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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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vielleicht fünfzig sein. Um Cleveland und Portsmouth ist er heute
schon fünfzig. Dort wüthet die wildeste Hausse. Sie wird sich aller¬
dings nicht behaupten, Sir; die Baisse wird eintreten, wenn sich die
Speculation auf neue Kanal- oder Eisenbahnlinien wirft. Aber auf
fünf Dollar weicht Ohio-Land in Ewigkeit nicht mehr. Das Land
wird mit jedem Schaufelstich rentabler, und die Vermehrung der
Verkehrsmittel bewirkt höchstens im einzelnen eine relative Entwer¬
thung, im Ganzen dagegen eine absolute Werthsteigerung. Das
ist klar.

Um Gotteswillen auf ein Wort, Mr. Jones, die Herren ver¬
zeihen, daß ich störe, aber so wahr ich lebe, nur eine Secunde, Mr.
Jones, ich bitte tausendmal! --

Mit diesen Worten und höchst eilfertiger Gebärde wurde der Ohio-
Mäkler von Moorfeld's Seite weggerissen. Wir dürfen dringend ver¬
muthen, daß der Mann, der dieses that, im Einverständniß mit einem
andern Makler stand, denn augenblicklich trat ein solches Individuum
heran und bemächtigte sich Moorfeld's. Mein Herr, sagte dieser An¬
kömmling mit einer verbindlichen Gentlemanmanier, ich war stets ein
Verehrer der europäischen Gelehrsamkeit. Die Art, wie Sie Sprachen,
Geschichte, Sitten- und Völkerkunde in Europa betreiben, läßt sicher
nichts zu wünschen, desto mehr aber zu beneiden übrig. Ich bin über¬
zeugt, wie Sie auf diesem Marmorwürfel hier stehen, haben Sie be¬
reits aus Europa eine Kenntniß Amerika's mitgebracht, die vielleicht
manchem Senator im weißen Hause zu Washington fehlt. Ich möchte
schwören darauf, es ist so. Nur Eins setzt mich in Erstaunen. Ich
mache nämlich in dieser Halle die Bemerkung, daß alle Europäer,
welche hier eintreten und amerikanisches Land zu besitzen wünschen,
von der seltsamen Idee ausgehen, als müßten sie dieses Land kaufen.
In der That, mein Herr, ein Wahn, der mich höchlich überrascht.
Wird Amerika's Demokratie noch so verkannt in Europa, daß man
unsern Boden nicht anders einnehmen zu dürfen glaubt, als indem
man die Taschen wucherischer und beutebegieriger Land-Jobber füllt? Denn
ich bitte Sie, mein Herr, was ist der Kaufschilling, den Sie für Ihr
Grundstück zahlen, anders als ein ungerechter, ja schimpflicher Leibzoll,
der als Abgabe auf Ihren physischen und intellectuellen Arbeitskräften
ruht, womit Sie dem Lande doch nützen? Oder sagen Sie selbst!

vielleicht fünfzig ſein. Um Cleveland und Portsmouth iſt er heute
ſchon fünfzig. Dort wüthet die wildeſte Hauſſe. Sie wird ſich aller¬
dings nicht behaupten, Sir; die Baiſſe wird eintreten, wenn ſich die
Speculation auf neue Kanal- oder Eiſenbahnlinien wirft. Aber auf
fünf Dollar weicht Ohio-Land in Ewigkeit nicht mehr. Das Land
wird mit jedem Schaufelſtich rentabler, und die Vermehrung der
Verkehrsmittel bewirkt höchſtens im einzelnen eine relative Entwer¬
thung, im Ganzen dagegen eine abſolute Werthſteigerung. Das
iſt klar.

Um Gotteswillen auf ein Wort, Mr. Jones, die Herren ver¬
zeihen, daß ich ſtöre, aber ſo wahr ich lebe, nur eine Secunde, Mr.
Jones, ich bitte tauſendmal! —

Mit dieſen Worten und höchſt eilfertiger Gebärde wurde der Ohio-
Mäkler von Moorfeld's Seite weggeriſſen. Wir dürfen dringend ver¬
muthen, daß der Mann, der dieſes that, im Einverſtändniß mit einem
andern Makler ſtand, denn augenblicklich trat ein ſolches Individuum
heran und bemächtigte ſich Moorfeld's. Mein Herr, ſagte dieſer An¬
kömmling mit einer verbindlichen Gentlemanmanier, ich war ſtets ein
Verehrer der europäiſchen Gelehrſamkeit. Die Art, wie Sie Sprachen,
Geſchichte, Sitten- und Völkerkunde in Europa betreiben, läßt ſicher
nichts zu wünſchen, deſto mehr aber zu beneiden übrig. Ich bin über¬
zeugt, wie Sie auf dieſem Marmorwürfel hier ſtehen, haben Sie be¬
reits aus Europa eine Kenntniß Amerika's mitgebracht, die vielleicht
manchem Senator im weißen Hauſe zu Waſhington fehlt. Ich möchte
ſchwören darauf, es iſt ſo. Nur Eins ſetzt mich in Erſtaunen. Ich
mache nämlich in dieſer Halle die Bemerkung, daß alle Europäer,
welche hier eintreten und amerikaniſches Land zu beſitzen wünſchen,
von der ſeltſamen Idee ausgehen, als müßten ſie dieſes Land kaufen.
In der That, mein Herr, ein Wahn, der mich höchlich überraſcht.
Wird Amerika's Demokratie noch ſo verkannt in Europa, daß man
unſern Boden nicht anders einnehmen zu dürfen glaubt, als indem
man die Taſchen wucheriſcher und beutebegieriger Land-Jobber füllt? Denn
ich bitte Sie, mein Herr, was iſt der Kaufſchilling, den Sie für Ihr
Grundſtück zahlen, anders als ein ungerechter, ja ſchimpflicher Leibzoll,
der als Abgabe auf Ihren phyſiſchen und intellectuellen Arbeitskräften
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[58/0076] vielleicht fünfzig ſein. Um Cleveland und Portsmouth iſt er heute ſchon fünfzig. Dort wüthet die wildeſte Hauſſe. Sie wird ſich aller¬ dings nicht behaupten, Sir; die Baiſſe wird eintreten, wenn ſich die Speculation auf neue Kanal- oder Eiſenbahnlinien wirft. Aber auf fünf Dollar weicht Ohio-Land in Ewigkeit nicht mehr. Das Land wird mit jedem Schaufelſtich rentabler, und die Vermehrung der Verkehrsmittel bewirkt höchſtens im einzelnen eine relative Entwer¬ thung, im Ganzen dagegen eine abſolute Werthſteigerung. Das iſt klar. Um Gotteswillen auf ein Wort, Mr. Jones, die Herren ver¬ zeihen, daß ich ſtöre, aber ſo wahr ich lebe, nur eine Secunde, Mr. Jones, ich bitte tauſendmal! — Mit dieſen Worten und höchſt eilfertiger Gebärde wurde der Ohio- Mäkler von Moorfeld's Seite weggeriſſen. Wir dürfen dringend ver¬ muthen, daß der Mann, der dieſes that, im Einverſtändniß mit einem andern Makler ſtand, denn augenblicklich trat ein ſolches Individuum heran und bemächtigte ſich Moorfeld's. Mein Herr, ſagte dieſer An¬ kömmling mit einer verbindlichen Gentlemanmanier, ich war ſtets ein Verehrer der europäiſchen Gelehrſamkeit. Die Art, wie Sie Sprachen, Geſchichte, Sitten- und Völkerkunde in Europa betreiben, läßt ſicher nichts zu wünſchen, deſto mehr aber zu beneiden übrig. Ich bin über¬ zeugt, wie Sie auf dieſem Marmorwürfel hier ſtehen, haben Sie be¬ reits aus Europa eine Kenntniß Amerika's mitgebracht, die vielleicht manchem Senator im weißen Hauſe zu Waſhington fehlt. Ich möchte ſchwören darauf, es iſt ſo. Nur Eins ſetzt mich in Erſtaunen. Ich mache nämlich in dieſer Halle die Bemerkung, daß alle Europäer, welche hier eintreten und amerikaniſches Land zu beſitzen wünſchen, von der ſeltſamen Idee ausgehen, als müßten ſie dieſes Land kaufen. In der That, mein Herr, ein Wahn, der mich höchlich überraſcht. Wird Amerika's Demokratie noch ſo verkannt in Europa, daß man unſern Boden nicht anders einnehmen zu dürfen glaubt, als indem man die Taſchen wucheriſcher und beutebegieriger Land-Jobber füllt? Denn ich bitte Sie, mein Herr, was iſt der Kaufſchilling, den Sie für Ihr Grundſtück zahlen, anders als ein ungerechter, ja ſchimpflicher Leibzoll, der als Abgabe auf Ihren phyſiſchen und intellectuellen Arbeitskräften ruht, womit Sie dem Lande doch nützen? Oder ſagen Sie ſelbſt!

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/76>, abgerufen am 27.04.2024.