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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Die Mutter hat zwei Deutsche zu Männern gehabt, sagte der Zi¬
geuner lächelnd zu seinen Gesellen. Das verbirgt sich nicht. Aber
ihr Vorschlag scheint mir gut.

Tres bon, sagte Bettelmelcher, das Project ist insidiös.

Schwamenjackel sagte nichts, sondern schaute gedankenvoll durch die
leere Flasche, die er sich vor die Augen hielt. Die stumme Kund¬
gebung bewog seinen Genossen, dem versäumten Schenkendienste ge¬
wissenhaft wieder obzuliegen.

Was sagst du zu dem Antrag, Bruder Schwan? wendete sich der
Zigeuner an den Gast.

Ich rechne mir Euer Zutrauen zur Ehre, antwortete dieser, aber
ich weiß nicht, ob ich auf den Posten tauge.

Zweifel und Bedenken über deine Fähigkeit lassen wir nicht gelten,
da gib dir nur gar keine Mühe, erwiderte der Zigeuner. Es fragt
sich bloß, ob du Lust und Liebe hast, dich zu einem gemeinsamen
Geschäftsbetrieb mit uns zu verbinden, und ich denke, die Antwort
sollte dir nicht schwer werden. Du weißt, ich hab' dich schon von
Hohentwiel aus mitnehmen wollen, und es hat mir nicht gefallen,
daß du durchaus nach Ebersbach gewollt hast. Jetzt seh' ich's noch
viel deutlicher ein, daß dein Herumhocken in dieser Gegend zu nichts
Gutem führen kann. Deine Hartnäckigkeit bringt dich gewiß noch an
den Göppinger Galgen. Mach' daß du in eine andre Luft kommst;
es ist allenthalben etwas zu verdienen. Und was ist das für eine
Existenz, für Leben und Sterben hier und da ein Stück Fleisch oder
Brod aus einem Haus zu holen und den Hals dabei zu riskiren,
oder einem Brenner aus Malice, weil er einen elenden Fusel her¬
gegeben hat, den Brennhafen fortzuschleppen, den man unterwegs liegen
lassen muß! Das mag, wie gesagt, zur Abwechslung dann und wann
recht sein, wenn nicht viel dabei auf dem Spiel steht, aber für einen
Mann von deinen Gaben -- nimm mir's nicht übel, Schwan, du
weißt, ich pflege offen zu reden, und als dein Freund und Kriegs¬
kamerad brauch' ich kein Blatt vor den Mund zu nehmen -- für
einen Mann, der, wie du, zu etwas Besserem bestimmt ist, ist es ein
erbärmliches Handwerk. Ich sag' dir, es ist unter deiner Würde, und
wie viel du Seide dabei gesponnen hast, wirst du selbst am besten
wissen.

Die Mutter hat zwei Deutſche zu Männern gehabt, ſagte der Zi¬
geuner lächelnd zu ſeinen Geſellen. Das verbirgt ſich nicht. Aber
ihr Vorſchlag ſcheint mir gut.

Très bon, ſagte Bettelmelcher, das Project iſt inſidiös.

Schwamenjackel ſagte nichts, ſondern ſchaute gedankenvoll durch die
leere Flaſche, die er ſich vor die Augen hielt. Die ſtumme Kund¬
gebung bewog ſeinen Genoſſen, dem verſäumten Schenkendienſte ge¬
wiſſenhaft wieder obzuliegen.

Was ſagſt du zu dem Antrag, Bruder Schwan? wendete ſich der
Zigeuner an den Gaſt.

Ich rechne mir Euer Zutrauen zur Ehre, antwortete dieſer, aber
ich weiß nicht, ob ich auf den Poſten tauge.

Zweifel und Bedenken über deine Fähigkeit laſſen wir nicht gelten,
da gib dir nur gar keine Mühe, erwiderte der Zigeuner. Es fragt
ſich bloß, ob du Luſt und Liebe haſt, dich zu einem gemeinſamen
Geſchäftsbetrieb mit uns zu verbinden, und ich denke, die Antwort
ſollte dir nicht ſchwer werden. Du weißt, ich hab' dich ſchon von
Hohentwiel aus mitnehmen wollen, und es hat mir nicht gefallen,
daß du durchaus nach Ebersbach gewollt haſt. Jetzt ſeh' ich's noch
viel deutlicher ein, daß dein Herumhocken in dieſer Gegend zu nichts
Gutem führen kann. Deine Hartnäckigkeit bringt dich gewiß noch an
den Göppinger Galgen. Mach' daß du in eine andre Luft kommſt;
es iſt allenthalben etwas zu verdienen. Und was iſt das für eine
Exiſtenz, für Leben und Sterben hier und da ein Stück Fleiſch oder
Brod aus einem Haus zu holen und den Hals dabei zu riskiren,
oder einem Brenner aus Malice, weil er einen elenden Fuſel her¬
gegeben hat, den Brennhafen fortzuſchleppen, den man unterwegs liegen
laſſen muß! Das mag, wie geſagt, zur Abwechslung dann und wann
recht ſein, wenn nicht viel dabei auf dem Spiel ſteht, aber für einen
Mann von deinen Gaben — nimm mir's nicht übel, Schwan, du
weißt, ich pflege offen zu reden, und als dein Freund und Kriegs¬
kamerad brauch' ich kein Blatt vor den Mund zu nehmen — für
einen Mann, der, wie du, zu etwas Beſſerem beſtimmt iſt, iſt es ein
erbärmliches Handwerk. Ich ſag' dir, es iſt unter deiner Würde, und
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[381/0397] Die Mutter hat zwei Deutſche zu Männern gehabt, ſagte der Zi¬ geuner lächelnd zu ſeinen Geſellen. Das verbirgt ſich nicht. Aber ihr Vorſchlag ſcheint mir gut. Très bon, ſagte Bettelmelcher, das Project iſt inſidiös. Schwamenjackel ſagte nichts, ſondern ſchaute gedankenvoll durch die leere Flaſche, die er ſich vor die Augen hielt. Die ſtumme Kund¬ gebung bewog ſeinen Genoſſen, dem verſäumten Schenkendienſte ge¬ wiſſenhaft wieder obzuliegen. Was ſagſt du zu dem Antrag, Bruder Schwan? wendete ſich der Zigeuner an den Gaſt. Ich rechne mir Euer Zutrauen zur Ehre, antwortete dieſer, aber ich weiß nicht, ob ich auf den Poſten tauge. Zweifel und Bedenken über deine Fähigkeit laſſen wir nicht gelten, da gib dir nur gar keine Mühe, erwiderte der Zigeuner. Es fragt ſich bloß, ob du Luſt und Liebe haſt, dich zu einem gemeinſamen Geſchäftsbetrieb mit uns zu verbinden, und ich denke, die Antwort ſollte dir nicht ſchwer werden. Du weißt, ich hab' dich ſchon von Hohentwiel aus mitnehmen wollen, und es hat mir nicht gefallen, daß du durchaus nach Ebersbach gewollt haſt. Jetzt ſeh' ich's noch viel deutlicher ein, daß dein Herumhocken in dieſer Gegend zu nichts Gutem führen kann. Deine Hartnäckigkeit bringt dich gewiß noch an den Göppinger Galgen. Mach' daß du in eine andre Luft kommſt; es iſt allenthalben etwas zu verdienen. Und was iſt das für eine Exiſtenz, für Leben und Sterben hier und da ein Stück Fleiſch oder Brod aus einem Haus zu holen und den Hals dabei zu riskiren, oder einem Brenner aus Malice, weil er einen elenden Fuſel her¬ gegeben hat, den Brennhafen fortzuſchleppen, den man unterwegs liegen laſſen muß! Das mag, wie geſagt, zur Abwechslung dann und wann recht ſein, wenn nicht viel dabei auf dem Spiel ſteht, aber für einen Mann von deinen Gaben — nimm mir's nicht übel, Schwan, du weißt, ich pflege offen zu reden, und als dein Freund und Kriegs¬ kamerad brauch' ich kein Blatt vor den Mund zu nehmen — für einen Mann, der, wie du, zu etwas Beſſerem beſtimmt iſt, iſt es ein erbärmliches Handwerk. Ich ſag' dir, es iſt unter deiner Würde, und wie viel du Seide dabei geſponnen haſt, wirſt du ſelbſt am beſten wiſſen.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/397>, abgerufen am 29.05.2024.