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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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werden; sogar wenn einer nur eine Erbschaft zu erwarten habe, so
müsse darüber an die Regierung berichtet und der Bescheid abgewartet
werden; und wenn je die Beamten sich nicht danach achten und dadurch
das fürstliche Interesse Noth leiden lassen sollten, so werde man sich an sie
selbst und an ihr eigenes Vermögen halten. Das, hat der Amtmann
gesagt, könn' ich ihm nicht zumuthen.

Da ist's kein Wunder, bemerkte die Sonnenwirthin, daß die
Zucht immer mehr aus der Welt verschwindet. In der guten alten
Zeit, wo man noch auf Sittsamkeit und Gottesfurcht gehalten hat,
hat man die Sünder zu einer schimpflichen Haft, ja bei Wasser und
Brod, verurtheilt, damit sie auch gewußt haben wie's thut, und nur
in Ausnahmsfällen bei gebrechlichen Personen hat man die Verwand¬
lung der Straf' in Geld verstattet. Jetzt aber ist die Ausnahm' zur
Regel worden, und auch wer nicht zahlen kann, der muß wenigstens
der Herrschaft den Vortheil durch Arbeiten einbringen, damit sie ja
nichts verliert. Lieber Gott, was ist das für eine Welt! Der Reich'
legt das Geld hin und lacht dazu, und der Herzog, als ob's an den
Steuern nicht gnug wär', lebt noch von den Sünden seiner Unterthanen.

Und geht ihnen mit einem guten Beispiel voran, lachte Friedrich.
Zürnen wird er ohnehin Keinem drüber, denn es trägt ihm ja Geld
ein, woran's ihm immer fehlt.

Schweig' du still! gebot der Sonnenwirth. Ich hab' dann den
Amtmann bitten wollen, fuhr er gegen seine Frau fort, er solle dem
Buben attestiren, daß er abhängig sei und über kein Vermögen zu
verfügen hab'. Der Amtmann aber hat mich ausgelacht und hat mir
geantwortet, da müßte man allen Kindern bei Lebzeiten ihrer Eltern
Armuthsattestate ausstellen, und überdies sei dies grad' bei dem Buben
nicht wahr, da er ja sein Mütterliches besitze, wenn er auch nicht
frei darüber verfügen könne.

Und von dem Mütterlichen, sagte Friedlich, wird die Strafe be¬
zahlt, dann könnt Ihr Euch nicht beklagen, Vater, daß ich Euch Un¬
kosten verursach'.

Du wirst dein Mütterlich's bald eingebrockt haben, du Lump, wenn
du so fort machst, versetzte der Sonnenwirth.

Vater, sagte Friedrich, gebet mir die Christine und gebet mir mein
Mütterlichs dazu, daß ich n' Anfang hab', dann will ich's Euch

werden; ſogar wenn einer nur eine Erbſchaft zu erwarten habe, ſo
müſſe darüber an die Regierung berichtet und der Beſcheid abgewartet
werden; und wenn je die Beamten ſich nicht danach achten und dadurch
das fürſtliche Intereſſe Noth leiden laſſen ſollten, ſo werde man ſich an ſie
ſelbſt und an ihr eigenes Vermögen halten. Das, hat der Amtmann
geſagt, könn' ich ihm nicht zumuthen.

Da iſt's kein Wunder, bemerkte die Sonnenwirthin, daß die
Zucht immer mehr aus der Welt verſchwindet. In der guten alten
Zeit, wo man noch auf Sittſamkeit und Gottesfurcht gehalten hat,
hat man die Sünder zu einer ſchimpflichen Haft, ja bei Waſſer und
Brod, verurtheilt, damit ſie auch gewußt haben wie's thut, und nur
in Ausnahmsfällen bei gebrechlichen Perſonen hat man die Verwand¬
lung der Straf' in Geld verſtattet. Jetzt aber iſt die Ausnahm' zur
Regel worden, und auch wer nicht zahlen kann, der muß wenigſtens
der Herrſchaft den Vortheil durch Arbeiten einbringen, damit ſie ja
nichts verliert. Lieber Gott, was iſt das für eine Welt! Der Reich'
legt das Geld hin und lacht dazu, und der Herzog, als ob's an den
Steuern nicht gnug wär', lebt noch von den Sünden ſeiner Unterthanen.

Und geht ihnen mit einem guten Beiſpiel voran, lachte Friedrich.
Zürnen wird er ohnehin Keinem drüber, denn es trägt ihm ja Geld
ein, woran's ihm immer fehlt.

Schweig' du ſtill! gebot der Sonnenwirth. Ich hab' dann den
Amtmann bitten wollen, fuhr er gegen ſeine Frau fort, er ſolle dem
Buben atteſtiren, daß er abhängig ſei und über kein Vermögen zu
verfügen hab'. Der Amtmann aber hat mich ausgelacht und hat mir
geantwortet, da müßte man allen Kindern bei Lebzeiten ihrer Eltern
Armuthsatteſtate ausſtellen, und überdies ſei dies grad' bei dem Buben
nicht wahr, da er ja ſein Mütterliches beſitze, wenn er auch nicht
frei darüber verfügen könne.

Und von dem Mütterlichen, ſagte Friedlich, wird die Strafe be¬
zahlt, dann könnt Ihr Euch nicht beklagen, Vater, daß ich Euch Un¬
koſten verurſach'.

Du wirſt dein Mütterlich's bald eingebrockt haben, du Lump, wenn
du ſo fort machſt, verſetzte der Sonnenwirth.

Vater, ſagte Friedrich, gebet mir die Chriſtine und gebet mir mein
Mütterlichs dazu, daß ich n' Anfang hab', dann will ich's Euch

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[194/0210] werden; ſogar wenn einer nur eine Erbſchaft zu erwarten habe, ſo müſſe darüber an die Regierung berichtet und der Beſcheid abgewartet werden; und wenn je die Beamten ſich nicht danach achten und dadurch das fürſtliche Intereſſe Noth leiden laſſen ſollten, ſo werde man ſich an ſie ſelbſt und an ihr eigenes Vermögen halten. Das, hat der Amtmann geſagt, könn' ich ihm nicht zumuthen. Da iſt's kein Wunder, bemerkte die Sonnenwirthin, daß die Zucht immer mehr aus der Welt verſchwindet. In der guten alten Zeit, wo man noch auf Sittſamkeit und Gottesfurcht gehalten hat, hat man die Sünder zu einer ſchimpflichen Haft, ja bei Waſſer und Brod, verurtheilt, damit ſie auch gewußt haben wie's thut, und nur in Ausnahmsfällen bei gebrechlichen Perſonen hat man die Verwand¬ lung der Straf' in Geld verſtattet. Jetzt aber iſt die Ausnahm' zur Regel worden, und auch wer nicht zahlen kann, der muß wenigſtens der Herrſchaft den Vortheil durch Arbeiten einbringen, damit ſie ja nichts verliert. Lieber Gott, was iſt das für eine Welt! Der Reich' legt das Geld hin und lacht dazu, und der Herzog, als ob's an den Steuern nicht gnug wär', lebt noch von den Sünden ſeiner Unterthanen. Und geht ihnen mit einem guten Beiſpiel voran, lachte Friedrich. Zürnen wird er ohnehin Keinem drüber, denn es trägt ihm ja Geld ein, woran's ihm immer fehlt. Schweig' du ſtill! gebot der Sonnenwirth. Ich hab' dann den Amtmann bitten wollen, fuhr er gegen ſeine Frau fort, er ſolle dem Buben atteſtiren, daß er abhängig ſei und über kein Vermögen zu verfügen hab'. Der Amtmann aber hat mich ausgelacht und hat mir geantwortet, da müßte man allen Kindern bei Lebzeiten ihrer Eltern Armuthsatteſtate ausſtellen, und überdies ſei dies grad' bei dem Buben nicht wahr, da er ja ſein Mütterliches beſitze, wenn er auch nicht frei darüber verfügen könne. Und von dem Mütterlichen, ſagte Friedlich, wird die Strafe be¬ zahlt, dann könnt Ihr Euch nicht beklagen, Vater, daß ich Euch Un¬ koſten verurſach'. Du wirſt dein Mütterlich's bald eingebrockt haben, du Lump, wenn du ſo fort machſt, verſetzte der Sonnenwirth. Vater, ſagte Friedrich, gebet mir die Chriſtine und gebet mir mein Mütterlichs dazu, daß ich n' Anfang hab', dann will ich's Euch

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/210>, abgerufen am 29.04.2024.