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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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I. Abschnitt. 1. Periode.
nun die Lection, welche sich bei richtiger Dressur unmittel-
bar auf die vorige basirt, so fehlt diese Basis und sie geht so
lange nicht, bis durch fortgesetzte Uebung wiederum das Thier
erkannt hat, was man nunmehr von ihm verlangt und es sich darin
gefunden hat. So besteht denn diese Art der Dressur aus einer
Menge neben einander stehenden den Thieren eingewöhnten Lec-
tionen, die allerdings durch fortwährende Wiederholung den Pfer-
den im Gedächtniss erhalten sein wollen. Die Pferde werden unter
gleichbleibenden Umständen, unter dem gewohnten Reiter, in der
stillen Bahn ihre Lectionen ganz gut aufsagen, aber ein unruhiger
Platz, ein anderer Reiter oder gar ein Paar Carrieren werfen das
ganze Gebäude systematischer Pudeldressur über den Haufen, jede
Abweichung vom Gewohnten ist die Wurst, welche auf das Hunde-
theater fliegt.

Den Herren, welche auf diese Art dressiren, ist natürlich
Alles zuwider, was das Temperament des Thieres weckt; sie nen-
nen Alles Juxen, was den süssen Schlummer, worin sie die Pferde
durch Langeweile einlullen, stört; die Carriere ist ihr Todfeind.
Diese Altmeister der Träumerzunft haben Langeweile und Gewohn-
heit zu ihren besten Gehülfen; leises Flüstern ist ihre Rede; Hülfs-
zügel jeder Art ihr geliebtes Werkzeug; der Zirkel in stiller Bahn
ihre Werkstatt; matter Trab und endloser Seitengang ihr täglich
endloses Werk; der schwunglose, humpelige kurze Galopp ihr Mei-
sterstück. Der Tag der Besichtigung nach tausendmal durchgerit-
tenem Küchenzettel ist ihr Triumph, das Einstellen der Remonten
in die Schwadron, die grüne Heide, ihr Verdruss, weil nun die wah-
ren Resultate ihrer Bemühung an den Tag treten. Es mögen sich
recht gute Thiere für ältere Herren, welche sich in der Bahn eine
harmlose Verdauungsmotion machen wollen, auf diese Art dressiren
lassen -- Soldatenpferde nicht. Noch weniger aber werden diese
Herren in den Mannschaften den kecken Reitermuth und die brau-
sende Lust erwecken, die dem Cavalleristen innewohnen muss.
Man sehe wie sie selbst reiten und wird dann ein Urtheil gewinnen,
was aus ihren Schülern wird.

Geht das Thier ruhig seinen Weg, so muss der Führer dem-
nächst versuchsweise das Thier loslassen, doch vorläufig neben her
gehen, bis es das Eingreifen in die Zügel nicht mehr bedarf, und
es ungestört seinen Weg fortsetzt. Der Longenführer wird sich

I. Abschnitt. 1. Periode.
nun die Lection, welche sich bei richtiger Dressur unmittel-
bar auf die vorige basirt, so fehlt diese Basis und sie geht so
lange nicht, bis durch fortgesetzte Uebung wiederum das Thier
erkannt hat, was man nunmehr von ihm verlangt und es sich darin
gefunden hat. So besteht denn diese Art der Dressur aus einer
Menge neben einander stehenden den Thieren eingewöhnten Lec-
tionen, die allerdings durch fortwährende Wiederholung den Pfer-
den im Gedächtniss erhalten sein wollen. Die Pferde werden unter
gleichbleibenden Umständen, unter dem gewohnten Reiter, in der
stillen Bahn ihre Lectionen ganz gut aufsagen, aber ein unruhiger
Platz, ein anderer Reiter oder gar ein Paar Carrièren werfen das
ganze Gebäude systematischer Pudeldressur über den Haufen, jede
Abweichung vom Gewohnten ist die Wurst, welche auf das Hunde-
theater fliegt.

Den Herren, welche auf diese Art dressiren, ist natürlich
Alles zuwider, was das Temperament des Thieres weckt; sie nen-
nen Alles Juxen, was den süssen Schlummer, worin sie die Pferde
durch Langeweile einlullen, stört; die Carrière ist ihr Todfeind.
Diese Altmeister der Träumerzunft haben Langeweile und Gewohn-
heit zu ihren besten Gehülfen; leises Flüstern ist ihre Rede; Hülfs-
zügel jeder Art ihr geliebtes Werkzeug; der Zirkel in stiller Bahn
ihre Werkstatt; matter Trab und endloser Seitengang ihr täglich
endloses Werk; der schwunglose, humpelige kurze Galopp ihr Mei-
sterstück. Der Tag der Besichtigung nach tausendmal durchgerit-
tenem Küchenzettel ist ihr Triumph, das Einstellen der Remonten
in die Schwadron, die grüne Heide, ihr Verdruss, weil nun die wah-
ren Resultate ihrer Bemühung an den Tag treten. Es mögen sich
recht gute Thiere für ältere Herren, welche sich in der Bahn eine
harmlose Verdauungsmotion machen wollen, auf diese Art dressiren
lassen — Soldatenpferde nicht. Noch weniger aber werden diese
Herren in den Mannschaften den kecken Reitermuth und die brau-
sende Lust erwecken, die dem Cavalleristen innewohnen muss.
Man sehe wie sie selbst reiten und wird dann ein Urtheil gewinnen,
was aus ihren Schülern wird.

Geht das Thier ruhig seinen Weg, so muss der Führer dem-
nächst versuchsweise das Thier loslassen, doch vorläufig neben her
gehen, bis es das Eingreifen in die Zügel nicht mehr bedarf, und
es ungestört seinen Weg fortsetzt. Der Longenführer wird sich

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[169/0191] I. Abschnitt. 1. Periode. nun die Lection, welche sich bei richtiger Dressur unmittel- bar auf die vorige basirt, so fehlt diese Basis und sie geht so lange nicht, bis durch fortgesetzte Uebung wiederum das Thier erkannt hat, was man nunmehr von ihm verlangt und es sich darin gefunden hat. So besteht denn diese Art der Dressur aus einer Menge neben einander stehenden den Thieren eingewöhnten Lec- tionen, die allerdings durch fortwährende Wiederholung den Pfer- den im Gedächtniss erhalten sein wollen. Die Pferde werden unter gleichbleibenden Umständen, unter dem gewohnten Reiter, in der stillen Bahn ihre Lectionen ganz gut aufsagen, aber ein unruhiger Platz, ein anderer Reiter oder gar ein Paar Carrièren werfen das ganze Gebäude systematischer Pudeldressur über den Haufen, jede Abweichung vom Gewohnten ist die Wurst, welche auf das Hunde- theater fliegt. Den Herren, welche auf diese Art dressiren, ist natürlich Alles zuwider, was das Temperament des Thieres weckt; sie nen- nen Alles Juxen, was den süssen Schlummer, worin sie die Pferde durch Langeweile einlullen, stört; die Carrière ist ihr Todfeind. Diese Altmeister der Träumerzunft haben Langeweile und Gewohn- heit zu ihren besten Gehülfen; leises Flüstern ist ihre Rede; Hülfs- zügel jeder Art ihr geliebtes Werkzeug; der Zirkel in stiller Bahn ihre Werkstatt; matter Trab und endloser Seitengang ihr täglich endloses Werk; der schwunglose, humpelige kurze Galopp ihr Mei- sterstück. Der Tag der Besichtigung nach tausendmal durchgerit- tenem Küchenzettel ist ihr Triumph, das Einstellen der Remonten in die Schwadron, die grüne Heide, ihr Verdruss, weil nun die wah- ren Resultate ihrer Bemühung an den Tag treten. Es mögen sich recht gute Thiere für ältere Herren, welche sich in der Bahn eine harmlose Verdauungsmotion machen wollen, auf diese Art dressiren lassen — Soldatenpferde nicht. Noch weniger aber werden diese Herren in den Mannschaften den kecken Reitermuth und die brau- sende Lust erwecken, die dem Cavalleristen innewohnen muss. Man sehe wie sie selbst reiten und wird dann ein Urtheil gewinnen, was aus ihren Schülern wird. Geht das Thier ruhig seinen Weg, so muss der Führer dem- nächst versuchsweise das Thier loslassen, doch vorläufig neben her gehen, bis es das Eingreifen in die Zügel nicht mehr bedarf, und es ungestört seinen Weg fortsetzt. Der Longenführer wird sich

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/191>, abgerufen am 07.05.2024.