Türk' werden, erwiderte dieser trocken. Aber jetzt ist's wieder an mir! Eine Butell' für mich! rief er barsch, auf die Flasche deu¬ tend, dem Mädchen zu und konnte es doch nicht lassen, ihr nachzu¬ blicken, bis sie in der Thüre verschwand. Sie war feuerroth geworden und hatte die Flasche mit niedergeschlagenen Augen vom Tische ge¬ nommen.
Und wie sie so leibhaftig geht und steht! rief der Erste, der nicht müde werden konnte. O du Milch und Blut!
Magdalene erschien nicht wieder. Statt ihrer kam die Hausfrau, stellte die gefüllte Flasche auf den Tisch und nahm die Forellen, die der Fischer indessen auf den Stuhl zurückgebracht hatte, mit hinaus.
Da trink', Fischer! rief der jüngere Müller einschenkend. Der treibt die Seelenmühle, vielleicht treibt er dir auch ein wenig Blut in die farblosen Backen.
Ja, das ist wahr, du siehst aus, wie wenn du's mit einer Wasser¬ jungfer hattest, sagte der Aeltere.
Und so alt bist du geworden, Kerl! fügte der Jüngere hinzu. Wenn man sich tagtäglich im Wasser hetzen und verkälten muß, und hat magere Bissen dabei, entgegnete der Fischer unmuthig, so ist's kein Wunder, wenn der Firniß abgeht.
Wie alt bist denn, Fischerhanne? Du siehst aus, wie wenn du schon das Schwabenalter erreicht hättest, und bist doch glaub' ich mit dem Sonnenwirthle aus der Schul' gekommen.
Ja, den hat man aber auch sorgfältiger aufgehoben als mich, da ist's kein Wunder, versetzte der Fischer mit hämischem Tone, und ein Strahl leuchtete flüchtig in seinen todten grauen Augen auf. Der ist ja so gut verwahrt, daß ihn kein rauhes Lüftle anwehen kann. Wie lang sitzt er denn noch im Zuchthaus?
Er wird seine Zeit jetzt so ziemlich abgesessen haben.
Was, der Sonnenwirth hat einen Sohn im Zuchthaus? rief der Müllerknecht aus voller Lunge herüber. Er hatte die frühere Antwort nicht recht begriffen.
Sachte, Peter, sachte mit der Braut! sagte sein Herr und hielt ihm die Flasche hin, um einzuschenken. Mußt nicht so laut schreien. Im Haus des Gehenkten ist nicht gut vom Strick reden.
Türk' werden, erwiderte dieſer trocken. Aber jetzt iſt's wieder an mir! Eine Butell' für mich! rief er barſch, auf die Flaſche deu¬ tend, dem Mädchen zu und konnte es doch nicht laſſen, ihr nachzu¬ blicken, bis ſie in der Thüre verſchwand. Sie war feuerroth geworden und hatte die Flaſche mit niedergeſchlagenen Augen vom Tiſche ge¬ nommen.
Und wie ſie ſo leibhaftig geht und ſteht! rief der Erſte, der nicht müde werden konnte. O du Milch und Blut!
Magdalene erſchien nicht wieder. Statt ihrer kam die Hausfrau, ſtellte die gefüllte Flaſche auf den Tiſch und nahm die Forellen, die der Fiſcher indeſſen auf den Stuhl zurückgebracht hatte, mit hinaus.
Da trink', Fiſcher! rief der jüngere Müller einſchenkend. Der treibt die Seelenmühle, vielleicht treibt er dir auch ein wenig Blut in die farbloſen Backen.
Ja, das iſt wahr, du ſiehſt aus, wie wenn du's mit einer Waſſer¬ jungfer hatteſt, ſagte der Aeltere.
Und ſo alt biſt du geworden, Kerl! fügte der Jüngere hinzu. Wenn man ſich tagtäglich im Waſſer hetzen und verkälten muß, und hat magere Biſſen dabei, entgegnete der Fiſcher unmuthig, ſo iſt's kein Wunder, wenn der Firniß abgeht.
Wie alt biſt denn, Fiſcherhanne? Du ſiehſt aus, wie wenn du ſchon das Schwabenalter erreicht hätteſt, und biſt doch glaub' ich mit dem Sonnenwirthle aus der Schul' gekommen.
Ja, den hat man aber auch ſorgfältiger aufgehoben als mich, da iſt's kein Wunder, verſetzte der Fiſcher mit hämiſchem Tone, und ein Strahl leuchtete flüchtig in ſeinen todten grauen Augen auf. Der iſt ja ſo gut verwahrt, daß ihn kein rauhes Lüftle anwehen kann. Wie lang ſitzt er denn noch im Zuchthaus?
Er wird ſeine Zeit jetzt ſo ziemlich abgeſeſſen haben.
Was, der Sonnenwirth hat einen Sohn im Zuchthaus? rief der Müllerknecht aus voller Lunge herüber. Er hatte die frühere Antwort nicht recht begriffen.
Sachte, Peter, ſachte mit der Braut! ſagte ſein Herr und hielt ihm die Flaſche hin, um einzuſchenken. Mußt nicht ſo laut ſchreien. Im Haus des Gehenkten iſt nicht gut vom Strick reden.
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Türk' werden, erwiderte dieſer trocken. Aber jetzt iſt's wieder an
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tend, dem Mädchen zu und konnte es doch nicht laſſen, ihr nachzu¬
blicken, bis ſie in der Thüre verſchwand. Sie war feuerroth geworden
und hatte die Flaſche mit niedergeſchlagenen Augen vom Tiſche ge¬
nommen.
Und wie ſie ſo leibhaftig geht und ſteht! rief der Erſte, der nicht
müde werden konnte. O du Milch und Blut!
Magdalene erſchien nicht wieder. Statt ihrer kam die Hausfrau,
ſtellte die gefüllte Flaſche auf den Tiſch und nahm die Forellen, die
der Fiſcher indeſſen auf den Stuhl zurückgebracht hatte, mit hinaus.
Da trink', Fiſcher! rief der jüngere Müller einſchenkend. Der
treibt die Seelenmühle, vielleicht treibt er dir auch ein wenig Blut in
die farbloſen Backen.
Ja, das iſt wahr, du ſiehſt aus, wie wenn du's mit einer Waſſer¬
jungfer hatteſt, ſagte der Aeltere.
Und ſo alt biſt du geworden, Kerl! fügte der Jüngere hinzu.
Wenn man ſich tagtäglich im Waſſer hetzen und verkälten muß, und
hat magere Biſſen dabei, entgegnete der Fiſcher unmuthig, ſo iſt's kein
Wunder, wenn der Firniß abgeht.
Wie alt biſt denn, Fiſcherhanne? Du ſiehſt aus, wie wenn du
ſchon das Schwabenalter erreicht hätteſt, und biſt doch glaub' ich mit
dem Sonnenwirthle aus der Schul' gekommen.
Ja, den hat man aber auch ſorgfältiger aufgehoben als mich, da
iſt's kein Wunder, verſetzte der Fiſcher mit hämiſchem Tone, und ein
Strahl leuchtete flüchtig in ſeinen todten grauen Augen auf. Der iſt
ja ſo gut verwahrt, daß ihn kein rauhes Lüftle anwehen kann. Wie
lang ſitzt er denn noch im Zuchthaus?
Er wird ſeine Zeit jetzt ſo ziemlich abgeſeſſen haben.
Was, der Sonnenwirth hat einen Sohn im Zuchthaus? rief der
Müllerknecht aus voller Lunge herüber. Er hatte die frühere Antwort
nicht recht begriffen.
Sachte, Peter, ſachte mit der Braut! ſagte ſein Herr und hielt ihm
die Flaſche hin, um einzuſchenken. Mußt nicht ſo laut ſchreien. Im
Haus des Gehenkten iſt nicht gut vom Strick reden.
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/37>, abgerufen am 28.04.2024.
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