in den Herbstwind,
Der die Stoppel herüberbläs't.
Kalt bläs't, Brüder, der Wind; Nebel entdampft
der Flur;
Wolken klimmen herauf; Schauer und Stürme drohn.
Auf im Schauern und Stürmen,
Und geleitet den Scheidenden!
Mich entbeut mein Geschick hin, wo des Oceans
Wogendonner ein Land furchtbar und schön umbrüllt,
Wo die moosige Scheitel
Weit umschauend der Rugard hebt.
Schickung, warum so rasch? Warum so flüchtig, Zeit?
Sehnend ruft dir mein Lied. -- Nicht, wie der
Thor dir ruft,
Der verzweifelnd zum Gestern,
Dem verlornen: Sey heute! spricht.
Euren strudelnden Sturz staunt' ich nicht müssig an,
Schöne Tage! Ich hielt -- zeugt es, die ihr mich
kennt --
Mit der Rechten die Weisheit,
Mit der Linken die Freud' umarmt.
Klaget, Brüder! Sie flohn. Klaget die Flüchtlinge!
Jammernd klagt sie mein Lied. Jeglicher Laut wird
Ach,
Und verweht in den Herbstwind,
Der die Stoppel herüberbläs't.
Kalt bläs't, Brüder, der Wind; Nebel entdampft
der Flur;
Wolken klimmen herauf; Schauer und Stürme drohn.
Auf im Schauern und Stürmen,
Und geleitet den Scheidenden!
Mich entbeut mein Geschick hin, wo des Oceans
Wogendonner ein Land furchtbar und schön umbrüllt,
Wo die moosige Scheitel
Weit umschauend der Rugard hebt.
Schickung, warum so rasch? Warum so flüchtig, Zeit?
Sehnend ruft dir mein Lied. — Nicht, wie der
Thor dir ruft,
Der verzweifelnd zum Gestern,
Dem verlornen: Sey heute! spricht.
Euren strudelnden Sturz staunt' ich nicht müſsig an,
Schöne Tage! Ich hielt — zeugt es, die ihr mich
kennt —
Mit der Rechten die Weisheit,
Mit der Linken die Freud' umarmt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0292" n="250"/>
            <lg n="3">
              <l>Klaget, Brüder! Sie flohn. Klaget die Flüchtlinge!</l><lb/>
              <l>Jammernd klagt sie mein Lied. Jeglicher Laut wird</l><lb/>
              <l>Ach,</l><lb/>
              <l>Und verweht in den Herbstwind,</l><lb/>
              <l>Der die Stoppel herüberbläs't.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Kalt bläs't, Brüder, der Wind; Nebel entdampft</l><lb/>
              <l>der Flur;</l><lb/>
              <l>Wolken klimmen herauf; Schauer und Stürme drohn.</l><lb/>
              <l>Auf im Schauern und Stürmen,</l><lb/>
              <l>Und geleitet den Scheidenden!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Mich entbeut mein Geschick hin, wo des Oceans</l><lb/>
              <l>Wogendonner ein Land furchtbar und schön umbrüllt,</l><lb/>
              <l>Wo die moosige Scheitel</l><lb/>
              <l>Weit umschauend der Rugard hebt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Schickung, warum so rasch? Warum so flüchtig, Zeit?</l><lb/>
              <l>Sehnend ruft dir mein Lied. &#x2014; Nicht, wie der</l><lb/>
              <l>Thor dir ruft,</l><lb/>
              <l>Der verzweifelnd zum Gestern,</l><lb/>
              <l>Dem verlornen: Sey heute! spricht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Euren strudelnden Sturz staunt' ich nicht mü&#x017F;sig an,</l><lb/>
              <l>Schöne Tage! Ich hielt &#x2014; zeugt es, die ihr mich</l><lb/>
              <l>kennt &#x2014;</l><lb/>
              <l>Mit der Rechten die Weisheit,</l><lb/>
              <l>Mit der Linken die Freud' umarmt.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0292] Klaget, Brüder! Sie flohn. Klaget die Flüchtlinge! Jammernd klagt sie mein Lied. Jeglicher Laut wird Ach, Und verweht in den Herbstwind, Der die Stoppel herüberbläs't. Kalt bläs't, Brüder, der Wind; Nebel entdampft der Flur; Wolken klimmen herauf; Schauer und Stürme drohn. Auf im Schauern und Stürmen, Und geleitet den Scheidenden! Mich entbeut mein Geschick hin, wo des Oceans Wogendonner ein Land furchtbar und schön umbrüllt, Wo die moosige Scheitel Weit umschauend der Rugard hebt. Schickung, warum so rasch? Warum so flüchtig, Zeit? Sehnend ruft dir mein Lied. — Nicht, wie der Thor dir ruft, Der verzweifelnd zum Gestern, Dem verlornen: Sey heute! spricht. Euren strudelnden Sturz staunt' ich nicht müſsig an, Schöne Tage! Ich hielt — zeugt es, die ihr mich kennt — Mit der Rechten die Weisheit, Mit der Linken die Freud' umarmt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/292
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/292>, abgerufen am 28.04.2024.