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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Die Ernährung und Pflege.
selben in dem Vergleiche mit dem Nähreffecte, welcher durch Wiesenheu zu erzielen ist,
gefunden zu haben. Die Nahrungswerthe oder "Heuwerthe" wurden den einzelnen
Futterstoffen nach der Erfahrung und nach praktischen Fütterungsversuchen zugesprochen.
Albrecht Thaer (1837) war der erste, welcher Heuwerthstabellen aufstellte, ihm folgten Block,
Koppe, Schweitzer, Pabst u. A. Nach Letzterem 1) sind 100 Pfund Heuwerth = 400--450
Pfund Kleegrünfutter, 450--500 Pfund Grünmais, 230--300 Pfund Wintergetreidestroh,
175--200 Pfund Sommergetreidestroh, 40--50 Pfund Körner, 40--45 Pfund Oelkuchen,
200 Pfund Kartoffeln, 300 Pfund Runkelrüben, 200--250 Pfund Rübenpreßlinge, Schlempe
von 300 Pfund Kartoffeln mit 15 Pfund Malzzusatz etc. Von dem verabreichten Futter
sollte ein Theil, das Erhaltungsfutter, zur Erhaltung des Thieres, der andere Theil,
welcher über den Bedarf zur Erhaltung gegeben wird, zur Fleisch-, Fett- und Milcherzeugung
als Produktionsfutter dienen. Man übersah dabei, daß eine derartige Scheidung den
thatsächlichen Verhältnissen des Ernährungsprocesses nicht entspricht, nachdem selbst im
Hungerzustande eine, wenn auch unbedeutende thierische Produktion (Milchabsonderung,
Wollezuwachs) stattfindet. Nach der Annahme der damaligen Zeit sollte 1/60--1/50 des
thierischen Lebendgewichtes oder auf je 100 Pfund desselben 1 2/3 --2 Pfund Heuwerth als
Erhaltungsfutter und als Gesammtfutter für Milchvieh 1/30 des Lebendgewichtes oder auf
je 100 Pfund Körpergewicht 3--31/2 Pfund, für Mastvieh 41/2--5 Pfund Heuwerth erforder-
lich sein.

Die praktischen Landwirthe wußten sehr wohl, daß dem Heuwerthe nur ein sehr be-
dingter Werth zuzuerkennen ist, nachdem es Thiere (Schwein) gibt, welche kein Heu verzehren
und nachdem das Heu sich durch andere, allein verabreichte Futtermittel, z. B. Kartoffel u. dgl.,
niemals vollständig ersetzen läßt. Die Bequemlichkeit mit einer Zahl zu rechnen, ist jedoch
die Veranlassung, daß noch heute viele Landwirthe diesen unrichtigen Maßstab bei ihren
Futterdispositionen anwenden. Justus von Liebig (1848) zeigte den richtigen Weg, indem
er den Werth der einzelnen Futterstoffe nach der chemischen Zusammensetzung oder dem
Nährstoffgehalte ermittelte. Damit ging jedoch die einzige Zahl für den Nährwerth verloren.
E. Wolff (1854) versuchte daher nach dem Nährstoffgehalte einen Heuwerth, den "chemischen
Heuwerth", Futteräquivalent, herauszurechnen. Ein Verfahren, das seither von Wolff selbst
aufgegeben wurde. Grouven war wieder der Erste, welcher "der Fütterung nach chemischen
Grundsätzen" durch Ausstellung von "Nährstoffnormen" für alle Arten und Altersstufen der
landwirthschaftlichen Nutzthiere in der Praxis Eingang verschaffte. In neuerer Zeit verließ
man auch diesen einseitigen chemischen Standpunkt und zog neben der chemischen Analyse
auch noch die Resultate von Fütterungsversuchen mit und ohne Respirationsapparat in
Betracht, bei welchen auch die physiologische Wirkung und die Verdaulichkeit der Futterstoffe
berücksichtigt wurden. In dieser Richtung verdienen namentlich die Arbeiten an den ver-
schiedenen landwirthschaftlich-chemischen Versuchsstationen (1860 u. w.) hervorgehoben zu
werden. Epochemachend in der Fütterungslehre waren die Untersuchungen von Th. Bischoff
und Carl Voit (1860 u. ff.) mit dem Pettenkofer'schen Respirationsapparate in München
und von Henneberg und Stohmann (1860 und 1863), welche eine sichere Grundlage zur
Erforschung der Gesetze der Fleisch- und Fettbildung und der Lehre von der Verdaulichkeit
des Futters lieferten. So Vortreffliches auf dem Gebiete der Fütterungslehre bisher geleistet
wurde, so bildet dieselbe, wie aus Nachstehendem hervorgehen wird, doch noch immer
nicht ein abgeschlossenes Ganzes, wenn auch bereits eine sichere Grundlage für weitere Fort-
schritte gewonnen ist.

1) Heinrich Wilhelm Pabst, Lehrbuch der Landwirthschaft, 6. Aufl., Wien 1866, Bd. II.
S. 35 u. ff.

Die Ernährung und Pflege.
ſelben in dem Vergleiche mit dem Nähreffecte, welcher durch Wieſenheu zu erzielen iſt,
gefunden zu haben. Die Nahrungswerthe oder „Heuwerthe“ wurden den einzelnen
Futterſtoffen nach der Erfahrung und nach praktiſchen Fütterungsverſuchen zugeſprochen.
Albrecht Thaer (1837) war der erſte, welcher Heuwerthstabellen aufſtellte, ihm folgten Block,
Koppe, Schweitzer, Pabſt u. A. Nach Letzterem 1) ſind 100 Pfund Heuwerth = 400—450
Pfund Kleegrünfutter, 450—500 Pfund Grünmais, 230—300 Pfund Wintergetreideſtroh,
175—200 Pfund Sommergetreideſtroh, 40—50 Pfund Körner, 40—45 Pfund Oelkuchen,
200 Pfund Kartoffeln, 300 Pfund Runkelrüben, 200—250 Pfund Rübenpreßlinge, Schlempe
von 300 Pfund Kartoffeln mit 15 Pfund Malzzuſatz ꝛc. Von dem verabreichten Futter
ſollte ein Theil, das Erhaltungsfutter, zur Erhaltung des Thieres, der andere Theil,
welcher über den Bedarf zur Erhaltung gegeben wird, zur Fleiſch-, Fett- und Milcherzeugung
als Produktionsfutter dienen. Man überſah dabei, daß eine derartige Scheidung den
thatſächlichen Verhältniſſen des Ernährungsproceſſes nicht entſpricht, nachdem ſelbſt im
Hungerzuſtande eine, wenn auch unbedeutende thieriſche Produktion (Milchabſonderung,
Wollezuwachs) ſtattfindet. Nach der Annahme der damaligen Zeit ſollte 1/60—1/50 des
thieriſchen Lebendgewichtes oder auf je 100 Pfund deſſelben 1⅔—2 Pfund Heuwerth als
Erhaltungsfutter und als Geſammtfutter für Milchvieh 1/30 des Lebendgewichtes oder auf
je 100 Pfund Körpergewicht 3—3½ Pfund, für Maſtvieh 4½—5 Pfund Heuwerth erforder-
lich ſein.

Die praktiſchen Landwirthe wußten ſehr wohl, daß dem Heuwerthe nur ein ſehr be-
dingter Werth zuzuerkennen iſt, nachdem es Thiere (Schwein) gibt, welche kein Heu verzehren
und nachdem das Heu ſich durch andere, allein verabreichte Futtermittel, z. B. Kartoffel u. dgl.,
niemals vollſtändig erſetzen läßt. Die Bequemlichkeit mit einer Zahl zu rechnen, iſt jedoch
die Veranlaſſung, daß noch heute viele Landwirthe dieſen unrichtigen Maßſtab bei ihren
Futterdispoſitionen anwenden. Juſtus von Liebig (1848) zeigte den richtigen Weg, indem
er den Werth der einzelnen Futterſtoffe nach der chemiſchen Zuſammenſetzung oder dem
Nährſtoffgehalte ermittelte. Damit ging jedoch die einzige Zahl für den Nährwerth verloren.
E. Wolff (1854) verſuchte daher nach dem Nährſtoffgehalte einen Heuwerth, den „chemiſchen
Heuwerth“, Futteräquivalent, herauszurechnen. Ein Verfahren, das ſeither von Wolff ſelbſt
aufgegeben wurde. Grouven war wieder der Erſte, welcher „der Fütterung nach chemiſchen
Grundſätzen“ durch Auſſtellung von „Nährſtoffnormen“ für alle Arten und Altersſtufen der
landwirthſchaftlichen Nutzthiere in der Praxis Eingang verſchaffte. In neuerer Zeit verließ
man auch dieſen einſeitigen chemiſchen Standpunkt und zog neben der chemiſchen Analyſe
auch noch die Reſultate von Fütterungsverſuchen mit und ohne Reſpirationsapparat in
Betracht, bei welchen auch die phyſiologiſche Wirkung und die Verdaulichkeit der Futterſtoffe
berückſichtigt wurden. In dieſer Richtung verdienen namentlich die Arbeiten an den ver-
ſchiedenen landwirthſchaftlich-chemiſchen Verſuchsſtationen (1860 u. w.) hervorgehoben zu
werden. Epochemachend in der Fütterungslehre waren die Unterſuchungen von Th. Biſchoff
und Carl Voit (1860 u. ff.) mit dem Pettenkofer’ſchen Reſpirationsapparate in München
und von Henneberg und Stohmann (1860 und 1863), welche eine ſichere Grundlage zur
Erforſchung der Geſetze der Fleiſch- und Fettbildung und der Lehre von der Verdaulichkeit
des Futters lieferten. So Vortreffliches auf dem Gebiete der Fütterungslehre bisher geleiſtet
wurde, ſo bildet dieſelbe, wie aus Nachſtehendem hervorgehen wird, doch noch immer
nicht ein abgeſchloſſenes Ganzes, wenn auch bereits eine ſichere Grundlage für weitere Fort-
ſchritte gewonnen iſt.

1) Heinrich Wilhelm Pabſt, Lehrbuch der Landwirthſchaft, 6. Aufl., Wien 1866, Bd. II.
S. 35 u. ff.
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[[45]/0061] Die Ernährung und Pflege. ſelben in dem Vergleiche mit dem Nähreffecte, welcher durch Wieſenheu zu erzielen iſt, gefunden zu haben. Die Nahrungswerthe oder „Heuwerthe“ wurden den einzelnen Futterſtoffen nach der Erfahrung und nach praktiſchen Fütterungsverſuchen zugeſprochen. Albrecht Thaer (1837) war der erſte, welcher Heuwerthstabellen aufſtellte, ihm folgten Block, Koppe, Schweitzer, Pabſt u. A. Nach Letzterem 1) ſind 100 Pfund Heuwerth = 400—450 Pfund Kleegrünfutter, 450—500 Pfund Grünmais, 230—300 Pfund Wintergetreideſtroh, 175—200 Pfund Sommergetreideſtroh, 40—50 Pfund Körner, 40—45 Pfund Oelkuchen, 200 Pfund Kartoffeln, 300 Pfund Runkelrüben, 200—250 Pfund Rübenpreßlinge, Schlempe von 300 Pfund Kartoffeln mit 15 Pfund Malzzuſatz ꝛc. Von dem verabreichten Futter ſollte ein Theil, das Erhaltungsfutter, zur Erhaltung des Thieres, der andere Theil, welcher über den Bedarf zur Erhaltung gegeben wird, zur Fleiſch-, Fett- und Milcherzeugung als Produktionsfutter dienen. Man überſah dabei, daß eine derartige Scheidung den thatſächlichen Verhältniſſen des Ernährungsproceſſes nicht entſpricht, nachdem ſelbſt im Hungerzuſtande eine, wenn auch unbedeutende thieriſche Produktion (Milchabſonderung, Wollezuwachs) ſtattfindet. Nach der Annahme der damaligen Zeit ſollte 1/60—1/50 des thieriſchen Lebendgewichtes oder auf je 100 Pfund deſſelben 1⅔—2 Pfund Heuwerth als Erhaltungsfutter und als Geſammtfutter für Milchvieh 1/30 des Lebendgewichtes oder auf je 100 Pfund Körpergewicht 3—3½ Pfund, für Maſtvieh 4½—5 Pfund Heuwerth erforder- lich ſein. Die praktiſchen Landwirthe wußten ſehr wohl, daß dem Heuwerthe nur ein ſehr be- dingter Werth zuzuerkennen iſt, nachdem es Thiere (Schwein) gibt, welche kein Heu verzehren und nachdem das Heu ſich durch andere, allein verabreichte Futtermittel, z. B. Kartoffel u. dgl., niemals vollſtändig erſetzen läßt. Die Bequemlichkeit mit einer Zahl zu rechnen, iſt jedoch die Veranlaſſung, daß noch heute viele Landwirthe dieſen unrichtigen Maßſtab bei ihren Futterdispoſitionen anwenden. Juſtus von Liebig (1848) zeigte den richtigen Weg, indem er den Werth der einzelnen Futterſtoffe nach der chemiſchen Zuſammenſetzung oder dem Nährſtoffgehalte ermittelte. Damit ging jedoch die einzige Zahl für den Nährwerth verloren. E. Wolff (1854) verſuchte daher nach dem Nährſtoffgehalte einen Heuwerth, den „chemiſchen Heuwerth“, Futteräquivalent, herauszurechnen. Ein Verfahren, das ſeither von Wolff ſelbſt aufgegeben wurde. Grouven war wieder der Erſte, welcher „der Fütterung nach chemiſchen Grundſätzen“ durch Auſſtellung von „Nährſtoffnormen“ für alle Arten und Altersſtufen der landwirthſchaftlichen Nutzthiere in der Praxis Eingang verſchaffte. In neuerer Zeit verließ man auch dieſen einſeitigen chemiſchen Standpunkt und zog neben der chemiſchen Analyſe auch noch die Reſultate von Fütterungsverſuchen mit und ohne Reſpirationsapparat in Betracht, bei welchen auch die phyſiologiſche Wirkung und die Verdaulichkeit der Futterſtoffe berückſichtigt wurden. In dieſer Richtung verdienen namentlich die Arbeiten an den ver- ſchiedenen landwirthſchaftlich-chemiſchen Verſuchsſtationen (1860 u. w.) hervorgehoben zu werden. Epochemachend in der Fütterungslehre waren die Unterſuchungen von Th. Biſchoff und Carl Voit (1860 u. ff.) mit dem Pettenkofer’ſchen Reſpirationsapparate in München und von Henneberg und Stohmann (1860 und 1863), welche eine ſichere Grundlage zur Erforſchung der Geſetze der Fleiſch- und Fettbildung und der Lehre von der Verdaulichkeit des Futters lieferten. So Vortreffliches auf dem Gebiete der Fütterungslehre bisher geleiſtet wurde, ſo bildet dieſelbe, wie aus Nachſtehendem hervorgehen wird, doch noch immer nicht ein abgeſchloſſenes Ganzes, wenn auch bereits eine ſichere Grundlage für weitere Fort- ſchritte gewonnen iſt. 1) Heinrich Wilhelm Pabſt, Lehrbuch der Landwirthſchaft, 6. Aufl., Wien 1866, Bd. II. S. 35 u. ff.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. [45]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/61>, abgerufen am 29.04.2024.