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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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nes Augenblicks gedachte! -- Jetzt öffneten sich die Thü-
ren des Audienzzimmers, dessen schönste Dekoration die
Fahnen sind, welche da mahlerisch gruppirt aufbewahrt
werden. Bonaparte stand zwischen dem zweiten und drit-
ten Konsul, welche reich gestickte Scharlachkleider, aber
nach dem gewöhnlichen Schnitte trugen. Auch der Ober-
richter (grand juge) war in seinem Costüm gegenwärtig,
das dem der Kardinäle nicht unähnlich ist. -- So bald
ein Kreis sich formirt hatte, trat Bonaparte hervor, sprach
zuerst mit dem anwesenden Chur-Prinzen von Würtem-
berg, und dann in der Reihe herum, gerade so wie an-
dere Könige und Fürsten es zu machen pflegen, mit den
Ministern fremder Höfe, die ihm bei dieser Gelegenheit
ihre Fremden präsentirten.

Keines von den Bildern, die ich in Deutschland oder
Frankreich von ihm gesehen habe, gleicht ihm ganz; die
meisten gleichen ihm gar nicht. (Zu den letztern gehört
unter andern Davids berühmtes Gemälde.) Am besten
hat ihn Jsabey getroffen, der ihn in ganzer Figur stehend
dargestellt hat, und von dessen Bilde auch ein recht guter
Kupferstich vorhanden ist. Jhm bei weitem am ähnlich-
sten, finde ich das Brustbild auf den neuen Fünf-Fran-
ken-Stücken vom Jahre zwölf; so oft ich dies betrachte,
steht der erste Konsul lebhaft vor mir. Er hat seit eini-
ger Zeit zugenommen, welches einen Mann, wie Bona-
parte grade nicht vorzüglich kleidet, denn man ist gewohnt,
ihn ganz Geist zu denken, und die Phantasie erlaubt
ihm gleichsam nur so viel von irdischer Hülle, als eben
nothwendig ist zum Werkzeug des Geistes. Jch wette,
daß sich Niemand Bonaparte wohlbeleibt denken kann,
und doch ist er es jetzt ein wenig, scheint es vielleicht auch
mehr, weil er klein von Statur ist. Sein Profil ist das

nes Augenblicks gedachte! — Jetzt oͤffneten sich die Thuͤ-
ren des Audienzzimmers, dessen schoͤnste Dekoration die
Fahnen sind, welche da mahlerisch gruppirt aufbewahrt
werden. Bonaparte stand zwischen dem zweiten und drit-
ten Konsul, welche reich gestickte Scharlachkleider, aber
nach dem gewoͤhnlichen Schnitte trugen. Auch der Ober-
richter (grand juge) war in seinem Costuͤm gegenwaͤrtig,
das dem der Kardinaͤle nicht unaͤhnlich ist. — So bald
ein Kreis sich formirt hatte, trat Bonaparte hervor, sprach
zuerst mit dem anwesenden Chur-Prinzen von Wuͤrtem-
berg, und dann in der Reihe herum, gerade so wie an-
dere Koͤnige und Fuͤrsten es zu machen pflegen, mit den
Ministern fremder Hoͤfe, die ihm bei dieser Gelegenheit
ihre Fremden praͤsentirten.

Keines von den Bildern, die ich in Deutschland oder
Frankreich von ihm gesehen habe, gleicht ihm ganz; die
meisten gleichen ihm gar nicht. (Zu den letztern gehoͤrt
unter andern Davids beruͤhmtes Gemaͤlde.) Am besten
hat ihn Jsabey getroffen, der ihn in ganzer Figur stehend
dargestellt hat, und von dessen Bilde auch ein recht guter
Kupferstich vorhanden ist. Jhm bei weitem am aͤhnlich-
sten, finde ich das Brustbild auf den neuen Fuͤnf-Fran-
ken-Stuͤcken vom Jahre zwoͤlf; so oft ich dies betrachte,
steht der erste Konsul lebhaft vor mir. Er hat seit eini-
ger Zeit zugenommen, welches einen Mann, wie Bona-
parte grade nicht vorzuͤglich kleidet, denn man ist gewohnt,
ihn ganz Geist zu denken, und die Phantasie erlaubt
ihm gleichsam nur so viel von irdischer Huͤlle, als eben
nothwendig ist zum Werkzeug des Geistes. Jch wette,
daß sich Niemand Bonaparte wohlbeleibt denken kann,
und doch ist er es jetzt ein wenig, scheint es vielleicht auch
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[80/0084] nes Augenblicks gedachte! — Jetzt oͤffneten sich die Thuͤ- ren des Audienzzimmers, dessen schoͤnste Dekoration die Fahnen sind, welche da mahlerisch gruppirt aufbewahrt werden. Bonaparte stand zwischen dem zweiten und drit- ten Konsul, welche reich gestickte Scharlachkleider, aber nach dem gewoͤhnlichen Schnitte trugen. Auch der Ober- richter (grand juge) war in seinem Costuͤm gegenwaͤrtig, das dem der Kardinaͤle nicht unaͤhnlich ist. — So bald ein Kreis sich formirt hatte, trat Bonaparte hervor, sprach zuerst mit dem anwesenden Chur-Prinzen von Wuͤrtem- berg, und dann in der Reihe herum, gerade so wie an- dere Koͤnige und Fuͤrsten es zu machen pflegen, mit den Ministern fremder Hoͤfe, die ihm bei dieser Gelegenheit ihre Fremden praͤsentirten. Keines von den Bildern, die ich in Deutschland oder Frankreich von ihm gesehen habe, gleicht ihm ganz; die meisten gleichen ihm gar nicht. (Zu den letztern gehoͤrt unter andern Davids beruͤhmtes Gemaͤlde.) Am besten hat ihn Jsabey getroffen, der ihn in ganzer Figur stehend dargestellt hat, und von dessen Bilde auch ein recht guter Kupferstich vorhanden ist. Jhm bei weitem am aͤhnlich- sten, finde ich das Brustbild auf den neuen Fuͤnf-Fran- ken-Stuͤcken vom Jahre zwoͤlf; so oft ich dies betrachte, steht der erste Konsul lebhaft vor mir. Er hat seit eini- ger Zeit zugenommen, welches einen Mann, wie Bona- parte grade nicht vorzuͤglich kleidet, denn man ist gewohnt, ihn ganz Geist zu denken, und die Phantasie erlaubt ihm gleichsam nur so viel von irdischer Huͤlle, als eben nothwendig ist zum Werkzeug des Geistes. Jch wette, daß sich Niemand Bonaparte wohlbeleibt denken kann, und doch ist er es jetzt ein wenig, scheint es vielleicht auch mehr, weil er klein von Statur ist. Sein Profil ist das

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/84>, abgerufen am 08.05.2024.