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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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konnte, hatte Herr Ferdinand Friedrich Urban sich bereits
mit der größten Rücksicht auf seinen Zylinderhut durch die
Oeffnung gezwängt und mit einem Sprunge die Beete über¬
schritten. Dann verstieg er sich so weit, Johannes
Timpe die Hand entgegenzustrecken, die dieser erst ergriff, nachdem
er die seine mit der Schürze in Berührung gebracht hatte,
um sie reinlicher zu machen. Ueberhaupt merkte man ihm
an, wie außerordentlich geehrt er sich durch diesen Besuch
fühlte. Er lüftete mehrmals hinter einander die Mütze und
setzte sie schließlich in der Zerstreuung äußerst schief wieder
auf, so daß der Schirm über das eine Ohr ragte. Endlich
versuchte er doch einige zusammenhängende Worte hervor¬
zubringen, die der Ehre, welcher er durch diesen plötzlichen
Besuch theilhaftig wurde, Ausdruck verleihen sollten.

Herrn Ferdinand Friedrich Urban's lange und spitze
Nase schnüffelte eine Weile in der Luft herum, als wollte sie
die Atmosphäre dieses kleinen Handwerkerheims in sich auf¬
nehmen; die wasserblauen Augen glitten über die Brille
hinweg, nach rechts und links prüfend im Kreise herum, dann
sagte er, während die dürren Finger der rechten Hand eine
abwehrende Bewegung machten:

"Schon gut, schon gut, mein lieber Herr Timpe!"

Dabei klopfte er dem Meister auf die Schulter, wie es
Jemand zu thun pflegt, der einem Menschen seine Herab¬
lassung beweisen will. Dann fuhr er mit seiner hellen
Trompetenstimme, die sich wie die eines Knaben anhörte, fort
zu sprechen, die Sätze kurz hervorstoßend:

"Die ganze Geschichte dort drüben gehört jetzt mir. Sie
werden wohl schon davon gehört haben. . . . Frau Kirchberg
ist erst kürzlich meine Frau geworden. . Sie haben einmal

konnte, hatte Herr Ferdinand Friedrich Urban ſich bereits
mit der größten Rückſicht auf ſeinen Zylinderhut durch die
Oeffnung gezwängt und mit einem Sprunge die Beete über¬
ſchritten. Dann verſtieg er ſich ſo weit, Johannes
Timpe die Hand entgegenzuſtrecken, die dieſer erſt ergriff, nachdem
er die ſeine mit der Schürze in Berührung gebracht hatte,
um ſie reinlicher zu machen. Ueberhaupt merkte man ihm
an, wie außerordentlich geehrt er ſich durch dieſen Beſuch
fühlte. Er lüftete mehrmals hinter einander die Mütze und
ſetzte ſie ſchließlich in der Zerſtreuung äußerſt ſchief wieder
auf, ſo daß der Schirm über das eine Ohr ragte. Endlich
verſuchte er doch einige zuſammenhängende Worte hervor¬
zubringen, die der Ehre, welcher er durch dieſen plötzlichen
Beſuch theilhaftig wurde, Ausdruck verleihen ſollten.

Herrn Ferdinand Friedrich Urban's lange und ſpitze
Naſe ſchnüffelte eine Weile in der Luft herum, als wollte ſie
die Atmoſphäre dieſes kleinen Handwerkerheims in ſich auf¬
nehmen; die waſſerblauen Augen glitten über die Brille
hinweg, nach rechts und links prüfend im Kreiſe herum, dann
ſagte er, während die dürren Finger der rechten Hand eine
abwehrende Bewegung machten:

„Schon gut, ſchon gut, mein lieber Herr Timpe!“

Dabei klopfte er dem Meiſter auf die Schulter, wie es
Jemand zu thun pflegt, der einem Menſchen ſeine Herab¬
laſſung beweiſen will. Dann fuhr er mit ſeiner hellen
Trompetenſtimme, die ſich wie die eines Knaben anhörte, fort
zu ſprechen, die Sätze kurz hervorſtoßend:

„Die ganze Geſchichte dort drüben gehört jetzt mir. Sie
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[39/0051] konnte, hatte Herr Ferdinand Friedrich Urban ſich bereits mit der größten Rückſicht auf ſeinen Zylinderhut durch die Oeffnung gezwängt und mit einem Sprunge die Beete über¬ ſchritten. Dann verſtieg er ſich ſo weit, Johannes Timpe die Hand entgegenzuſtrecken, die dieſer erſt ergriff, nachdem er die ſeine mit der Schürze in Berührung gebracht hatte, um ſie reinlicher zu machen. Ueberhaupt merkte man ihm an, wie außerordentlich geehrt er ſich durch dieſen Beſuch fühlte. Er lüftete mehrmals hinter einander die Mütze und ſetzte ſie ſchließlich in der Zerſtreuung äußerſt ſchief wieder auf, ſo daß der Schirm über das eine Ohr ragte. Endlich verſuchte er doch einige zuſammenhängende Worte hervor¬ zubringen, die der Ehre, welcher er durch dieſen plötzlichen Beſuch theilhaftig wurde, Ausdruck verleihen ſollten. Herrn Ferdinand Friedrich Urban's lange und ſpitze Naſe ſchnüffelte eine Weile in der Luft herum, als wollte ſie die Atmoſphäre dieſes kleinen Handwerkerheims in ſich auf¬ nehmen; die waſſerblauen Augen glitten über die Brille hinweg, nach rechts und links prüfend im Kreiſe herum, dann ſagte er, während die dürren Finger der rechten Hand eine abwehrende Bewegung machten: „Schon gut, ſchon gut, mein lieber Herr Timpe!“ Dabei klopfte er dem Meiſter auf die Schulter, wie es Jemand zu thun pflegt, der einem Menſchen ſeine Herab¬ laſſung beweiſen will. Dann fuhr er mit ſeiner hellen Trompetenſtimme, die ſich wie die eines Knaben anhörte, fort zu ſprechen, die Sätze kurz hervorſtoßend: „Die ganze Geſchichte dort drüben gehört jetzt mir. Sie werden wohl ſchon davon gehört haben. . . . Frau Kirchberg iſt erſt kürzlich meine Frau geworden. . Sie haben einmal

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/51>, abgerufen am 29.04.2024.