Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

und können einige Schritte weiter, auch dieser sittsamen
Bedenklichkeit ein Genüge leisten.

Jtzt schlag' ich Jhnen vor, den Quay de l'ecole lang-
sam hinab zu wandeln, und damit unsern heutigen Spa-
ziergang zu beschließen. Alle Caffeehäuser und Restaura-
teurs lassen wir linker Hand liegen, so apetitlich die Jn-
schriften auch lauten, die mit großen Buchstaben auf die
Glasthüren und Fenster gemahlt sind: kalte und war-
me Frühstücke, Gabel-Frühstücke
(dejeuners a
la fourchette), Rum-und Arrak-Punsch, Eis-
käse, Milchkaffee, Schokolat
u. s. w. Der näch-
ste Nachbar ladet uns zu einer Partie a la poule, und
wiederum der nächste zu einer Partie Billard; zwischen
beiden verspricht uns ein dritter köstliches Märzbier.
Alles vergebens, wir wandeln fürbaß. Auch auf der Stra-
ße selbst reizen uns weder die eben gebratenen heißen Ka-
stanien, noch die aufgeschichteten Aepfel und Weintrau-
ben, noch die schmutzigen Ganymede, die aus großen
zinnernen Schleifkannen blanke zinnerne Becher mit einem
faden Getränk füllen, das dem russischen Sbiten äh-
nelt. Ein solcher Becher voll kostet freilich nur einen Sous,
aber ich rathe Jhnen lieber zum klaren Wasser, das gar
nichts kostet. -- Ha! wie lebhaft ist dieser Weg an der
Seine herunter. Linker Hand die schöne Häuser-Reihe,
wo Bude an Bude grenzt, wo die Waaren aller Weltthei-
le, ja sogar die Waaren anderer Welten zur Schau
gestellt sind, (denn auch die famösen Mondsteine kann
man irgendwo kaufen); dann das bunte Menschengewim-
mel auf der Straße, und die Fiakers, und die verdamm-
ten Cabriolets, vor denen wir hier in Sicherheit sind. Und
nun werfen Sie ihre Blicke rechts hinab auf den Fluß.
Alle Wäscherinnen des Erdbodens scheinen sich hier ver-

und koͤnnen einige Schritte weiter, auch dieser sittsamen
Bedenklichkeit ein Genuͤge leisten.

Jtzt schlag' ich Jhnen vor, den Quay de l'école lang-
sam hinab zu wandeln, und damit unsern heutigen Spa-
ziergang zu beschließen. Alle Caffeehaͤuser und Restaura-
teurs lassen wir linker Hand liegen, so apetitlich die Jn-
schriften auch lauten, die mit großen Buchstaben auf die
Glasthuͤren und Fenster gemahlt sind: kalte und war-
me Fruͤhstuͤcke, Gabel-Fruͤhstuͤcke
(déjeuners à
la fourchette), Rum-und Arrak-Punsch, Eis-
kaͤse, Milchkaffee, Schokolat
u. s. w. Der naͤch-
ste Nachbar ladet uns zu einer Partie à la poule, und
wiederum der naͤchste zu einer Partie Billard; zwischen
beiden verspricht uns ein dritter koͤstliches Maͤrzbier.
Alles vergebens, wir wandeln fuͤrbaß. Auch auf der Stra-
ße selbst reizen uns weder die eben gebratenen heißen Ka-
stanien, noch die aufgeschichteten Aepfel und Weintrau-
ben, noch die schmutzigen Ganymede, die aus großen
zinnernen Schleifkannen blanke zinnerne Becher mit einem
faden Getraͤnk fuͤllen, das dem russischen Sbiten aͤh-
nelt. Ein solcher Becher voll kostet freilich nur einen Sous,
aber ich rathe Jhnen lieber zum klaren Wasser, das gar
nichts kostet. — Ha! wie lebhaft ist dieser Weg an der
Seine herunter. Linker Hand die schoͤne Haͤuser-Reihe,
wo Bude an Bude grenzt, wo die Waaren aller Weltthei-
le, ja sogar die Waaren anderer Welten zur Schau
gestellt sind, (denn auch die famoͤsen Mondsteine kann
man irgendwo kaufen); dann das bunte Menschengewim-
mel auf der Straße, und die Fiakers, und die verdamm-
ten Cabriolets, vor denen wir hier in Sicherheit sind. Und
nun werfen Sie ihre Blicke rechts hinab auf den Fluß.
Alle Waͤscherinnen des Erdbodens scheinen sich hier ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0071" n="67"/>
und ko&#x0364;nnen einige Schritte weiter, auch dieser sittsamen<lb/>
Bedenklichkeit ein Genu&#x0364;ge leisten.</p><lb/>
          <p>Jtzt schlag' ich Jhnen vor, den Quay de l'école lang-<lb/>
sam hinab zu wandeln, und damit unsern heutigen Spa-<lb/>
ziergang zu beschließen. Alle Caffeeha&#x0364;user und Restaura-<lb/>
teurs lassen wir linker Hand liegen, so apetitlich die Jn-<lb/>
schriften auch lauten, die mit großen Buchstaben auf die<lb/>
Glasthu&#x0364;ren und Fenster gemahlt sind: <hi rendition="#g">kalte und war-<lb/>
me Fru&#x0364;hstu&#x0364;cke, Gabel-Fru&#x0364;hstu&#x0364;cke</hi> (déjeuners à<lb/>
la fourchette), <hi rendition="#g">Rum-und Arrak-Punsch, Eis-<lb/>
ka&#x0364;se, Milchkaffee, Schokolat</hi> u. s. w. Der na&#x0364;ch-<lb/>
ste Nachbar ladet uns zu einer Partie à la poule, und<lb/>
wiederum der na&#x0364;chste zu einer Partie <hi rendition="#g">Billard;</hi> zwischen<lb/>
beiden verspricht uns ein dritter ko&#x0364;stliches <hi rendition="#g">Ma&#x0364;rzbier.</hi><lb/>
Alles vergebens, wir wandeln fu&#x0364;rbaß. Auch auf der Stra-<lb/>
ße selbst reizen uns weder die eben gebratenen heißen Ka-<lb/>
stanien, noch die aufgeschichteten Aepfel und Weintrau-<lb/>
ben, noch die schmutzigen <hi rendition="#g">Ganymede,</hi> die aus großen<lb/>
zinnernen Schleifkannen blanke zinnerne Becher mit einem<lb/>
faden Getra&#x0364;nk fu&#x0364;llen, das dem russischen <hi rendition="#g">Sbiten</hi> a&#x0364;h-<lb/>
nelt. Ein solcher Becher voll kostet freilich nur einen Sous,<lb/>
aber ich rathe Jhnen lieber zum klaren Wasser, das gar<lb/>
nichts kostet. &#x2014; Ha! wie lebhaft ist dieser Weg an der<lb/>
Seine herunter. Linker Hand die scho&#x0364;ne Ha&#x0364;user-Reihe,<lb/>
wo Bude an Bude grenzt, wo die Waaren aller Weltthei-<lb/>
le, ja sogar die Waaren <hi rendition="#g">anderer Welten</hi> zur Schau<lb/>
gestellt sind, (denn auch die famo&#x0364;sen <hi rendition="#g">Mondsteine</hi> kann<lb/>
man irgendwo kaufen); dann das bunte Menschengewim-<lb/>
mel auf der Straße, und die Fiakers, und die verdamm-<lb/>
ten Cabriolets, vor denen wir hier in Sicherheit sind. Und<lb/>
nun werfen Sie ihre Blicke rechts hinab auf den Fluß.<lb/>
Alle Wa&#x0364;scherinnen des Erdbodens scheinen sich hier ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0071] und koͤnnen einige Schritte weiter, auch dieser sittsamen Bedenklichkeit ein Genuͤge leisten. Jtzt schlag' ich Jhnen vor, den Quay de l'école lang- sam hinab zu wandeln, und damit unsern heutigen Spa- ziergang zu beschließen. Alle Caffeehaͤuser und Restaura- teurs lassen wir linker Hand liegen, so apetitlich die Jn- schriften auch lauten, die mit großen Buchstaben auf die Glasthuͤren und Fenster gemahlt sind: kalte und war- me Fruͤhstuͤcke, Gabel-Fruͤhstuͤcke (déjeuners à la fourchette), Rum-und Arrak-Punsch, Eis- kaͤse, Milchkaffee, Schokolat u. s. w. Der naͤch- ste Nachbar ladet uns zu einer Partie à la poule, und wiederum der naͤchste zu einer Partie Billard; zwischen beiden verspricht uns ein dritter koͤstliches Maͤrzbier. Alles vergebens, wir wandeln fuͤrbaß. Auch auf der Stra- ße selbst reizen uns weder die eben gebratenen heißen Ka- stanien, noch die aufgeschichteten Aepfel und Weintrau- ben, noch die schmutzigen Ganymede, die aus großen zinnernen Schleifkannen blanke zinnerne Becher mit einem faden Getraͤnk fuͤllen, das dem russischen Sbiten aͤh- nelt. Ein solcher Becher voll kostet freilich nur einen Sous, aber ich rathe Jhnen lieber zum klaren Wasser, das gar nichts kostet. — Ha! wie lebhaft ist dieser Weg an der Seine herunter. Linker Hand die schoͤne Haͤuser-Reihe, wo Bude an Bude grenzt, wo die Waaren aller Weltthei- le, ja sogar die Waaren anderer Welten zur Schau gestellt sind, (denn auch die famoͤsen Mondsteine kann man irgendwo kaufen); dann das bunte Menschengewim- mel auf der Straße, und die Fiakers, und die verdamm- ten Cabriolets, vor denen wir hier in Sicherheit sind. Und nun werfen Sie ihre Blicke rechts hinab auf den Fluß. Alle Waͤscherinnen des Erdbodens scheinen sich hier ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/71
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/71>, abgerufen am 07.05.2024.