Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

tigam entgegen geht. Sie muß sich 'runtergeben können und muß
sich etwas gefallen lassen, aber freilich mit Maß. Zu lützel und zu
viel verderbt allzeit das Spiel. Narr, ich hab' deinen Vater am
Schnürle geführt, er hat mir nicht weiter gucken dürfen, als ich ihm
verstattet hab'. Aber du bist eben so ein Zimpferle, weißt dich nicht
umzuthun, meinst, die gebratenen Tauben müssen dir ins Maul fliegen.

Was soll ich denn thun? fragte Christine.

Thu' was du willst, sagte die Mutter zornig, steck' mein'twegen
der Katz' das Heu auf, dumm genug wär'st dazu, nur geh', daß
ich das Geseufz und Geheul nicht länger hören muß.

Christine verließ die Stube und trat schauernd vor das Haus in
die Nacht hinaus, wo sie im gleichen Augenblick zu ihrem freudigen
Schrecken beim Schein der Sterne, die in der Kälte hell funkelten,
den Gegenstand der Unterredung und ihres Kummers auf sich zu¬
kommen sah. Sie glaubte, es sei seine Absicht, in ihrer Nähe um¬
herzustreichen und zu spähen, und eine frohe Hoffnung zog in ihr
Herz ein. Wie er aber näher kam, so schien es, als ob ihn bloß
der Zufall diesen Weg führe, denn er sah sich nicht einmal um. Sie
rief ihm einen Gruß zu und fragte, eingedenk der Lehre, die ihr so
eben die Mutter gegeben: Willst nicht auch einmal wieder nach deinem
Lamm sehen? -- Da der Schatz, wie sie ihm erlaubt hatte sich zu nennen,
keine Antwort gab, obwohl er unschlüssig stehen geblieben war, so fuhr
sie etwas vorschnell fort: Oder magst's nicht wenigstens holen, wenn
du nichts mehr von uns willst?

Friedrich hörte aus diesen Worten nichts als spöttische Ablehnung
heraus. Es ist schon so gut wie abgestochen! erwiderte er, indem er
den Fuß zum Weitergehen hob.

Dieser starre Trotz verdroß sie und sie rief ihm nun mit nicht
sehr glücklichem Spotte nach: Da wird man dem Herrn wenigstens
das Fell herausgeben müssen und die Wolle.

Sein Blut kochte, denn er glaubte eine Anspielung zu vernehmen,
an die das Mädchen entfernt nicht dachte. Von der Wolle hörte er
nun einmal gar nicht gerne reden. Das Fell behalt' Sie, Jungfer,
sagte er, und die Wolle kann Sie an die vielen Dörner stecken, an
denen Sie letzt hangen blieben ist. Damit ging er fort. Sie lehnte
sich an den Thürpfosten und blieb noch lange bitterlich weinend und

tigam entgegen geht. Sie muß ſich 'runtergeben können und muß
ſich etwas gefallen laſſen, aber freilich mit Maß. Zu lützel und zu
viel verderbt allzeit das Spiel. Narr, ich hab' deinen Vater am
Schnürle geführt, er hat mir nicht weiter gucken dürfen, als ich ihm
verſtattet hab'. Aber du biſt eben ſo ein Zimpferle, weißt dich nicht
umzuthun, meinſt, die gebratenen Tauben müſſen dir ins Maul fliegen.

Was ſoll ich denn thun? fragte Chriſtine.

Thu' was du willſt, ſagte die Mutter zornig, ſteck' mein'twegen
der Katz' das Heu auf, dumm genug wär'ſt dazu, nur geh', daß
ich das Geſeufz und Geheul nicht länger hören muß.

Chriſtine verließ die Stube und trat ſchauernd vor das Haus in
die Nacht hinaus, wo ſie im gleichen Augenblick zu ihrem freudigen
Schrecken beim Schein der Sterne, die in der Kälte hell funkelten,
den Gegenſtand der Unterredung und ihres Kummers auf ſich zu¬
kommen ſah. Sie glaubte, es ſei ſeine Abſicht, in ihrer Nähe um¬
herzuſtreichen und zu ſpähen, und eine frohe Hoffnung zog in ihr
Herz ein. Wie er aber näher kam, ſo ſchien es, als ob ihn bloß
der Zufall dieſen Weg führe, denn er ſah ſich nicht einmal um. Sie
rief ihm einen Gruß zu und fragte, eingedenk der Lehre, die ihr ſo
eben die Mutter gegeben: Willſt nicht auch einmal wieder nach deinem
Lamm ſehen? — Da der Schatz, wie ſie ihm erlaubt hatte ſich zu nennen,
keine Antwort gab, obwohl er unſchlüſſig ſtehen geblieben war, ſo fuhr
ſie etwas vorſchnell fort: Oder magſt's nicht wenigſtens holen, wenn
du nichts mehr von uns willſt?

Friedrich hörte aus dieſen Worten nichts als ſpöttiſche Ablehnung
heraus. Es iſt ſchon ſo gut wie abgeſtochen! erwiderte er, indem er
den Fuß zum Weitergehen hob.

Dieſer ſtarre Trotz verdroß ſie und ſie rief ihm nun mit nicht
ſehr glücklichem Spotte nach: Da wird man dem Herrn wenigſtens
das Fell herausgeben müſſen und die Wolle.

Sein Blut kochte, denn er glaubte eine Anſpielung zu vernehmen,
an die das Mädchen entfernt nicht dachte. Von der Wolle hörte er
nun einmal gar nicht gerne reden. Das Fell behalt' Sie, Jungfer,
ſagte er, und die Wolle kann Sie an die vielen Dörner ſtecken, an
denen Sie letzt hangen blieben iſt. Damit ging er fort. Sie lehnte
ſich an den Thürpfoſten und blieb noch lange bitterlich weinend und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="84"/>
tigam entgegen geht. Sie muß &#x017F;ich 'runtergeben können und muß<lb/>
&#x017F;ich etwas gefallen la&#x017F;&#x017F;en, aber freilich mit Maß. Zu lützel und zu<lb/>
viel verderbt allzeit das Spiel. Narr, ich hab' deinen Vater am<lb/>
Schnürle geführt, er hat mir nicht weiter gucken dürfen, als ich ihm<lb/>
ver&#x017F;tattet hab'. Aber du bi&#x017F;t eben &#x017F;o ein Zimpferle, weißt dich nicht<lb/>
umzuthun, mein&#x017F;t, die gebratenen Tauben mü&#x017F;&#x017F;en dir ins Maul fliegen.</p><lb/>
        <p>Was &#x017F;oll ich denn thun? fragte Chri&#x017F;tine.</p><lb/>
        <p>Thu' was du will&#x017F;t, &#x017F;agte die Mutter zornig, &#x017F;teck' mein'twegen<lb/>
der Katz' das Heu auf, dumm genug wär'&#x017F;t dazu, nur geh', daß<lb/>
ich das Ge&#x017F;eufz und Geheul nicht länger hören muß.</p><lb/>
        <p>Chri&#x017F;tine verließ die Stube und trat &#x017F;chauernd vor das Haus in<lb/>
die Nacht hinaus, wo &#x017F;ie im gleichen Augenblick zu ihrem freudigen<lb/>
Schrecken beim Schein der Sterne, die in der Kälte hell funkelten,<lb/>
den Gegen&#x017F;tand der Unterredung und ihres Kummers auf &#x017F;ich zu¬<lb/>
kommen &#x017F;ah. Sie glaubte, es &#x017F;ei &#x017F;eine Ab&#x017F;icht, in ihrer Nähe um¬<lb/>
herzu&#x017F;treichen und zu &#x017F;pähen, und eine frohe Hoffnung zog in ihr<lb/>
Herz ein. Wie er aber näher kam, &#x017F;o &#x017F;chien es, als ob ihn bloß<lb/>
der Zufall die&#x017F;en Weg führe, denn er &#x017F;ah &#x017F;ich nicht einmal um. Sie<lb/>
rief ihm einen Gruß zu und fragte, eingedenk der Lehre, die ihr &#x017F;o<lb/>
eben die Mutter gegeben: Will&#x017F;t nicht auch einmal wieder nach deinem<lb/>
Lamm &#x017F;ehen? &#x2014; Da der Schatz, wie &#x017F;ie ihm erlaubt hatte &#x017F;ich zu nennen,<lb/>
keine Antwort gab, obwohl er un&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;tehen geblieben war, &#x017F;o fuhr<lb/>
&#x017F;ie etwas vor&#x017F;chnell fort: Oder mag&#x017F;t's nicht wenig&#x017F;tens holen, wenn<lb/>
du nichts mehr von uns will&#x017F;t?</p><lb/>
        <p>Friedrich hörte aus die&#x017F;en Worten nichts als &#x017F;pötti&#x017F;che Ablehnung<lb/>
heraus. Es i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;o gut wie abge&#x017F;tochen! erwiderte er, indem er<lb/>
den Fuß zum Weitergehen hob.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er &#x017F;tarre Trotz verdroß &#x017F;ie und &#x017F;ie rief ihm nun mit nicht<lb/>
&#x017F;ehr glücklichem Spotte nach: Da wird man dem Herrn wenig&#x017F;tens<lb/>
das Fell herausgeben mü&#x017F;&#x017F;en und die Wolle.</p><lb/>
        <p>Sein Blut kochte, denn er glaubte eine An&#x017F;pielung zu vernehmen,<lb/>
an die das Mädchen entfernt nicht dachte. Von der Wolle hörte er<lb/>
nun einmal gar nicht gerne reden. Das Fell behalt' Sie, Jungfer,<lb/>
&#x017F;agte er, und die Wolle kann Sie an die vielen Dörner &#x017F;tecken, an<lb/>
denen Sie letzt hangen blieben i&#x017F;t. Damit ging er fort. Sie lehnte<lb/>
&#x017F;ich an den Thürpfo&#x017F;ten und blieb noch lange bitterlich weinend und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0100] tigam entgegen geht. Sie muß ſich 'runtergeben können und muß ſich etwas gefallen laſſen, aber freilich mit Maß. Zu lützel und zu viel verderbt allzeit das Spiel. Narr, ich hab' deinen Vater am Schnürle geführt, er hat mir nicht weiter gucken dürfen, als ich ihm verſtattet hab'. Aber du biſt eben ſo ein Zimpferle, weißt dich nicht umzuthun, meinſt, die gebratenen Tauben müſſen dir ins Maul fliegen. Was ſoll ich denn thun? fragte Chriſtine. Thu' was du willſt, ſagte die Mutter zornig, ſteck' mein'twegen der Katz' das Heu auf, dumm genug wär'ſt dazu, nur geh', daß ich das Geſeufz und Geheul nicht länger hören muß. Chriſtine verließ die Stube und trat ſchauernd vor das Haus in die Nacht hinaus, wo ſie im gleichen Augenblick zu ihrem freudigen Schrecken beim Schein der Sterne, die in der Kälte hell funkelten, den Gegenſtand der Unterredung und ihres Kummers auf ſich zu¬ kommen ſah. Sie glaubte, es ſei ſeine Abſicht, in ihrer Nähe um¬ herzuſtreichen und zu ſpähen, und eine frohe Hoffnung zog in ihr Herz ein. Wie er aber näher kam, ſo ſchien es, als ob ihn bloß der Zufall dieſen Weg führe, denn er ſah ſich nicht einmal um. Sie rief ihm einen Gruß zu und fragte, eingedenk der Lehre, die ihr ſo eben die Mutter gegeben: Willſt nicht auch einmal wieder nach deinem Lamm ſehen? — Da der Schatz, wie ſie ihm erlaubt hatte ſich zu nennen, keine Antwort gab, obwohl er unſchlüſſig ſtehen geblieben war, ſo fuhr ſie etwas vorſchnell fort: Oder magſt's nicht wenigſtens holen, wenn du nichts mehr von uns willſt? Friedrich hörte aus dieſen Worten nichts als ſpöttiſche Ablehnung heraus. Es iſt ſchon ſo gut wie abgeſtochen! erwiderte er, indem er den Fuß zum Weitergehen hob. Dieſer ſtarre Trotz verdroß ſie und ſie rief ihm nun mit nicht ſehr glücklichem Spotte nach: Da wird man dem Herrn wenigſtens das Fell herausgeben müſſen und die Wolle. Sein Blut kochte, denn er glaubte eine Anſpielung zu vernehmen, an die das Mädchen entfernt nicht dachte. Von der Wolle hörte er nun einmal gar nicht gerne reden. Das Fell behalt' Sie, Jungfer, ſagte er, und die Wolle kann Sie an die vielen Dörner ſtecken, an denen Sie letzt hangen blieben iſt. Damit ging er fort. Sie lehnte ſich an den Thürpfoſten und blieb noch lange bitterlich weinend und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/100
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/100>, abgerufen am 26.04.2024.