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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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5. und 6. Klasse abwechselte, war ebenfalls ein tüchtiger Lehrer. Wir hätten ihn gerne nach Butters bekommen, allein wir kamen zu Fischer, jenem Gymnasialprofessor, dem Oskar von Redwitz in seinem Hermann Stark ein böses Denkmal gesetzt hat. Fischer, früher kath. Geistlicher und dann konvertirt, wie man sagte, um heirathen zu können, war als Philologe schwach, als Lehrer ungeschickt und bissig, schimpfte und moquierte sich gern bes. in den Nachmittagsstunden, vielleicht auch nach dem Genusse von Wein, und sah im deutschen Aufsatze weniger auf gediegenen Inhalt und richtige Darstellung als auf blühenden Stil; die Klasse merkte dies bald und bot ihm in den Aufsätzen mächtige Blumensträusse. Bei ihm wurde Demosthenes und Euripides gelesen, im Lateinischen Cicero und Horaz; die Lektüre des letzteren Dichters fesselte uns am meisten, da Fischer eine horazische Natur war. Fischer ging nicht mit uns in die Oberklasse, da die zweijährige Führung der Gymnasialklassen durch denselben Professor unterdessen abgeschafft war. Aber wir gewannen nichts bei dem Rektor Teller, der auch als Philologe schwach, als Lehrer ledern war. Es gelang ihm, uns den Cicero und Virgil, besonders den Plato und Sophokles zu verleiden und den Geschichtsunterricht zu einem Greuel zu machen, denn wir hatten das Lehrbuch wörtlich auswendig zu lernen. Die Nebenlehrer am Gymnasium waren: mein Vater im Religionsunterrichte, in welchem mein guter Vater zu viel sprach und uns zu wenig in Schrift und Bekenntnis einführte. Dann Professor Zäch für Mathematik; er förderte nur wenige Auserwählte und überliess den Rest sich selber. Professor Koch hatte den französischen Sprachunterricht, bei welchem weder Formen- noch Wortkenntnis, am wenigsten Konversationsfähigkeit herauskam. Den hebräischen Sprachunterricht ertheilte Prof. Krafft mit dem Erfolge, dass wir die hebräische Sprache für unlernbar hielten. Ich war in der Oberklasse der Preisträger in diesem Fache, kannte aber weder Verba noch Nomina, konnte auch nicht übersetzen. Den Gesangunterricht ertheilte Prof. Fischer, den Zeichenunterricht der Schwabe Veiel; in beiden Fächern kam ich durch natürliche Begabung voran. Im Turnen und Schwimmen leistete ich wenig. Meine Klassengenossen, von denen keiner eine Berühmtheit oder ein hervorragender Beamter wurde, waren meist stattliche junge Leute, durchschnittlich fleissig, verständig.

5. und 6. Klasse abwechselte, war ebenfalls ein tüchtiger Lehrer. Wir hätten ihn gerne nach Butters bekommen, allein wir kamen zu Fischer, jenem Gymnasialprofessor, dem Oskar von Redwitz in seinem Hermann Stark ein böses Denkmal gesetzt hat. Fischer, früher kath. Geistlicher und dann konvertirt, wie man sagte, um heirathen zu können, war als Philologe schwach, als Lehrer ungeschickt und bissig, schimpfte und moquierte sich gern bes. in den Nachmittagsstunden, vielleicht auch nach dem Genusse von Wein, und sah im deutschen Aufsatze weniger auf gediegenen Inhalt und richtige Darstellung als auf blühenden Stil; die Klasse merkte dies bald und bot ihm in den Aufsätzen mächtige Blumensträusse. Bei ihm wurde Demosthenes und Euripides gelesen, im Lateinischen Cicero und Horaz; die Lektüre des letzteren Dichters fesselte uns am meisten, da Fischer eine horazische Natur war. Fischer ging nicht mit uns in die Oberklasse, da die zweijährige Führung der Gymnasialklassen durch denselben Professor unterdessen abgeschafft war. Aber wir gewannen nichts bei dem Rektor Teller, der auch als Philologe schwach, als Lehrer ledern war. Es gelang ihm, uns den Cicero und Virgil, besonders den Plato und Sophokles zu verleiden und den Geschichtsunterricht zu einem Greuel zu machen, denn wir hatten das Lehrbuch wörtlich auswendig zu lernen. Die Nebenlehrer am Gymnasium waren: mein Vater im Religionsunterrichte, in welchem mein guter Vater zu viel sprach und uns zu wenig in Schrift und Bekenntnis einführte. Dann Professor Zäch für Mathematik; er förderte nur wenige Auserwählte und überliess den Rest sich selber. Professor Koch hatte den französischen Sprachunterricht, bei welchem weder Formen- noch Wortkenntnis, am wenigsten Konversationsfähigkeit herauskam. Den hebräischen Sprachunterricht ertheilte Prof. Krafft mit dem Erfolge, dass wir die hebräische Sprache für unlernbar hielten. Ich war in der Oberklasse der Preisträger in diesem Fache, kannte aber weder Verba noch Nomina, konnte auch nicht übersetzen. Den Gesangunterricht ertheilte Prof. Fischer, den Zeichenunterricht der Schwabe Veiel; in beiden Fächern kam ich durch natürliche Begabung voran. Im Turnen und Schwimmen leistete ich wenig. Meine Klassengenossen, von denen keiner eine Berühmtheit oder ein hervorragender Beamter wurde, waren meist stattliche junge Leute, durchschnittlich fleissig, verständig.

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5. und 6. Klasse abwechselte, war ebenfalls ein tüchtiger Lehrer. Wir hätten ihn gerne nach Butters bekommen, allein wir kamen zu Fischer, jenem Gymnasialprofessor, dem Oskar von Redwitz in seinem Hermann Stark ein böses Denkmal gesetzt hat. Fischer, früher kath. Geistlicher und dann konvertirt, wie man sagte, um heirathen zu können, war als Philologe schwach, als Lehrer ungeschickt und bissig, schimpfte und moquierte sich gern bes. in den Nachmittagsstunden, vielleicht auch nach dem Genusse von Wein, und sah im deutschen Aufsatze weniger auf gediegenen Inhalt und richtige Darstellung als auf blühenden Stil; die Klasse merkte dies bald und bot ihm in den Aufsätzen mächtige Blumensträusse. Bei ihm wurde Demosthenes und Euripides gelesen, im Lateinischen Cicero und Horaz; die Lektüre des letzteren Dichters fesselte uns am meisten, da Fischer eine horazische Natur war. Fischer ging nicht mit uns in die Oberklasse, da die zweijährige Führung der Gymnasialklassen durch denselben Professor unterdessen abgeschafft war. Aber wir gewannen nichts bei dem Rektor Teller, der auch als Philologe schwach, als Lehrer ledern war. Es gelang ihm, uns den Cicero und Virgil, besonders den Plato und Sophokles zu verleiden und den Geschichtsunterricht zu einem Greuel zu machen, denn wir hatten das Lehrbuch wörtlich auswendig zu lernen. Die Nebenlehrer am Gymnasium waren: mein Vater im Religionsunterrichte, in welchem mein guter Vater zu viel sprach und uns zu wenig in Schrift und Bekenntnis einführte. Dann Professor Zäch für Mathematik; er förderte nur wenige Auserwählte und überliess den Rest sich selber. Professor Koch hatte den französischen Sprachunterricht, bei welchem weder Formen- noch Wortkenntnis, am wenigsten Konversationsfähigkeit herauskam. Den hebräischen Sprachunterricht ertheilte Prof. Krafft mit dem Erfolge, dass wir die hebräische Sprache für unlernbar hielten. Ich war in der Oberklasse der Preisträger in diesem Fache, kannte aber weder Verba noch Nomina, konnte auch nicht übersetzen. Den Gesangunterricht ertheilte Prof. Fischer, den Zeichenunterricht der Schwabe Veiel; in beiden Fächern kam ich durch natürliche Begabung voran. Im Turnen und Schwimmen leistete ich wenig. Meine Klassengenossen, von denen keiner eine Berühmtheit oder ein hervorragender Beamter wurde, waren meist stattliche junge Leute, durchschnittlich fleissig, verständig.
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[22/0022] 5. und 6. Klasse abwechselte, war ebenfalls ein tüchtiger Lehrer. Wir hätten ihn gerne nach Butters bekommen, allein wir kamen zu Fischer, jenem Gymnasialprofessor, dem Oskar von Redwitz in seinem Hermann Stark ein böses Denkmal gesetzt hat. Fischer, früher kath. Geistlicher und dann konvertirt, wie man sagte, um heirathen zu können, war als Philologe schwach, als Lehrer ungeschickt und bissig, schimpfte und moquierte sich gern bes. in den Nachmittagsstunden, vielleicht auch nach dem Genusse von Wein, und sah im deutschen Aufsatze weniger auf gediegenen Inhalt und richtige Darstellung als auf blühenden Stil; die Klasse merkte dies bald und bot ihm in den Aufsätzen mächtige Blumensträusse. Bei ihm wurde Demosthenes und Euripides gelesen, im Lateinischen Cicero und Horaz; die Lektüre des letzteren Dichters fesselte uns am meisten, da Fischer eine horazische Natur war. Fischer ging nicht mit uns in die Oberklasse, da die zweijährige Führung der Gymnasialklassen durch denselben Professor unterdessen abgeschafft war. Aber wir gewannen nichts bei dem Rektor Teller, der auch als Philologe schwach, als Lehrer ledern war. Es gelang ihm, uns den Cicero und Virgil, besonders den Plato und Sophokles zu verleiden und den Geschichtsunterricht zu einem Greuel zu machen, denn wir hatten das Lehrbuch wörtlich auswendig zu lernen. Die Nebenlehrer am Gymnasium waren: mein Vater im Religionsunterrichte, in welchem mein guter Vater zu viel sprach und uns zu wenig in Schrift und Bekenntnis einführte. Dann Professor Zäch für Mathematik; er förderte nur wenige Auserwählte und überliess den Rest sich selber. Professor Koch hatte den französischen Sprachunterricht, bei welchem weder Formen- noch Wortkenntnis, am wenigsten Konversationsfähigkeit herauskam. Den hebräischen Sprachunterricht ertheilte Prof. Krafft mit dem Erfolge, dass wir die hebräische Sprache für unlernbar hielten. Ich war in der Oberklasse der Preisträger in diesem Fache, kannte aber weder Verba noch Nomina, konnte auch nicht übersetzen. Den Gesangunterricht ertheilte Prof. Fischer, den Zeichenunterricht der Schwabe Veiel; in beiden Fächern kam ich durch natürliche Begabung voran. Im Turnen und Schwimmen leistete ich wenig. Meine Klassengenossen, von denen keiner eine Berühmtheit oder ein hervorragender Beamter wurde, waren meist stattliche junge Leute, durchschnittlich fleissig, verständig.

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/22>, abgerufen am 27.04.2024.