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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Sie blickten in die Höhe. Es war der Invalide, der sich seit
langer Zeit zum erstenmal wieder am Fenster sehen ließ.

Auch wieder einmal unter's Gewehr getreten? rief Friedrich
hinauf.

Und Er, sagte der Invalide zu ihm, hätt's auch nicht so weit
kommen lassen sollen. Ich hab's Ihm schon einmal gesagt.

Damals war's schon zu spät, lachte Friedrich. Auf Wiedersehen!

Sein Vater war, ohne dem Invaliden zu antworten, voraus ge¬
gangen. Unter der Hausthüre wartete er auf ihn. Willst du dein
Mütterlich's nehmen und nach Amerika gehen? sagte er zu ihm.

Ich will mit meiner Christine drüber reden, antwortete Friedrich
und machte sich unverweilt auf den Weg.

Nach einer halben Stunde kam er heim und brachte die Antwort.
Sie will nicht, sagte er, sie erklärt, sie wolle sich in Ebersbach nicht
nachsagen lassen, sie habe so unrechte Dinge gethan, daß sie habe nach
Amerika gehen müssen, wo bloß die schlechten Leute hinwandern. Ihr
Wahlspruch sei: Bleibe im Lande und nähre dich redlich.

Es steht geschrieben, das Weib soll dem Mann folgen, sagte der
Sonnenwirth.

Das müßt' sie auch, wenn mir's Ernst wär', erwiderte Friedrich.
Aber ich bin mit mir selber nicht im Klaren, wie's mit dem Amerika
ist, ich weiß nicht, ob's Balken hat oder ob ich drin schwimmen kann.
Wenn ich allein wär', ging' ich schon; so aber lass' ich's auf die
Christine ankommen, weil ich selber nicht weiß was besser ist.

Da siehst du's: sie hängt wie ein Radschuh an dir und hindert
dich überall am Fortkommen.

Und wenn sie mir jetzt schon ganz verleidet wär' -- ich hab' ihr
mein Wort gegeben und das halt' ich ihr.


14 *

Sie blickten in die Höhe. Es war der Invalide, der ſich ſeit
langer Zeit zum erſtenmal wieder am Fenſter ſehen ließ.

Auch wieder einmal unter's Gewehr getreten? rief Friedrich
hinauf.

Und Er, ſagte der Invalide zu ihm, hätt's auch nicht ſo weit
kommen laſſen ſollen. Ich hab's Ihm ſchon einmal geſagt.

Damals war's ſchon zu ſpät, lachte Friedrich. Auf Wiederſehen!

Sein Vater war, ohne dem Invaliden zu antworten, voraus ge¬
gangen. Unter der Hausthüre wartete er auf ihn. Willſt du dein
Mütterlich's nehmen und nach Amerika gehen? ſagte er zu ihm.

Ich will mit meiner Chriſtine drüber reden, antwortete Friedrich
und machte ſich unverweilt auf den Weg.

Nach einer halben Stunde kam er heim und brachte die Antwort.
Sie will nicht, ſagte er, ſie erklärt, ſie wolle ſich in Ebersbach nicht
nachſagen laſſen, ſie habe ſo unrechte Dinge gethan, daß ſie habe nach
Amerika gehen müſſen, wo bloß die ſchlechten Leute hinwandern. Ihr
Wahlſpruch ſei: Bleibe im Lande und nähre dich redlich.

Es ſteht geſchrieben, das Weib ſoll dem Mann folgen, ſagte der
Sonnenwirth.

Das müßt' ſie auch, wenn mir's Ernſt wär', erwiderte Friedrich.
Aber ich bin mit mir ſelber nicht im Klaren, wie's mit dem Amerika
iſt, ich weiß nicht, ob's Balken hat oder ob ich drin ſchwimmen kann.
Wenn ich allein wär', ging' ich ſchon; ſo aber laſſ' ich's auf die
Chriſtine ankommen, weil ich ſelber nicht weiß was beſſer iſt.

Da ſiehſt du's: ſie hängt wie ein Radſchuh an dir und hindert
dich überall am Fortkommen.

Und wenn ſie mir jetzt ſchon ganz verleidet wär' — ich hab' ihr
mein Wort gegeben und das halt' ich ihr.


14 *
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[211/0227] Sie blickten in die Höhe. Es war der Invalide, der ſich ſeit langer Zeit zum erſtenmal wieder am Fenſter ſehen ließ. Auch wieder einmal unter's Gewehr getreten? rief Friedrich hinauf. Und Er, ſagte der Invalide zu ihm, hätt's auch nicht ſo weit kommen laſſen ſollen. Ich hab's Ihm ſchon einmal geſagt. Damals war's ſchon zu ſpät, lachte Friedrich. Auf Wiederſehen! Sein Vater war, ohne dem Invaliden zu antworten, voraus ge¬ gangen. Unter der Hausthüre wartete er auf ihn. Willſt du dein Mütterlich's nehmen und nach Amerika gehen? ſagte er zu ihm. Ich will mit meiner Chriſtine drüber reden, antwortete Friedrich und machte ſich unverweilt auf den Weg. Nach einer halben Stunde kam er heim und brachte die Antwort. Sie will nicht, ſagte er, ſie erklärt, ſie wolle ſich in Ebersbach nicht nachſagen laſſen, ſie habe ſo unrechte Dinge gethan, daß ſie habe nach Amerika gehen müſſen, wo bloß die ſchlechten Leute hinwandern. Ihr Wahlſpruch ſei: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. Es ſteht geſchrieben, das Weib ſoll dem Mann folgen, ſagte der Sonnenwirth. Das müßt' ſie auch, wenn mir's Ernſt wär', erwiderte Friedrich. Aber ich bin mit mir ſelber nicht im Klaren, wie's mit dem Amerika iſt, ich weiß nicht, ob's Balken hat oder ob ich drin ſchwimmen kann. Wenn ich allein wär', ging' ich ſchon; ſo aber laſſ' ich's auf die Chriſtine ankommen, weil ich ſelber nicht weiß was beſſer iſt. Da ſiehſt du's: ſie hängt wie ein Radſchuh an dir und hindert dich überall am Fortkommen. Und wenn ſie mir jetzt ſchon ganz verleidet wär' — ich hab' ihr mein Wort gegeben und das halt' ich ihr. 14 *

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/227>, abgerufen am 28.04.2024.