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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Düngung.
Cultur erreicht hat. Unter den europäischen Ländern verwendet man daher nur in
Belgien, dem südlichen Frankreich, Elsaß, den Gartenwirthschaften in der Nähe der
mitteldeutschen Städte etc. auf die Sammlung und Benutzung der Excremente die
größte Aufmerksamkeit. Von den außereuropäischen Ländern sind es besonders China
und Japan, welche sich durch die ausgedehnteste Verwendung der menschlichen Aus-
wurfsstoffe auszeichnen.

Die Ursache der oben erwähnten eigenthümlichen Erscheinung, daß die Fäcal-
massen erst mit der Erreichung einer höheren Culturstufe in Verwendung genommen
werden, liegt in einer natürlichen Scheu gegen die Benützung dieser Materialien und
noch mehr in der Schwierigkeit, die Mehrungsstoffe auf eine billige Weise in einen
transportfähigen Zustand zu bringen.

Erst in neuerer Zeit beginnt man der Verwendung der menschlichen Excremente
in der Landwirthschaft eine erhöhtere Beachtung zuzuwenden, indem man durch die
Anregung J. v. Liebig's 1) zur Erkenntniß ihres hohen Werthes gelangt ist. Die
Landwirthschaft hat die Aufgabe, das Bedürfniß des Menschen an Nahrung etc. zu
befriedigen. Die Mineralstoffe, welche in den für die Ernährung des Menschen
bestimmten Materialien, wie Körner, Fleisch etc. enthalten sind, werden aus der
Wirthschaft ausgeführt, ohne ihren Weg wieder zurückzufinden, da sie in den Excre-
menten meistens durch die Canäle, in die Flüsse und das Meer gelangen. Um diesen
Betrag wird daher der Boden als ein Ganzes genommen immer ärmer an Pflanzen-
nährstoffen, wenn auch auf einzelnen Wirthschaften der Vorrath an Pflanzen-
nährstoffen im Boden durch Zukauf von künstlichen Düngemitteln oder von Futter
und Stalldünger auf Kosten anderer Wirthschaften erhalten oder selbst vermehrt
wird. Dieser Verminderung an Bodennährstoffen ist nur durch die Verwendung der
menschlichen Excremente für die Düngung entgegen zu wirken.

Bei vollständiger Sammlung der Mehrungsstoffe finden sich in denselben alle jene
Stoffe wieder, welche in der Nahrung des Menschen enthalten waren, mit Ausnahme
gewisser Procente an Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, welche durch die Lunge
und Haut ausgeschieden wurden. Entsprechend der aufgenommenen Nahrung zeichnen
sich daher die menschlichen Abfallstoffe besonders durch ihren Gehalt an Stickstoff und
Phosphorsäure aus.

Nach den Angaben von E. Heiden 2) berechnet sich die Gesammtmenge der jährlich aus-
geschiedenen Excremente und ihrer wichtigsten Bestandtheile in Kilogrammen wie folgt:

[Tabelle]

Die Menge der Gesammtausleerungen kann zu 0.524 Cubikmeter a 930 Kilogr. ver-
anschlagt werden.

1) J. v. Liebig, Naturwissenschaftliche Briefe 1859. S. 27.
2) E. Heiden, Düngerlehre 2. Bd. Stuttgart 1868. S. 190.
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Die Düngung.
Cultur erreicht hat. Unter den europäiſchen Ländern verwendet man daher nur in
Belgien, dem ſüdlichen Frankreich, Elſaß, den Gartenwirthſchaften in der Nähe der
mitteldeutſchen Städte ꝛc. auf die Sammlung und Benutzung der Excremente die
größte Aufmerkſamkeit. Von den außereuropäiſchen Ländern ſind es beſonders China
und Japan, welche ſich durch die ausgedehnteſte Verwendung der menſchlichen Aus-
wurfsſtoffe auszeichnen.

Die Urſache der oben erwähnten eigenthümlichen Erſcheinung, daß die Fäcal-
maſſen erſt mit der Erreichung einer höheren Culturſtufe in Verwendung genommen
werden, liegt in einer natürlichen Scheu gegen die Benützung dieſer Materialien und
noch mehr in der Schwierigkeit, die Mehrungsſtoffe auf eine billige Weiſe in einen
transportfähigen Zuſtand zu bringen.

Erſt in neuerer Zeit beginnt man der Verwendung der menſchlichen Excremente
in der Landwirthſchaft eine erhöhtere Beachtung zuzuwenden, indem man durch die
Anregung J. v. Liebig's 1) zur Erkenntniß ihres hohen Werthes gelangt iſt. Die
Landwirthſchaft hat die Aufgabe, das Bedürfniß des Menſchen an Nahrung ꝛc. zu
befriedigen. Die Mineralſtoffe, welche in den für die Ernährung des Menſchen
beſtimmten Materialien, wie Körner, Fleiſch ꝛc. enthalten ſind, werden aus der
Wirthſchaft ausgeführt, ohne ihren Weg wieder zurückzufinden, da ſie in den Excre-
menten meiſtens durch die Canäle, in die Flüſſe und das Meer gelangen. Um dieſen
Betrag wird daher der Boden als ein Ganzes genommen immer ärmer an Pflanzen-
nährſtoffen, wenn auch auf einzelnen Wirthſchaften der Vorrath an Pflanzen-
nährſtoffen im Boden durch Zukauf von künſtlichen Düngemitteln oder von Futter
und Stalldünger auf Koſten anderer Wirthſchaften erhalten oder ſelbſt vermehrt
wird. Dieſer Verminderung an Bodennährſtoffen iſt nur durch die Verwendung der
menſchlichen Excremente für die Düngung entgegen zu wirken.

Bei vollſtändiger Sammlung der Mehrungsſtoffe finden ſich in denſelben alle jene
Stoffe wieder, welche in der Nahrung des Menſchen enthalten waren, mit Ausnahme
gewiſſer Procente an Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, welche durch die Lunge
und Haut ausgeſchieden wurden. Entſprechend der aufgenommenen Nahrung zeichnen
ſich daher die menſchlichen Abfallſtoffe beſonders durch ihren Gehalt an Stickſtoff und
Phosphorſäure aus.

Nach den Angaben von E. Heiden 2) berechnet ſich die Geſammtmenge der jährlich aus-
geſchiedenen Excremente und ihrer wichtigſten Beſtandtheile in Kilogrammen wie folgt:

[Tabelle]

Die Menge der Geſammtausleerungen kann zu 0.524 Cubikmeter à 930 Kilogr. ver-
anſchlagt werden.

1) J. v. Liebig, Naturwiſſenſchaftliche Briefe 1859. S. 27.
2) E. Heiden, Düngerlehre 2. Bd. Stuttgart 1868. S. 190.
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[179/0197] Die Düngung. Cultur erreicht hat. Unter den europäiſchen Ländern verwendet man daher nur in Belgien, dem ſüdlichen Frankreich, Elſaß, den Gartenwirthſchaften in der Nähe der mitteldeutſchen Städte ꝛc. auf die Sammlung und Benutzung der Excremente die größte Aufmerkſamkeit. Von den außereuropäiſchen Ländern ſind es beſonders China und Japan, welche ſich durch die ausgedehnteſte Verwendung der menſchlichen Aus- wurfsſtoffe auszeichnen. Die Urſache der oben erwähnten eigenthümlichen Erſcheinung, daß die Fäcal- maſſen erſt mit der Erreichung einer höheren Culturſtufe in Verwendung genommen werden, liegt in einer natürlichen Scheu gegen die Benützung dieſer Materialien und noch mehr in der Schwierigkeit, die Mehrungsſtoffe auf eine billige Weiſe in einen transportfähigen Zuſtand zu bringen. Erſt in neuerer Zeit beginnt man der Verwendung der menſchlichen Excremente in der Landwirthſchaft eine erhöhtere Beachtung zuzuwenden, indem man durch die Anregung J. v. Liebig's 1) zur Erkenntniß ihres hohen Werthes gelangt iſt. Die Landwirthſchaft hat die Aufgabe, das Bedürfniß des Menſchen an Nahrung ꝛc. zu befriedigen. Die Mineralſtoffe, welche in den für die Ernährung des Menſchen beſtimmten Materialien, wie Körner, Fleiſch ꝛc. enthalten ſind, werden aus der Wirthſchaft ausgeführt, ohne ihren Weg wieder zurückzufinden, da ſie in den Excre- menten meiſtens durch die Canäle, in die Flüſſe und das Meer gelangen. Um dieſen Betrag wird daher der Boden als ein Ganzes genommen immer ärmer an Pflanzen- nährſtoffen, wenn auch auf einzelnen Wirthſchaften der Vorrath an Pflanzen- nährſtoffen im Boden durch Zukauf von künſtlichen Düngemitteln oder von Futter und Stalldünger auf Koſten anderer Wirthſchaften erhalten oder ſelbſt vermehrt wird. Dieſer Verminderung an Bodennährſtoffen iſt nur durch die Verwendung der menſchlichen Excremente für die Düngung entgegen zu wirken. Bei vollſtändiger Sammlung der Mehrungsſtoffe finden ſich in denſelben alle jene Stoffe wieder, welche in der Nahrung des Menſchen enthalten waren, mit Ausnahme gewiſſer Procente an Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, welche durch die Lunge und Haut ausgeſchieden wurden. Entſprechend der aufgenommenen Nahrung zeichnen ſich daher die menſchlichen Abfallſtoffe beſonders durch ihren Gehalt an Stickſtoff und Phosphorſäure aus. Nach den Angaben von E. Heiden 2) berechnet ſich die Geſammtmenge der jährlich aus- geſchiedenen Excremente und ihrer wichtigſten Beſtandtheile in Kilogrammen wie folgt: Die Menge der Geſammtausleerungen kann zu 0.524 Cubikmeter à 930 Kilogr. ver- anſchlagt werden. 1) J. v. Liebig, Naturwiſſenſchaftliche Briefe 1859. S. 27. 2) E. Heiden, Düngerlehre 2. Bd. Stuttgart 1868. S. 190. 12*

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/197>, abgerufen am 29.04.2024.