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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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auf einmal wie an der Welt End' gestanden, wo sie mit Brettern
vernagelt ist, und hab' mir sagen müssen, daß da eben nichts übrig
bleibt, als umkehren und gute Wort' geben. Wie ich dann vollends
bedacht hab', was das einen Spott und ein Gelächter geben wird,
wenn ich schon wieder komm', und hab's doch nicht anders machen
können, wenn ich nicht alle Brücken zwischen mir und meinem Schatz
hab' abwerfen wollen, da ist mir der Muth ganz und gar gesunken
und hab' nichts mehr vor Augen gesehen, als daß ich eben jetzt alle
Schmach muß auf mich nehmen und zu Kreuz kriechen. Herr Gott,
wie ich noch ein Bub' gewesen bin und hab' Schläg' kriegt, da hab'
ich nicht gemuxt und hab' sagen können: ich will noch mehr! daß
mein Vater schier verzweifelt ist. Und jetzt, wo ich groß bin, hab'
ich dir Brief' nach Haus geschrieben -- Brief' -- ich sag' dir, Jerg,
der jämmerlichst' Bettler schreibt nicht erbärmlicher und demüthiger.
Aber ich hab' eben gar nichts anders mehr gewußt, und -- die Hei¬
math ist halt doch das Best' in der Welt. Doch hab' ich bloß Ge¬
horsam versprochen. Aber das hat mich nichts genutzt. Wie man
einmal gesehen hat, daß ich gehörig mürb' bin, und das ist kein Wun¬
der, denn ich hab' den Amtmann auch noch auf'm Hals gehabt, da
hat man mich noch weiter trieben. Ich bin nicht eher angenommen
worden, als bis ich buchstäblich versprochen hab' -- ich hab' dir's ja
schon gesagt und will's nicht wiederholen.

Und was soll ich ihr jetzt sagen? fragte Jerg.

Was ich meinem Vater versprochen hab', das halt' ich ihm, aber
ich halt' auch, was ich deiner Schwester versprochen hab', und das
geht vor, denn es ist ein älteres Versprechen. Auch hab' ich keines¬
wegs geschworen, daß ich sie in alle Ewigkeit nicht mehr sehen, noch
ihr schreiben wolle, und noch weniger hab' ich gesagt, ich wolle mein
Herz von ihr abziehen und ihr mein Wort brechen. Zwischen uns
bleibt Alles im alten Recht. Sag' ihr nur, sie solle etliche Zeit Ge¬
duld haben, wie ich mich auch gedulden muß. Ich muß erst wieder
festen Boden unter den Füßen haben, damit ich in Ruh' sehen kann,
wie Has lauft, und kann Zeit und Gelegenheit walten lassen. Viel¬
leicht wächst der Art von selber ein Stiel. Sag' ihr, jedenfalls nehm'
ich keine Andere, und wenn ich Haus und Hof dahinten lassen müßt'
oder müßt' alt und grau mit ihr werden, bis wir vor den Altar kommen.

auf einmal wie an der Welt End' geſtanden, wo ſie mit Brettern
vernagelt iſt, und hab' mir ſagen müſſen, daß da eben nichts übrig
bleibt, als umkehren und gute Wort' geben. Wie ich dann vollends
bedacht hab', was das einen Spott und ein Gelächter geben wird,
wenn ich ſchon wieder komm', und hab's doch nicht anders machen
können, wenn ich nicht alle Brücken zwiſchen mir und meinem Schatz
hab' abwerfen wollen, da iſt mir der Muth ganz und gar geſunken
und hab' nichts mehr vor Augen geſehen, als daß ich eben jetzt alle
Schmach muß auf mich nehmen und zu Kreuz kriechen. Herr Gott,
wie ich noch ein Bub' geweſen bin und hab' Schläg' kriegt, da hab'
ich nicht gemuxt und hab' ſagen können: ich will noch mehr! daß
mein Vater ſchier verzweifelt iſt. Und jetzt, wo ich groß bin, hab'
ich dir Brief' nach Haus geſchrieben — Brief' — ich ſag' dir, Jerg,
der jämmerlichſt' Bettler ſchreibt nicht erbärmlicher und demüthiger.
Aber ich hab' eben gar nichts anders mehr gewußt, und — die Hei¬
math iſt halt doch das Beſt' in der Welt. Doch hab' ich bloß Ge¬
horſam verſprochen. Aber das hat mich nichts genutzt. Wie man
einmal geſehen hat, daß ich gehörig mürb' bin, und das iſt kein Wun¬
der, denn ich hab' den Amtmann auch noch auf'm Hals gehabt, da
hat man mich noch weiter trieben. Ich bin nicht eher angenommen
worden, als bis ich buchſtäblich verſprochen hab' — ich hab' dir's ja
ſchon geſagt und will's nicht wiederholen.

Und was ſoll ich ihr jetzt ſagen? fragte Jerg.

Was ich meinem Vater verſprochen hab', das halt' ich ihm, aber
ich halt' auch, was ich deiner Schweſter verſprochen hab', und das
geht vor, denn es iſt ein älteres Verſprechen. Auch hab' ich keines¬
wegs geſchworen, daß ich ſie in alle Ewigkeit nicht mehr ſehen, noch
ihr ſchreiben wolle, und noch weniger hab' ich geſagt, ich wolle mein
Herz von ihr abziehen und ihr mein Wort brechen. Zwiſchen uns
bleibt Alles im alten Recht. Sag' ihr nur, ſie ſolle etliche Zeit Ge¬
duld haben, wie ich mich auch gedulden muß. Ich muß erſt wieder
feſten Boden unter den Füßen haben, damit ich in Ruh' ſehen kann,
wie Has lauft, und kann Zeit und Gelegenheit walten laſſen. Viel¬
leicht wächſt der Art von ſelber ein Stiel. Sag' ihr, jedenfalls nehm'
ich keine Andere, und wenn ich Haus und Hof dahinten laſſen müßt'
oder müßt' alt und grau mit ihr werden, bis wir vor den Altar kommen.

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[176/0192] auf einmal wie an der Welt End' geſtanden, wo ſie mit Brettern vernagelt iſt, und hab' mir ſagen müſſen, daß da eben nichts übrig bleibt, als umkehren und gute Wort' geben. Wie ich dann vollends bedacht hab', was das einen Spott und ein Gelächter geben wird, wenn ich ſchon wieder komm', und hab's doch nicht anders machen können, wenn ich nicht alle Brücken zwiſchen mir und meinem Schatz hab' abwerfen wollen, da iſt mir der Muth ganz und gar geſunken und hab' nichts mehr vor Augen geſehen, als daß ich eben jetzt alle Schmach muß auf mich nehmen und zu Kreuz kriechen. Herr Gott, wie ich noch ein Bub' geweſen bin und hab' Schläg' kriegt, da hab' ich nicht gemuxt und hab' ſagen können: ich will noch mehr! daß mein Vater ſchier verzweifelt iſt. Und jetzt, wo ich groß bin, hab' ich dir Brief' nach Haus geſchrieben — Brief' — ich ſag' dir, Jerg, der jämmerlichſt' Bettler ſchreibt nicht erbärmlicher und demüthiger. Aber ich hab' eben gar nichts anders mehr gewußt, und — die Hei¬ math iſt halt doch das Beſt' in der Welt. Doch hab' ich bloß Ge¬ horſam verſprochen. Aber das hat mich nichts genutzt. Wie man einmal geſehen hat, daß ich gehörig mürb' bin, und das iſt kein Wun¬ der, denn ich hab' den Amtmann auch noch auf'm Hals gehabt, da hat man mich noch weiter trieben. Ich bin nicht eher angenommen worden, als bis ich buchſtäblich verſprochen hab' — ich hab' dir's ja ſchon geſagt und will's nicht wiederholen. Und was ſoll ich ihr jetzt ſagen? fragte Jerg. Was ich meinem Vater verſprochen hab', das halt' ich ihm, aber ich halt' auch, was ich deiner Schweſter verſprochen hab', und das geht vor, denn es iſt ein älteres Verſprechen. Auch hab' ich keines¬ wegs geſchworen, daß ich ſie in alle Ewigkeit nicht mehr ſehen, noch ihr ſchreiben wolle, und noch weniger hab' ich geſagt, ich wolle mein Herz von ihr abziehen und ihr mein Wort brechen. Zwiſchen uns bleibt Alles im alten Recht. Sag' ihr nur, ſie ſolle etliche Zeit Ge¬ duld haben, wie ich mich auch gedulden muß. Ich muß erſt wieder feſten Boden unter den Füßen haben, damit ich in Ruh' ſehen kann, wie Has lauft, und kann Zeit und Gelegenheit walten laſſen. Viel¬ leicht wächſt der Art von ſelber ein Stiel. Sag' ihr, jedenfalls nehm' ich keine Andere, und wenn ich Haus und Hof dahinten laſſen müßt' oder müßt' alt und grau mit ihr werden, bis wir vor den Altar kommen.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/192>, abgerufen am 26.04.2024.