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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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diable boiteux nachgebildeter diable volant ihm noch gä-
be, so weiß er doch seine Unterhaltungen geschickt zu wech-
seln. Plötzlich ruft er einen Knaben aus dem Haufen her-
vor; der Junge ist etwa zehn Jahr alt. Er legt ihm
die Hand auf den Kopf: "bist du verheirathet?" fragt er
ihn ganz feierlich. Der Junge gafft ihn mit großen Au-
gen an, und sagt: nein! "Schwöre," fährt der Spas-
macher mit hohler Stimme fort: "schwöre daß du nicht
verheirathet bist!"

Der Junge muß die Hand in die Höhe recken und
schwören. "Nun so will ich dich glücklich machen." Er
giebt ihm eine Büchse, in welcher er nach Belieben so oder
so viel hundert Louisd'or zu zaubern verspricht. Doch ehe
er seine Gauckelei anfängt, wendet er sich sehr galant zu
dem Publikum. "Sie könnten fragen, meine Herren,
"warum ich, bei dieser Leichtigkeit Gold zu schaffen, nicht
"mich zuerst glücklich mache? C'est que je le suis deja.
"Jch bin es schon längst. Alles was ich hier thue, ge-
"schieht blos zu Jhrem Vergnügen." -- Und hierauf zau-
bert er denn die Büchse voll Gold, wenigstens wird sie
ihm so schwer in der Hand, als ob Gold darin sey. Frei-
lich findet sich beim Aufmachen nur ein Stein, aber was
kann der Künstler dafür, daß der Knabe nicht ehelich ge-
boren, oder doch von seiner Mutter in die Welt gelogen
worden ist. Er versichert mit einer pfiffigen Mine, daß
ihm das in Paris sehr selten widerfahre, und hüpft schnell
wieder auf einen andern Gegenstand. -- Alles das sind
nur Possen für das Volk, aber sie werden ohne Schmutz
vorgetragen, und sind doch in der That nicht ohne Witz.
Gestehen Sie, daß die Nation, unter welcher das gemei-
ne Volk solchen Witz herzlich belacht, in der That in sei-
ner Bildung einen Schritt vor vielen Nationen voraus

diable boiteux nachgebildeter diable volant ihm noch gaͤ-
be, so weiß er doch seine Unterhaltungen geschickt zu wech-
seln. Ploͤtzlich ruft er einen Knaben aus dem Haufen her-
vor; der Junge ist etwa zehn Jahr alt. Er legt ihm
die Hand auf den Kopf: „bist du verheirathet?“ fragt er
ihn ganz feierlich. Der Junge gafft ihn mit großen Au-
gen an, und sagt: nein! „Schwoͤre,“ faͤhrt der Spas-
macher mit hohler Stimme fort: „schwoͤre daß du nicht
verheirathet bist!“

Der Junge muß die Hand in die Hoͤhe recken und
schwoͤren. „Nun so will ich dich gluͤcklich machen.“ Er
giebt ihm eine Buͤchse, in welcher er nach Belieben so oder
so viel hundert Louisd'or zu zaubern verspricht. Doch ehe
er seine Gauckelei anfaͤngt, wendet er sich sehr galant zu
dem Publikum. „Sie koͤnnten fragen, meine Herren,
„warum ich, bei dieser Leichtigkeit Gold zu schaffen, nicht
„mich zuerst gluͤcklich mache? C'est que je le suis déjà.
„Jch bin es schon laͤngst. Alles was ich hier thue, ge-
„schieht blos zu Jhrem Vergnuͤgen.“ — Und hierauf zau-
bert er denn die Buͤchse voll Gold, wenigstens wird sie
ihm so schwer in der Hand, als ob Gold darin sey. Frei-
lich findet sich beim Aufmachen nur ein Stein, aber was
kann der Kuͤnstler dafuͤr, daß der Knabe nicht ehelich ge-
boren, oder doch von seiner Mutter in die Welt gelogen
worden ist. Er versichert mit einer pfiffigen Mine, daß
ihm das in Paris sehr selten widerfahre, und huͤpft schnell
wieder auf einen andern Gegenstand. — Alles das sind
nur Possen fuͤr das Volk, aber sie werden ohne Schmutz
vorgetragen, und sind doch in der That nicht ohne Witz.
Gestehen Sie, daß die Nation, unter welcher das gemei-
ne Volk solchen Witz herzlich belacht, in der That in sei-
ner Bildung einen Schritt vor vielen Nationen voraus

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[52/0056] diable boiteux nachgebildeter diable volant ihm noch gaͤ- be, so weiß er doch seine Unterhaltungen geschickt zu wech- seln. Ploͤtzlich ruft er einen Knaben aus dem Haufen her- vor; der Junge ist etwa zehn Jahr alt. Er legt ihm die Hand auf den Kopf: „bist du verheirathet?“ fragt er ihn ganz feierlich. Der Junge gafft ihn mit großen Au- gen an, und sagt: nein! „Schwoͤre,“ faͤhrt der Spas- macher mit hohler Stimme fort: „schwoͤre daß du nicht verheirathet bist!“ Der Junge muß die Hand in die Hoͤhe recken und schwoͤren. „Nun so will ich dich gluͤcklich machen.“ Er giebt ihm eine Buͤchse, in welcher er nach Belieben so oder so viel hundert Louisd'or zu zaubern verspricht. Doch ehe er seine Gauckelei anfaͤngt, wendet er sich sehr galant zu dem Publikum. „Sie koͤnnten fragen, meine Herren, „warum ich, bei dieser Leichtigkeit Gold zu schaffen, nicht „mich zuerst gluͤcklich mache? C'est que je le suis déjà. „Jch bin es schon laͤngst. Alles was ich hier thue, ge- „schieht blos zu Jhrem Vergnuͤgen.“ — Und hierauf zau- bert er denn die Buͤchse voll Gold, wenigstens wird sie ihm so schwer in der Hand, als ob Gold darin sey. Frei- lich findet sich beim Aufmachen nur ein Stein, aber was kann der Kuͤnstler dafuͤr, daß der Knabe nicht ehelich ge- boren, oder doch von seiner Mutter in die Welt gelogen worden ist. Er versichert mit einer pfiffigen Mine, daß ihm das in Paris sehr selten widerfahre, und huͤpft schnell wieder auf einen andern Gegenstand. — Alles das sind nur Possen fuͤr das Volk, aber sie werden ohne Schmutz vorgetragen, und sind doch in der That nicht ohne Witz. Gestehen Sie, daß die Nation, unter welcher das gemei- ne Volk solchen Witz herzlich belacht, in der That in sei- ner Bildung einen Schritt vor vielen Nationen voraus

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/56>, abgerufen am 07.05.2024.