Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

deutscher Abstammung denn doch noch ihre Blumensträuße vor der
Brust trügen; -- irische und amerikanische nicht. Dieser deutsche Na¬
turzug lebte wenigstens fort. Das gefiel mir wieder.

Da die Nächte schon länger werden, so vertrieben wir uns die Zeit
-- Doctor Althof und ich -- gelegentlich wieder mit Tanzen. Dabei
passirte es einmal, daß ein junger, baumlanger Pennsylvania-Deutscher
mit einem besonderen elan in die Höhe sprang, und auf Einen Ruck
die zwei Neger sammt ihren Sesseln aus den Angeln hob. Der Arme
stürzte mit blutendem Kopfe zu Boden, die zwei Neger über ihn her,
die ganze Tanzkette, die sich im Schwung nicht mehr zu halten ver¬
mochte, über die Neger, und im Nu lagen wir Alle, wie die ehrsamen
Lallenburger, aber nicht sehr ehrsam, in einem unentwirrbaren Knäuel
durcheinander. Es wollte was sagen, bis Jeder und Jede aus dem
verworrenen Inventar von Beinen das ihm zuständige Paar wieder
herausgefunden; auch will ich gar nicht leugnen, das manche Täuschung
nicht absichtlich festgehalten wurde. Der Tanzlust that dies kleine
Intermezzo freilich wenig Eintrag. Nur meine Toilette kam übel
dabei weg; namentlich hatte mir ein rüstiger Tabakkauer bei dieser
Gelegenheit einen Cotillonorden an die Brust gespuckt, dessen Spuren
weniger zu vertilgen waren, als die Blutflecken der Lady Macbeth.
Mit dieser Decoration und einigen ähnlichen vermied ich denn für den
Rest der Nacht die "Gesellschaft". --

Am Morgen sah das Frolic nun traurig aus. Oder vielmehr ab¬
scheulich. Wie rings herum in allen Lagen und Zuständen des mensch¬
lichen Körpers "die Bestialität sich gar herrlich kund gab", -- laß
mich davon schweigen. Wahrlich, verdorbene Magen bedurften keines
weitern Vomitivs, als sich einander nur selbst anzusehen. So sattelte
ich, um ein amerikanisches Sittenbildchen reicher, meinen Cäsar, ließ
das besoffene und stinkende Arkadien hinter mir und trabte mit sehr
gemischten Gefühlen wieder heimwärts.


Du kennst gewiß auch den Ruf der Kentuckyer, der Männer "vom
blutigen Grunde"? Sie sind als die par excellence berühmt,
sie sind der physische Adel Nordamerika's. Diese Nimrods-Ideale in
ihrer Urpracht zu schauen, nahm ich mir lange schon einen Ausflug

deutſcher Abſtammung denn doch noch ihre Blumenſträuße vor der
Bruſt trügen; — iriſche und amerikaniſche nicht. Dieſer deutſche Na¬
turzug lebte wenigſtens fort. Das gefiel mir wieder.

Da die Nächte ſchon länger werden, ſo vertrieben wir uns die Zeit
— Doctor Althof und ich — gelegentlich wieder mit Tanzen. Dabei
paſſirte es einmal, daß ein junger, baumlanger Pennſylvania-Deutſcher
mit einem beſonderen élan in die Höhe ſprang, und auf Einen Ruck
die zwei Neger ſammt ihren Seſſeln aus den Angeln hob. Der Arme
ſtürzte mit blutendem Kopfe zu Boden, die zwei Neger über ihn her,
die ganze Tanzkette, die ſich im Schwung nicht mehr zu halten ver¬
mochte, über die Neger, und im Nu lagen wir Alle, wie die ehrſamen
Lallenburger, aber nicht ſehr ehrſam, in einem unentwirrbaren Knäuel
durcheinander. Es wollte was ſagen, bis Jeder und Jede aus dem
verworrenen Inventar von Beinen das ihm zuſtändige Paar wieder
herausgefunden; auch will ich gar nicht leugnen, das manche Täuſchung
nicht abſichtlich feſtgehalten wurde. Der Tanzluſt that dies kleine
Intermezzo freilich wenig Eintrag. Nur meine Toilette kam übel
dabei weg; namentlich hatte mir ein rüſtiger Tabakkauer bei dieſer
Gelegenheit einen Cotillonorden an die Bruſt geſpuckt, deſſen Spuren
weniger zu vertilgen waren, als die Blutflecken der Lady Macbeth.
Mit dieſer Decoration und einigen ähnlichen vermied ich denn für den
Reſt der Nacht die „Geſellſchaft“. —

Am Morgen ſah das Frolic nun traurig aus. Oder vielmehr ab¬
ſcheulich. Wie rings herum in allen Lagen und Zuſtänden des menſch¬
lichen Körpers „die Beſtialität ſich gar herrlich kund gab“, — laß
mich davon ſchweigen. Wahrlich, verdorbene Magen bedurften keines
weitern Vomitivs, als ſich einander nur ſelbſt anzuſehen. So ſattelte
ich, um ein amerikaniſches Sittenbildchen reicher, meinen Cäſar, ließ
das beſoffene und ſtinkende Arkadien hinter mir und trabte mit ſehr
gemiſchten Gefühlen wieder heimwärts.


Du kennſt gewiß auch den Ruf der Kentuckyer, der Männer „vom
blutigen Grunde“? Sie ſind als die par excellence berühmt,
ſie ſind der phyſiſche Adel Nordamerika's. Dieſe Nimrods-Ideale in
ihrer Urpracht zu ſchauen, nahm ich mir lange ſchon einen Ausflug

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0383" n="365"/>
deut&#x017F;cher Ab&#x017F;tammung denn doch noch ihre Blumen&#x017F;träuße vor der<lb/>
Bru&#x017F;t trügen; &#x2014; iri&#x017F;che und amerikani&#x017F;che nicht. Die&#x017F;er deut&#x017F;che Na¬<lb/>
turzug lebte wenig&#x017F;tens fort. Das gefiel mir wieder.</p><lb/>
          <p>Da die Nächte &#x017F;chon länger werden, &#x017F;o vertrieben wir uns die Zeit<lb/>
&#x2014; Doctor Althof und ich &#x2014; gelegentlich wieder mit Tanzen. Dabei<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;irte es einmal, daß ein junger, baumlanger Penn&#x017F;ylvania-Deut&#x017F;cher<lb/>
mit einem be&#x017F;onderen <hi rendition="#aq">élan</hi> in die Höhe &#x017F;prang, und auf <hi rendition="#g">Einen</hi> Ruck<lb/>
die zwei Neger &#x017F;ammt ihren Se&#x017F;&#x017F;eln aus den Angeln hob. Der Arme<lb/>
&#x017F;türzte mit blutendem Kopfe zu Boden, die zwei Neger über ihn her,<lb/>
die ganze Tanzkette, die &#x017F;ich im Schwung nicht mehr zu halten ver¬<lb/>
mochte, über die Neger, und im Nu lagen wir Alle, wie die ehr&#x017F;amen<lb/>
Lallenburger, aber nicht &#x017F;ehr ehr&#x017F;am, in einem unentwirrbaren Knäuel<lb/>
durcheinander. Es wollte was &#x017F;agen, bis Jeder und Jede aus dem<lb/>
verworrenen Inventar von Beinen das ihm zu&#x017F;tändige Paar wieder<lb/>
herausgefunden; auch will ich gar nicht leugnen, das manche Täu&#x017F;chung<lb/>
nicht ab&#x017F;ichtlich <hi rendition="#g">fe&#x017F;tgehalten</hi> wurde. Der Tanzlu&#x017F;t that dies kleine<lb/>
Intermezzo freilich wenig Eintrag. Nur <hi rendition="#g">meine</hi> Toilette kam übel<lb/>
dabei weg; namentlich hatte mir ein rü&#x017F;tiger Tabakkauer bei die&#x017F;er<lb/>
Gelegenheit einen Cotillonorden an die Bru&#x017F;t ge&#x017F;puckt, de&#x017F;&#x017F;en Spuren<lb/>
weniger zu vertilgen waren, als die Blutflecken der Lady Macbeth.<lb/>
Mit die&#x017F;er Decoration und einigen ähnlichen vermied ich denn für den<lb/>
Re&#x017F;t der Nacht die &#x201E;Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft&#x201C;. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Am Morgen &#x017F;ah das Frolic nun traurig aus. Oder vielmehr ab¬<lb/>
&#x017F;cheulich. Wie rings herum in allen Lagen und Zu&#x017F;tänden des men&#x017F;ch¬<lb/>
lichen Körpers &#x201E;die Be&#x017F;tialität &#x017F;ich gar herrlich kund gab&#x201C;, &#x2014; laß<lb/>
mich davon &#x017F;chweigen. Wahrlich, verdorbene Magen bedurften keines<lb/>
weitern Vomitivs, als &#x017F;ich einander nur &#x017F;elb&#x017F;t anzu&#x017F;ehen. So &#x017F;attelte<lb/>
ich, um ein amerikani&#x017F;ches Sittenbildchen reicher, meinen Cä&#x017F;ar, ließ<lb/>
das be&#x017F;offene und &#x017F;tinkende Arkadien hinter mir und trabte mit &#x017F;ehr<lb/>
gemi&#x017F;chten Gefühlen wieder heimwärts.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Du kenn&#x017F;t gewiß auch den Ruf der Kentuckyer, der Männer &#x201E;vom<lb/>
blutigen Grunde&#x201C;? Sie &#x017F;ind als die <hi rendition="#aq">par excellence</hi> berühmt,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind der phy&#x017F;i&#x017F;che Adel Nordamerika's. Die&#x017F;e Nimrods-Ideale in<lb/>
ihrer Urpracht zu &#x017F;chauen, nahm ich mir lange &#x017F;chon einen Ausflug<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0383] deutſcher Abſtammung denn doch noch ihre Blumenſträuße vor der Bruſt trügen; — iriſche und amerikaniſche nicht. Dieſer deutſche Na¬ turzug lebte wenigſtens fort. Das gefiel mir wieder. Da die Nächte ſchon länger werden, ſo vertrieben wir uns die Zeit — Doctor Althof und ich — gelegentlich wieder mit Tanzen. Dabei paſſirte es einmal, daß ein junger, baumlanger Pennſylvania-Deutſcher mit einem beſonderen élan in die Höhe ſprang, und auf Einen Ruck die zwei Neger ſammt ihren Seſſeln aus den Angeln hob. Der Arme ſtürzte mit blutendem Kopfe zu Boden, die zwei Neger über ihn her, die ganze Tanzkette, die ſich im Schwung nicht mehr zu halten ver¬ mochte, über die Neger, und im Nu lagen wir Alle, wie die ehrſamen Lallenburger, aber nicht ſehr ehrſam, in einem unentwirrbaren Knäuel durcheinander. Es wollte was ſagen, bis Jeder und Jede aus dem verworrenen Inventar von Beinen das ihm zuſtändige Paar wieder herausgefunden; auch will ich gar nicht leugnen, das manche Täuſchung nicht abſichtlich feſtgehalten wurde. Der Tanzluſt that dies kleine Intermezzo freilich wenig Eintrag. Nur meine Toilette kam übel dabei weg; namentlich hatte mir ein rüſtiger Tabakkauer bei dieſer Gelegenheit einen Cotillonorden an die Bruſt geſpuckt, deſſen Spuren weniger zu vertilgen waren, als die Blutflecken der Lady Macbeth. Mit dieſer Decoration und einigen ähnlichen vermied ich denn für den Reſt der Nacht die „Geſellſchaft“. — Am Morgen ſah das Frolic nun traurig aus. Oder vielmehr ab¬ ſcheulich. Wie rings herum in allen Lagen und Zuſtänden des menſch¬ lichen Körpers „die Beſtialität ſich gar herrlich kund gab“, — laß mich davon ſchweigen. Wahrlich, verdorbene Magen bedurften keines weitern Vomitivs, als ſich einander nur ſelbſt anzuſehen. So ſattelte ich, um ein amerikaniſches Sittenbildchen reicher, meinen Cäſar, ließ das beſoffene und ſtinkende Arkadien hinter mir und trabte mit ſehr gemiſchten Gefühlen wieder heimwärts. Du kennſt gewiß auch den Ruf der Kentuckyer, der Männer „vom blutigen Grunde“? Sie ſind als die par excellence berühmt, ſie ſind der phyſiſche Adel Nordamerika's. Dieſe Nimrods-Ideale in ihrer Urpracht zu ſchauen, nahm ich mir lange ſchon einen Ausflug

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/383
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/383>, abgerufen am 28.04.2024.