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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Ernte.
zunehmen; dagegen beginnt nun in der Richtung gegen die Blüthentheile eine Wan-
derung jener Stoffe, welche sich während des Pflanzenwachsthumes in den Blättern
und Halmen oder Stengeln gebildet haben. In dem Maße, als sich die Blätter
und Halme entleeren, vermehrt sich durch die Stoffeinwanderung das Gewicht der
zu den Samen heranreifenden, befruchteten Blüthentheile. Im Samen werden die
Stoffe zur Bildung des Keimes verwendet oder im Mehlkörper des Samens als
Reservestoffe abgelagert. Fehlt es in trockenen Sommern an der nöthigen Feuchte,
so tritt die Stoffeinwanderung nur unvollkommen ein. Die Samen erreichen in Folge
dessen nicht ihre vollständige Ausbildung, die Pflanzen werden nothreif.

In Uebereinstimmung mit der fortschreitenden Stoffeinwanderung in den Samen
treten auch äußerlich wahrnehmbare Veränderungen ein, welche wir an dem Samen
der Getreidepflanzen näher verfolgen wollen. Einige Zeit nach der Befruchtung füllt
sich der Same, welcher nun seiner Größe nach schon fertig ausgebildet ist, durch die
Einwanderung von Stoffen mit einem milchigen Inhalte. Dieses Stadium in der
Reife der Getreidefrucht bezeichnet man als die Milchreife. Der milchige In-
halt wird mit dem Vorschreiten der Reife fadenziehend und nimmt im weiteren
Verlaufe eine wachsartige Beschaffenheit an, während sich das Stroh gelb färbt.
Der Same über den Fingernagel gebogen bricht noch, wenn derselbe dieses Reife-
stadium, die sog. Gelbreife, erreicht hat. Noch später wird der Same durch
Verdunstung von Wasser hart und bricht über den Nagel gebogen nicht mehr, es
ist die Vollreife eingetreten. Schließlich wird der Same ganz hart, todtreif,
während das Stroh eine weißliche Färbung annimmt.

Nach den Untersuchungen von Dr. A. Nowacki 1) ergeben sich je nach dem Reifestadium
folgende Aenderungen in den im frischen Zustande nach dem Abschneiden der Pflanzen unter-
suchten Körnern:

[Tabelle]

Die Einwanderung von Stoffen aus dem Halme und den Blättern in die
Körner hat wahrscheinlich mit dem Beginne der Gelbreife ihr Ende erreicht. Dieser
Zeitpunkt wird daher, um die größte Samenmenge bei bester Qualität zu erzielen,
am vortheilhaftesten zur Vornahme der Ernte sein. Nach dem Abschneiden der
Halme gehen übrigens die Veränderungen im Samen hauptsächlich durch Verdunsten
des Wassers, während des sog. Nachreifens, noch etwas weiter fort.

1) Untersuchungen über das Reifen des Getreides, nebst Bemerkungen über den zweck-
mäßigsten Zeitpunkt zur Ernte. Halle 1870. S. 39.

Die Ernte.
zunehmen; dagegen beginnt nun in der Richtung gegen die Blüthentheile eine Wan-
derung jener Stoffe, welche ſich während des Pflanzenwachsthumes in den Blättern
und Halmen oder Stengeln gebildet haben. In dem Maße, als ſich die Blätter
und Halme entleeren, vermehrt ſich durch die Stoffeinwanderung das Gewicht der
zu den Samen heranreifenden, befruchteten Blüthentheile. Im Samen werden die
Stoffe zur Bildung des Keimes verwendet oder im Mehlkörper des Samens als
Reſerveſtoffe abgelagert. Fehlt es in trockenen Sommern an der nöthigen Feuchte,
ſo tritt die Stoffeinwanderung nur unvollkommen ein. Die Samen erreichen in Folge
deſſen nicht ihre vollſtändige Ausbildung, die Pflanzen werden nothreif.

In Uebereinſtimmung mit der fortſchreitenden Stoffeinwanderung in den Samen
treten auch äußerlich wahrnehmbare Veränderungen ein, welche wir an dem Samen
der Getreidepflanzen näher verfolgen wollen. Einige Zeit nach der Befruchtung füllt
ſich der Same, welcher nun ſeiner Größe nach ſchon fertig ausgebildet iſt, durch die
Einwanderung von Stoffen mit einem milchigen Inhalte. Dieſes Stadium in der
Reife der Getreidefrucht bezeichnet man als die Milchreife. Der milchige In-
halt wird mit dem Vorſchreiten der Reife fadenziehend und nimmt im weiteren
Verlaufe eine wachsartige Beſchaffenheit an, während ſich das Stroh gelb färbt.
Der Same über den Fingernagel gebogen bricht noch, wenn derſelbe dieſes Reife-
ſtadium, die ſog. Gelbreife, erreicht hat. Noch ſpäter wird der Same durch
Verdunſtung von Waſſer hart und bricht über den Nagel gebogen nicht mehr, es
iſt die Vollreife eingetreten. Schließlich wird der Same ganz hart, todtreif,
während das Stroh eine weißliche Färbung annimmt.

Nach den Unterſuchungen von Dr. A. Nowacki 1) ergeben ſich je nach dem Reifeſtadium
folgende Aenderungen in den im friſchen Zuſtande nach dem Abſchneiden der Pflanzen unter-
ſuchten Körnern:

[Tabelle]

Die Einwanderung von Stoffen aus dem Halme und den Blättern in die
Körner hat wahrſcheinlich mit dem Beginne der Gelbreife ihr Ende erreicht. Dieſer
Zeitpunkt wird daher, um die größte Samenmenge bei beſter Qualität zu erzielen,
am vortheilhafteſten zur Vornahme der Ernte ſein. Nach dem Abſchneiden der
Halme gehen übrigens die Veränderungen im Samen hauptſächlich durch Verdunſten
des Waſſers, während des ſog. Nachreifens, noch etwas weiter fort.

1) Unterſuchungen über das Reifen des Getreides, nebſt Bemerkungen über den zweck-
mäßigſten Zeitpunkt zur Ernte. Halle 1870. S. 39.
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[263/0281] Die Ernte. zunehmen; dagegen beginnt nun in der Richtung gegen die Blüthentheile eine Wan- derung jener Stoffe, welche ſich während des Pflanzenwachsthumes in den Blättern und Halmen oder Stengeln gebildet haben. In dem Maße, als ſich die Blätter und Halme entleeren, vermehrt ſich durch die Stoffeinwanderung das Gewicht der zu den Samen heranreifenden, befruchteten Blüthentheile. Im Samen werden die Stoffe zur Bildung des Keimes verwendet oder im Mehlkörper des Samens als Reſerveſtoffe abgelagert. Fehlt es in trockenen Sommern an der nöthigen Feuchte, ſo tritt die Stoffeinwanderung nur unvollkommen ein. Die Samen erreichen in Folge deſſen nicht ihre vollſtändige Ausbildung, die Pflanzen werden nothreif. In Uebereinſtimmung mit der fortſchreitenden Stoffeinwanderung in den Samen treten auch äußerlich wahrnehmbare Veränderungen ein, welche wir an dem Samen der Getreidepflanzen näher verfolgen wollen. Einige Zeit nach der Befruchtung füllt ſich der Same, welcher nun ſeiner Größe nach ſchon fertig ausgebildet iſt, durch die Einwanderung von Stoffen mit einem milchigen Inhalte. Dieſes Stadium in der Reife der Getreidefrucht bezeichnet man als die Milchreife. Der milchige In- halt wird mit dem Vorſchreiten der Reife fadenziehend und nimmt im weiteren Verlaufe eine wachsartige Beſchaffenheit an, während ſich das Stroh gelb färbt. Der Same über den Fingernagel gebogen bricht noch, wenn derſelbe dieſes Reife- ſtadium, die ſog. Gelbreife, erreicht hat. Noch ſpäter wird der Same durch Verdunſtung von Waſſer hart und bricht über den Nagel gebogen nicht mehr, es iſt die Vollreife eingetreten. Schließlich wird der Same ganz hart, todtreif, während das Stroh eine weißliche Färbung annimmt. Nach den Unterſuchungen von Dr. A. Nowacki 1) ergeben ſich je nach dem Reifeſtadium folgende Aenderungen in den im friſchen Zuſtande nach dem Abſchneiden der Pflanzen unter- ſuchten Körnern: Die Einwanderung von Stoffen aus dem Halme und den Blättern in die Körner hat wahrſcheinlich mit dem Beginne der Gelbreife ihr Ende erreicht. Dieſer Zeitpunkt wird daher, um die größte Samenmenge bei beſter Qualität zu erzielen, am vortheilhafteſten zur Vornahme der Ernte ſein. Nach dem Abſchneiden der Halme gehen übrigens die Veränderungen im Samen hauptſächlich durch Verdunſten des Waſſers, während des ſog. Nachreifens, noch etwas weiter fort. 1) Unterſuchungen über das Reifen des Getreides, nebſt Bemerkungen über den zweck- mäßigſten Zeitpunkt zur Ernte. Halle 1870. S. 39.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/281>, abgerufen am 28.04.2024.