Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

der Büffel doch noch aufraffen und weiter marschiren möchte: -- so lang¬
sam es geschehen wäre, ich hätte ihm nicht zu folgen vermocht. Dann
war es wirklich -- eine Mirage! Ah, wie nahm ich mich zusammen!
Wie klopfte mir das Herz, als ich heranschlich, als ich den Hahn auf¬
zog, als ich anlegte! Von diesem Schuße hing mein und meines Bru¬
ders Leben ab. Endlich fühlte ich meine Hand fest, der Schuß krachte, --
ich sah hin. Der Büffel schüttelte sein struppig verworrenes Kopfhaar,
warf den Schädel wild hin und her, dann streckte er convulsivisch seine
Glieder, legte sich auf die Seite und war todt. Grace a Dieu! Ich
athmete auf. Au Reste, der in der Hütte den Schuß gehört hatte,
kam jetzt auf allen Vieren heraus. Hurrah, Fleisch! rief er mit
matter Stimme und sank vor Freuden in Ohnmacht. Ich ließ ihn
liegen und machte mich hurtig an die Arznei, die allein hier helfen
konnte. Erst wies ich den Wölfen noch meine Flinte, die ohne Ver¬
zug Reißaus nahmen, dann ging ich dran, den Büffel auszuweiden.
Ein schweres Stück Arbeit! Ich schnitt vor Allem einen Theil der
Leber aus, tauchte sie in die Gallenblase, und schlug es meinem Pa¬
tienten um's Gesicht. Wußt' ich's doch! das wirkte, trotz Riechsalz
und Vinaigrette. Au Reste schlug die Augen auf und fing zu essen
an. Von dem Tage an erholten wir uns Schritt für Schritt, es be¬
suchten den Winter noch mehrere Büffel die Thalschlucht, früher als
sonst brach auch diesmal der Frühling an, -- wir waren gerettet.
Aber, dacht' ich, Au Reste wird sich diese Passage gemerkt haben. Die
erste Pflanzung, die wir zu Gesichte bekommen, werd' ich's zu hören
haben: Junge, wir wollen wieder Kornknacker werden! Pardon, mon
brave!
Es kam ihm nicht in den Sinn. Au Reste trappte fort mit
mir, und trappte in seinem ersten Jahre, wie ein Anderer in seinen
dreißigsten. Ah, Monsieur, sagen Sie, ob mein Camerad ein homme
du coeur
war!

Nun sollen Sie hören, was dieses Herz wendete, fuhr der Cana¬
dier fort, und wir dürfen vielleicht das Concept des wilden Erzählers
anerkennen, der den begonnenen Faden doch nicht verloren. Wir wollten
den hierauf folgenden Sommer nach Californien aufbrechen, um uns
Pferde und Maulthiere aus der Mission San Fernando zu holen,
derselben, woher ich früher meine Gattin Juanita geholt. Wir hatten
uns einer größeren Trappergesellschaft angeschlossen und Alles ging

der Büffel doch noch aufraffen und weiter marſchiren möchte: — ſo lang¬
ſam es geſchehen wäre, ich hätte ihm nicht zu folgen vermocht. Dann
war es wirklich — eine Mirage! Ah, wie nahm ich mich zuſammen!
Wie klopfte mir das Herz, als ich heranſchlich, als ich den Hahn auf¬
zog, als ich anlegte! Von dieſem Schuße hing mein und meines Bru¬
ders Leben ab. Endlich fühlte ich meine Hand feſt, der Schuß krachte, —
ich ſah hin. Der Büffel ſchüttelte ſein ſtruppig verworrenes Kopfhaar,
warf den Schädel wild hin und her, dann ſtreckte er convulſiviſch ſeine
Glieder, legte ſich auf die Seite und war todt. Grace à Dieu! Ich
athmete auf. Au Reſte, der in der Hütte den Schuß gehört hatte,
kam jetzt auf allen Vieren heraus. Hurrah, Fleiſch! rief er mit
matter Stimme und ſank vor Freuden in Ohnmacht. Ich ließ ihn
liegen und machte mich hurtig an die Arznei, die allein hier helfen
konnte. Erſt wies ich den Wölfen noch meine Flinte, die ohne Ver¬
zug Reißaus nahmen, dann ging ich dran, den Büffel auszuweiden.
Ein ſchweres Stück Arbeit! Ich ſchnitt vor Allem einen Theil der
Leber aus, tauchte ſie in die Gallenblaſe, und ſchlug es meinem Pa¬
tienten um's Geſicht. Wußt' ich's doch! das wirkte, trotz Riechſalz
und Vinaigrette. Au Reſte ſchlug die Augen auf und fing zu eſſen
an. Von dem Tage an erholten wir uns Schritt für Schritt, es be¬
ſuchten den Winter noch mehrere Büffel die Thalſchlucht, früher als
ſonſt brach auch diesmal der Frühling an, — wir waren gerettet.
Aber, dacht' ich, Au Reſte wird ſich dieſe Paſſage gemerkt haben. Die
erſte Pflanzung, die wir zu Geſichte bekommen, werd' ich's zu hören
haben: Junge, wir wollen wieder Kornknacker werden! Pardon, mon
brave!
Es kam ihm nicht in den Sinn. Au Reſte trappte fort mit
mir, und trappte in ſeinem erſten Jahre, wie ein Anderer in ſeinen
dreißigſten. Ah, Monſieur, ſagen Sie, ob mein Camerad ein homme
du coeur
war!

Nun ſollen Sie hören, was dieſes Herz wendete, fuhr der Cana¬
dier fort, und wir dürfen vielleicht das Concept des wilden Erzählers
anerkennen, der den begonnenen Faden doch nicht verloren. Wir wollten
den hierauf folgenden Sommer nach Californien aufbrechen, um uns
Pferde und Maulthiere aus der Miſſion San Fernando zu holen,
derſelben, woher ich früher meine Gattin Juanita geholt. Wir hatten
uns einer größeren Trappergeſellſchaft angeſchloſſen und Alles ging

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0438" n="420"/>
der Büffel doch noch aufraffen und weiter mar&#x017F;chiren möchte: &#x2014; &#x017F;o lang¬<lb/>
&#x017F;am es ge&#x017F;chehen wäre, ich hätte ihm nicht zu folgen vermocht. Dann<lb/>
war es wirklich &#x2014; eine Mirage! Ah, wie nahm ich mich zu&#x017F;ammen!<lb/>
Wie klopfte mir das Herz, als ich heran&#x017F;chlich, als ich den Hahn auf¬<lb/>
zog, als ich anlegte! Von die&#x017F;em Schuße hing mein und meines Bru¬<lb/>
ders Leben ab. Endlich fühlte ich meine Hand fe&#x017F;t, der Schuß krachte, &#x2014;<lb/>
ich &#x017F;ah hin. Der Büffel &#x017F;chüttelte &#x017F;ein &#x017F;truppig verworrenes Kopfhaar,<lb/>
warf den Schädel wild hin und her, dann &#x017F;treckte er convul&#x017F;ivi&#x017F;ch &#x017F;eine<lb/>
Glieder, legte &#x017F;ich auf die Seite und war todt. <hi rendition="#aq">Grace à Dieu!</hi> Ich<lb/>
athmete auf. Au Re&#x017F;te, der in der Hütte den Schuß gehört hatte,<lb/>
kam jetzt auf allen Vieren heraus. Hurrah, Flei&#x017F;ch! rief er mit<lb/>
matter Stimme und &#x017F;ank vor Freuden in Ohnmacht. Ich ließ ihn<lb/>
liegen und machte mich hurtig an die Arznei, die allein hier helfen<lb/>
konnte. Er&#x017F;t wies ich den Wölfen noch meine Flinte, die ohne Ver¬<lb/>
zug Reißaus nahmen, dann ging ich dran, den Büffel auszuweiden.<lb/>
Ein &#x017F;chweres Stück Arbeit! Ich &#x017F;chnitt vor Allem einen Theil der<lb/>
Leber aus, tauchte &#x017F;ie in die Gallenbla&#x017F;e, und &#x017F;chlug es meinem Pa¬<lb/>
tienten um's Ge&#x017F;icht. Wußt' ich's doch! das wirkte, trotz Riech&#x017F;alz<lb/>
und Vinaigrette. Au Re&#x017F;te &#x017F;chlug die Augen auf und fing zu e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
an. Von dem Tage an erholten wir uns Schritt für Schritt, es be¬<lb/>
&#x017F;uchten den Winter noch mehrere Büffel die Thal&#x017F;chlucht, früher als<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t brach auch diesmal der Frühling an, &#x2014; wir waren gerettet.<lb/>
Aber, dacht' ich, Au Re&#x017F;te wird &#x017F;ich die&#x017F;e Pa&#x017F;&#x017F;age gemerkt haben. Die<lb/>
er&#x017F;te Pflanzung, die wir zu Ge&#x017F;ichte bekommen, werd' ich's zu hören<lb/>
haben: Junge, wir wollen wieder Kornknacker werden! <hi rendition="#aq">Pardon, mon<lb/>
brave!</hi> Es kam ihm nicht in den Sinn. Au Re&#x017F;te trappte fort mit<lb/>
mir, und trappte in &#x017F;einem er&#x017F;ten Jahre, wie ein Anderer in &#x017F;einen<lb/>
dreißig&#x017F;ten. Ah, Mon&#x017F;ieur, &#x017F;agen Sie, ob mein Camerad ein <hi rendition="#aq">homme<lb/>
du coeur</hi> war!</p><lb/>
          <p>Nun &#x017F;ollen Sie hören, was die&#x017F;es Herz wendete, fuhr der Cana¬<lb/>
dier fort, und wir dürfen vielleicht das Concept des wilden Erzählers<lb/>
anerkennen, der den begonnenen Faden doch nicht verloren. Wir wollten<lb/>
den hierauf folgenden Sommer nach Californien aufbrechen, um uns<lb/>
Pferde und Maulthiere aus der Mi&#x017F;&#x017F;ion San Fernando zu holen,<lb/>
der&#x017F;elben, woher ich früher meine Gattin Juanita geholt. Wir hatten<lb/>
uns einer größeren Trapperge&#x017F;ell&#x017F;chaft ange&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en und Alles ging<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0438] der Büffel doch noch aufraffen und weiter marſchiren möchte: — ſo lang¬ ſam es geſchehen wäre, ich hätte ihm nicht zu folgen vermocht. Dann war es wirklich — eine Mirage! Ah, wie nahm ich mich zuſammen! Wie klopfte mir das Herz, als ich heranſchlich, als ich den Hahn auf¬ zog, als ich anlegte! Von dieſem Schuße hing mein und meines Bru¬ ders Leben ab. Endlich fühlte ich meine Hand feſt, der Schuß krachte, — ich ſah hin. Der Büffel ſchüttelte ſein ſtruppig verworrenes Kopfhaar, warf den Schädel wild hin und her, dann ſtreckte er convulſiviſch ſeine Glieder, legte ſich auf die Seite und war todt. Grace à Dieu! Ich athmete auf. Au Reſte, der in der Hütte den Schuß gehört hatte, kam jetzt auf allen Vieren heraus. Hurrah, Fleiſch! rief er mit matter Stimme und ſank vor Freuden in Ohnmacht. Ich ließ ihn liegen und machte mich hurtig an die Arznei, die allein hier helfen konnte. Erſt wies ich den Wölfen noch meine Flinte, die ohne Ver¬ zug Reißaus nahmen, dann ging ich dran, den Büffel auszuweiden. Ein ſchweres Stück Arbeit! Ich ſchnitt vor Allem einen Theil der Leber aus, tauchte ſie in die Gallenblaſe, und ſchlug es meinem Pa¬ tienten um's Geſicht. Wußt' ich's doch! das wirkte, trotz Riechſalz und Vinaigrette. Au Reſte ſchlug die Augen auf und fing zu eſſen an. Von dem Tage an erholten wir uns Schritt für Schritt, es be¬ ſuchten den Winter noch mehrere Büffel die Thalſchlucht, früher als ſonſt brach auch diesmal der Frühling an, — wir waren gerettet. Aber, dacht' ich, Au Reſte wird ſich dieſe Paſſage gemerkt haben. Die erſte Pflanzung, die wir zu Geſichte bekommen, werd' ich's zu hören haben: Junge, wir wollen wieder Kornknacker werden! Pardon, mon brave! Es kam ihm nicht in den Sinn. Au Reſte trappte fort mit mir, und trappte in ſeinem erſten Jahre, wie ein Anderer in ſeinen dreißigſten. Ah, Monſieur, ſagen Sie, ob mein Camerad ein homme du coeur war! Nun ſollen Sie hören, was dieſes Herz wendete, fuhr der Cana¬ dier fort, und wir dürfen vielleicht das Concept des wilden Erzählers anerkennen, der den begonnenen Faden doch nicht verloren. Wir wollten den hierauf folgenden Sommer nach Californien aufbrechen, um uns Pferde und Maulthiere aus der Miſſion San Fernando zu holen, derſelben, woher ich früher meine Gattin Juanita geholt. Wir hatten uns einer größeren Trappergeſellſchaft angeſchloſſen und Alles ging

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/438
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/438>, abgerufen am 12.05.2024.