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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
lehre begreiflich zu machen gesucht. Seine Meinung ist
nicht nur in Engelland mit vielen Beyfall aufgenommen
worden, sondern hat auch ausser dem Herrn Dethlev
Cluver
an den fleißigen und geschickten Herrn Heynen
einen recht eifrigen Vertheidiger gefunden. Man glaubt
von dieser Whistonischen Theorie, daß sie unter allen übri-
gen mit den Worten der Schrift auf das genaueste über-
einkomme, welches in der That zu verwundern ist, da ihr
Verfasser das Unglück hat, unter die Ketzer gezehlt zu
werden, ja diese vermeinte grosse Uebereinstimmung der
Schrift mit der Meinung unseres Engelländers macht,
daß ich besorge, man werde ihr mehr Gewißheit beylegen,
und sie weiter zu treiben suchen, als Whiston selber ge-
than haben würde. Denn die Gedanken der Menschen
sind wie das Geld, welches nicht allemal vollwichtig ist,
doch aber darum nicht weggeworfen, sondern nur um so
viel geringer geschätzt wird, als ihm an der völligen
Schwere fehlt. Die Vernunft muß alles dieses beurthei-
len, und wenn ich sie abmahlen sollte, so würde ich ihr
eine Goldwage in die Hand geben, um den rechten Werth
derer Dinge zu erkennen, um das gewisse das mehr oder
weniger wahrscheinliche, das ungewisse, zweifelhafte un-
wahrscheinliche und falsche jederzeit von einander zu unter-
scheiden. Es ist wahr, es hat unser Whiston seinen
sinnreichen Einfall mit vieler Gelehrsamkeit vorgetragen,
aber es gehört ein starker Glaube dazu, daß Moses, in-
dem er uns die Schöpfung und Sündfluth beschreibet,
an des Herrn Whistons Cometenlehre sollte gedacht
haben, ich glaube, daß man eine gute Absicht dabey ha-
be, wenn man, um überflüssige Wunderwerke zu ver-
meiden, darauf bedacht ist, einige Stellen der Schrift
aus natürlichen Ursachen begreiflich zu machen, aber man
erhält seinen Zweck nicht, wenn man seichte Gründe und
leichte Gedankenspiele darzu erwählet. Mein Zweck ist
nichts weniger, als in diesen Blättern eine Auslegung

der

Geſchichte der Erde
lehre begreiflich zu machen geſucht. Seine Meinung iſt
nicht nur in Engelland mit vielen Beyfall aufgenommen
worden, ſondern hat auch auſſer dem Herrn Dethlev
Cluver
an den fleißigen und geſchickten Herrn Heynen
einen recht eifrigen Vertheidiger gefunden. Man glaubt
von dieſer Whiſtoniſchen Theorie, daß ſie unter allen uͤbri-
gen mit den Worten der Schrift auf das genaueſte uͤber-
einkomme, welches in der That zu verwundern iſt, da ihr
Verfaſſer das Ungluͤck hat, unter die Ketzer gezehlt zu
werden, ja dieſe vermeinte groſſe Uebereinſtimmung der
Schrift mit der Meinung unſeres Engellaͤnders macht,
daß ich beſorge, man werde ihr mehr Gewißheit beylegen,
und ſie weiter zu treiben ſuchen, als Whiſton ſelber ge-
than haben wuͤrde. Denn die Gedanken der Menſchen
ſind wie das Geld, welches nicht allemal vollwichtig iſt,
doch aber darum nicht weggeworfen, ſondern nur um ſo
viel geringer geſchaͤtzt wird, als ihm an der voͤlligen
Schwere fehlt. Die Vernunft muß alles dieſes beurthei-
len, und wenn ich ſie abmahlen ſollte, ſo wuͤrde ich ihr
eine Goldwage in die Hand geben, um den rechten Werth
derer Dinge zu erkennen, um das gewiſſe das mehr oder
weniger wahrſcheinliche, das ungewiſſe, zweifelhafte un-
wahrſcheinliche und falſche jederzeit von einander zu unter-
ſcheiden. Es iſt wahr, es hat unſer Whiſton ſeinen
ſinnreichen Einfall mit vieler Gelehrſamkeit vorgetragen,
aber es gehoͤrt ein ſtarker Glaube dazu, daß Moſes, in-
dem er uns die Schoͤpfung und Suͤndfluth beſchreibet,
an des Herrn Whiſtons Cometenlehre ſollte gedacht
haben, ich glaube, daß man eine gute Abſicht dabey ha-
be, wenn man, um uͤberfluͤſſige Wunderwerke zu ver-
meiden, darauf bedacht iſt, einige Stellen der Schrift
aus natuͤrlichen Urſachen begreiflich zu machen, aber man
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[44/0052] Geſchichte der Erde lehre begreiflich zu machen geſucht. Seine Meinung iſt nicht nur in Engelland mit vielen Beyfall aufgenommen worden, ſondern hat auch auſſer dem Herrn Dethlev Cluver an den fleißigen und geſchickten Herrn Heynen einen recht eifrigen Vertheidiger gefunden. Man glaubt von dieſer Whiſtoniſchen Theorie, daß ſie unter allen uͤbri- gen mit den Worten der Schrift auf das genaueſte uͤber- einkomme, welches in der That zu verwundern iſt, da ihr Verfaſſer das Ungluͤck hat, unter die Ketzer gezehlt zu werden, ja dieſe vermeinte groſſe Uebereinſtimmung der Schrift mit der Meinung unſeres Engellaͤnders macht, daß ich beſorge, man werde ihr mehr Gewißheit beylegen, und ſie weiter zu treiben ſuchen, als Whiſton ſelber ge- than haben wuͤrde. Denn die Gedanken der Menſchen ſind wie das Geld, welches nicht allemal vollwichtig iſt, doch aber darum nicht weggeworfen, ſondern nur um ſo viel geringer geſchaͤtzt wird, als ihm an der voͤlligen Schwere fehlt. Die Vernunft muß alles dieſes beurthei- len, und wenn ich ſie abmahlen ſollte, ſo wuͤrde ich ihr eine Goldwage in die Hand geben, um den rechten Werth derer Dinge zu erkennen, um das gewiſſe das mehr oder weniger wahrſcheinliche, das ungewiſſe, zweifelhafte un- wahrſcheinliche und falſche jederzeit von einander zu unter- ſcheiden. Es iſt wahr, es hat unſer Whiſton ſeinen ſinnreichen Einfall mit vieler Gelehrſamkeit vorgetragen, aber es gehoͤrt ein ſtarker Glaube dazu, daß Moſes, in- dem er uns die Schoͤpfung und Suͤndfluth beſchreibet, an des Herrn Whiſtons Cometenlehre ſollte gedacht haben, ich glaube, daß man eine gute Abſicht dabey ha- be, wenn man, um uͤberfluͤſſige Wunderwerke zu ver- meiden, darauf bedacht iſt, einige Stellen der Schrift aus natuͤrlichen Urſachen begreiflich zu machen, aber man erhaͤlt ſeinen Zweck nicht, wenn man ſeichte Gruͤnde und leichte Gedankenſpiele darzu erwaͤhlet. Mein Zweck iſt nichts weniger, als in dieſen Blaͤttern eine Auslegung der

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/52>, abgerufen am 30.04.2024.