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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
Mit einem Worte, ich will von der Wünschelruthe reden.
Bey Erblickung dieses Worts werden alle diejenigen, welche
wissen, was eine Wünschelruthe ist, das, was ich sa-
gen will, schon vorher beurtheilen. Einige werden sich
einbilden hier eine tiefsinnige Erklärung von den Wirkun-
gen dieses Geheimnißvollen Instrumentes anzutreffen;
andere aber werden glauben, daß ich mich blos darüber
lustig machen, der Einfalt und des Aberglaubens spotten,
und das Schlagen der Wünschelruthe vor eine blose Fa-
bel halten werde. Doch sie werden sich beyde betrügen.
Denn habe ich oben nicht selber gesagt: man müsse in Anse-
hung der gebildeten Steine weder ein physicalischer Atheist
noch Quacker seyn. Und so ist es gerade auch mit der
Wünschelruthe beschaffen. Unter einen gewissen Zeichen
gebohren seyn; am Johannestage zwischen 11. und 12.
Uhren des Mittags ein Stück von einer Haselstaude ab-
schneiden, drey Worte darzu sprechen, und denn glauben,
daß man eine Maschiene habe, dadurch man verborgene
Metalle entdecken könne, ist ein Experiment von der Art,
welches ich niemals angestellt habe, und auch niemals ma-
chen werde. Es muß freylich meine angebohrne Einfallt
schuld daran seyn, welche macht, daß mir viele Sachen
ganz unbegreiflich vorkommen, welche von andern Men-
schen vor Sonnenklar gehalten werden. Ich würde mich
ohnfehlbar sehr darüber betrübt haben: wenn mir meine
Eigenliebe nicht eingegeben hätte, daß ich auch einige wenige
Sachen wüste, welche vielen andern Menschen ebenfalls
unbegreiflich zu seyn scheinen. Doch muß ich gestehen,
daß die Anzahl derselben der in dem menschlichen Leben ge-
wöhnlichen bey weiten nicht beykomme. Da ich aber nie-
mals eine Sache blos darum läugne, weil ich nicht weiß,
wie es damit zugehe; sondern es nur alsdenn thue, wenn
sie andern schon ausgemachten Wahrheit widerspricht, so
habe ich mir aller abergläubischen Ceremonien ohngeachtet:
die Mühe genommen, mit der Wünschelruthe eine Probe

an-

Geſchichte der Erde
Mit einem Worte, ich will von der Wuͤnſchelruthe reden.
Bey Erblickung dieſes Worts werden alle diejenigen, welche
wiſſen, was eine Wuͤnſchelruthe iſt, das, was ich ſa-
gen will, ſchon vorher beurtheilen. Einige werden ſich
einbilden hier eine tiefſinnige Erklaͤrung von den Wirkun-
gen dieſes Geheimnißvollen Inſtrumentes anzutreffen;
andere aber werden glauben, daß ich mich blos daruͤber
luſtig machen, der Einfalt und des Aberglaubens ſpotten,
und das Schlagen der Wuͤnſchelruthe vor eine bloſe Fa-
bel halten werde. Doch ſie werden ſich beyde betruͤgen.
Denn habe ich oben nicht ſelber geſagt: man muͤſſe in Anſe-
hung der gebildeten Steine weder ein phyſicaliſcher Atheiſt
noch Quacker ſeyn. Und ſo iſt es gerade auch mit der
Wuͤnſchelruthe beſchaffen. Unter einen gewiſſen Zeichen
gebohren ſeyn; am Johannestage zwiſchen 11. und 12.
Uhren des Mittags ein Stuͤck von einer Haſelſtaude ab-
ſchneiden, drey Worte darzu ſprechen, und denn glauben,
daß man eine Maſchiene habe, dadurch man verborgene
Metalle entdecken koͤnne, iſt ein Experiment von der Art,
welches ich niemals angeſtellt habe, und auch niemals ma-
chen werde. Es muß freylich meine angebohrne Einfallt
ſchuld daran ſeyn, welche macht, daß mir viele Sachen
ganz unbegreiflich vorkommen, welche von andern Men-
ſchen vor Sonnenklar gehalten werden. Ich wuͤrde mich
ohnfehlbar ſehr daruͤber betruͤbt haben: wenn mir meine
Eigenliebe nicht eingegeben haͤtte, daß ich auch einige wenige
Sachen wuͤſte, welche vielen andern Menſchen ebenfalls
unbegreiflich zu ſeyn ſcheinen. Doch muß ich geſtehen,
daß die Anzahl derſelben der in dem menſchlichen Leben ge-
woͤhnlichen bey weiten nicht beykomme. Da ich aber nie-
mals eine Sache blos darum laͤugne, weil ich nicht weiß,
wie es damit zugehe; ſondern es nur alsdenn thue, wenn
ſie andern ſchon ausgemachten Wahrheit widerſpricht, ſo
habe ich mir aller aberglaͤubiſchen Ceremonien ohngeachtet:
die Muͤhe genommen, mit der Wuͤnſchelruthe eine Probe

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[100/0114] Geſchichte der Erde Mit einem Worte, ich will von der Wuͤnſchelruthe reden. Bey Erblickung dieſes Worts werden alle diejenigen, welche wiſſen, was eine Wuͤnſchelruthe iſt, das, was ich ſa- gen will, ſchon vorher beurtheilen. Einige werden ſich einbilden hier eine tiefſinnige Erklaͤrung von den Wirkun- gen dieſes Geheimnißvollen Inſtrumentes anzutreffen; andere aber werden glauben, daß ich mich blos daruͤber luſtig machen, der Einfalt und des Aberglaubens ſpotten, und das Schlagen der Wuͤnſchelruthe vor eine bloſe Fa- bel halten werde. Doch ſie werden ſich beyde betruͤgen. Denn habe ich oben nicht ſelber geſagt: man muͤſſe in Anſe- hung der gebildeten Steine weder ein phyſicaliſcher Atheiſt noch Quacker ſeyn. Und ſo iſt es gerade auch mit der Wuͤnſchelruthe beſchaffen. Unter einen gewiſſen Zeichen gebohren ſeyn; am Johannestage zwiſchen 11. und 12. Uhren des Mittags ein Stuͤck von einer Haſelſtaude ab- ſchneiden, drey Worte darzu ſprechen, und denn glauben, daß man eine Maſchiene habe, dadurch man verborgene Metalle entdecken koͤnne, iſt ein Experiment von der Art, welches ich niemals angeſtellt habe, und auch niemals ma- chen werde. Es muß freylich meine angebohrne Einfallt ſchuld daran ſeyn, welche macht, daß mir viele Sachen ganz unbegreiflich vorkommen, welche von andern Men- ſchen vor Sonnenklar gehalten werden. Ich wuͤrde mich ohnfehlbar ſehr daruͤber betruͤbt haben: wenn mir meine Eigenliebe nicht eingegeben haͤtte, daß ich auch einige wenige Sachen wuͤſte, welche vielen andern Menſchen ebenfalls unbegreiflich zu ſeyn ſcheinen. Doch muß ich geſtehen, daß die Anzahl derſelben der in dem menſchlichen Leben ge- woͤhnlichen bey weiten nicht beykomme. Da ich aber nie- mals eine Sache blos darum laͤugne, weil ich nicht weiß, wie es damit zugehe; ſondern es nur alsdenn thue, wenn ſie andern ſchon ausgemachten Wahrheit widerſpricht, ſo habe ich mir aller aberglaͤubiſchen Ceremonien ohngeachtet: die Muͤhe genommen, mit der Wuͤnſchelruthe eine Probe an-

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/114>, abgerufen am 29.04.2024.