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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
hielt mit ihren Newton, den sie bey nahe vergöttert ha-
ben davor: daß der Diameter des Aequators nothwendig
grösser, als der Diameter der Pole seyn müsse. Schie-
ne hier also nicht die Vernunft der Erfahrung zu wider-
sprechen? Und wenn dieses angehen sollte, wer würde es
wohl ins künftige wagen ein Weltweiser zu werden? Viel-
leicht hätte man sich noch lange darüber gestritten, wenn
nicht die Academie der Wissenschaften zu Paris im Jahre
1736. den rühmlichen Schluß gefast hätte um die Sache
zu entscheiden, so wohl die Grade des Mittagscirkels un-
ter dem Aequator, als unter den Polarcirkel messen zu las-
sen. Es wurden also die geschicktesten Mathematici, so-
wohl unter die Linie, als nach den Nordpole geschickt. Die
letztern befanden sich unter der Direction eines der größ-
ten Gelehrten. Denn ihr Führer war

Der kluge Maupertuis, der Phönix unsrer Zeit,
Der seinen muntern Flug nach Preussens Sonne
lenket,
Der Süd, West, Nord und Ost in Grenzen
eingeschränket;
Und keinen strengen Frost des kalten Laplands
scheut,
Der unsern Erdenball aufs richtigste beschrieben
Der Friedrichs Gnade hat den alle Musen lieben.

Dieser grosse Mann hatte nach erstaunlichen Beschwer-
lichkeiten, welche in einen so rauhen Lande zu überstehen,
waren endlich gefunden: daß nach der alleracuratesten
Ausmessung ein Grad des Mittagscirkels unter den Po-
larcirkel grösser sey, als ein Grad des Mittagscirkels zwi-
schen Paris und Amiens. Woraus der ohnfehlbare
Schluß gemacht werden kan: daß die Erde unter den
Polen niedergedrückt, und gegen den Aequator erhaben
seyn müsse. Nach der Zeit haben die Mathematicker, wel-

che

Geſchichte der Erde
hielt mit ihren Newton, den ſie bey nahe vergoͤttert ha-
ben davor: daß der Diameter des Aequators nothwendig
groͤſſer, als der Diameter der Pole ſeyn muͤſſe. Schie-
ne hier alſo nicht die Vernunft der Erfahrung zu wider-
ſprechen? Und wenn dieſes angehen ſollte, wer wuͤrde es
wohl ins kuͤnftige wagen ein Weltweiſer zu werden? Viel-
leicht haͤtte man ſich noch lange daruͤber geſtritten, wenn
nicht die Academie der Wiſſenſchaften zu Paris im Jahre
1736. den ruͤhmlichen Schluß gefaſt haͤtte um die Sache
zu entſcheiden, ſo wohl die Grade des Mittagscirkels un-
ter dem Aequator, als unter den Polarcirkel meſſen zu laſ-
ſen. Es wurden alſo die geſchickteſten Mathematici, ſo-
wohl unter die Linie, als nach den Nordpole geſchickt. Die
letztern befanden ſich unter der Direction eines der groͤß-
ten Gelehrten. Denn ihr Fuͤhrer war

Der kluge Maupertuis, der Phoͤnix unſrer Zeit,
Der ſeinen muntern Flug nach Preuſſens Sonne
lenket,
Der Suͤd, Weſt, Nord und Oſt in Grenzen
eingeſchraͤnket;
Und keinen ſtrengen Froſt des kalten Laplands
ſcheut,
Der unſern Erdenball aufs richtigſte beſchrieben
Der Friedrichs Gnade hat den alle Muſen lieben.

Dieſer groſſe Mann hatte nach erſtaunlichen Beſchwer-
lichkeiten, welche in einen ſo rauhen Lande zu uͤberſtehen,
waren endlich gefunden: daß nach der alleracurateſten
Ausmeſſung ein Grad des Mittagscirkels unter den Po-
larcirkel groͤſſer ſey, als ein Grad des Mittagscirkels zwi-
ſchen Paris und Amiens. Woraus der ohnfehlbare
Schluß gemacht werden kan: daß die Erde unter den
Polen niedergedruͤckt, und gegen den Aequator erhaben
ſeyn muͤſſe. Nach der Zeit haben die Mathematicker, wel-

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[114/0128] Geſchichte der Erde hielt mit ihren Newton, den ſie bey nahe vergoͤttert ha- ben davor: daß der Diameter des Aequators nothwendig groͤſſer, als der Diameter der Pole ſeyn muͤſſe. Schie- ne hier alſo nicht die Vernunft der Erfahrung zu wider- ſprechen? Und wenn dieſes angehen ſollte, wer wuͤrde es wohl ins kuͤnftige wagen ein Weltweiſer zu werden? Viel- leicht haͤtte man ſich noch lange daruͤber geſtritten, wenn nicht die Academie der Wiſſenſchaften zu Paris im Jahre 1736. den ruͤhmlichen Schluß gefaſt haͤtte um die Sache zu entſcheiden, ſo wohl die Grade des Mittagscirkels un- ter dem Aequator, als unter den Polarcirkel meſſen zu laſ- ſen. Es wurden alſo die geſchickteſten Mathematici, ſo- wohl unter die Linie, als nach den Nordpole geſchickt. Die letztern befanden ſich unter der Direction eines der groͤß- ten Gelehrten. Denn ihr Fuͤhrer war Der kluge Maupertuis, der Phoͤnix unſrer Zeit, Der ſeinen muntern Flug nach Preuſſens Sonne lenket, Der Suͤd, Weſt, Nord und Oſt in Grenzen eingeſchraͤnket; Und keinen ſtrengen Froſt des kalten Laplands ſcheut, Der unſern Erdenball aufs richtigſte beſchrieben Der Friedrichs Gnade hat den alle Muſen lieben. Dieſer groſſe Mann hatte nach erſtaunlichen Beſchwer- lichkeiten, welche in einen ſo rauhen Lande zu uͤberſtehen, waren endlich gefunden: daß nach der alleracurateſten Ausmeſſung ein Grad des Mittagscirkels unter den Po- larcirkel groͤſſer ſey, als ein Grad des Mittagscirkels zwi- ſchen Paris und Amiens. Woraus der ohnfehlbare Schluß gemacht werden kan: daß die Erde unter den Polen niedergedruͤckt, und gegen den Aequator erhaben ſeyn muͤſſe. Nach der Zeit haben die Mathematicker, wel- che

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/128>, abgerufen am 29.04.2024.