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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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bildete. Mit diesen Worten ging er rasch seines Weges, und Schwamen¬
jackel folgte ihm, so daß Friedrich nur die Wahl hatte, auf seine
schöne Freundin vom Walde, die den Fingerzeig gesehen hatte, zu
warten, oder mit sichtbarer Geflissenheit ihre Gesellschaft zu meiden.
Er fand keinen Grund, ihr diese Beleidigung zuzufügen, wohl aber
hundert Gründe, das Gegentheil zu thun.

Komm, Katharina, sagte er, am Wege stehen bleibend.
Ich heiße nicht Katharina, erwiderte sie. Christina ist mein Name.
Du heißt also wie meine Frau? rief er erstaunt. Warum haben
dir denn die Deinigen einen falschen Namen gegeben?

Um meiner Sicherheit willen, antwortete sie. Ich bin aller Länder,
außer Frankreich, Sachsen und Ungarn, verbannt, hab' überall Urphede
schwören müssen, und wenn ich mich betreten ließe, so ging' mir's um
den Hals.

Noch so jung und schon so viel erlebt! sagte er.
Von Kindesbeinen an bin ich in der Welt herumgehetzt und hab'
früh lernen müssen auf eigenen Füßen stehen, denn meine Mutter kann
mir rathen, aber nicht helfen, sie ist eben eine uralte Frau.
Wo ist sie jetzt?

Sie betet ein Pater und Ave Maria um's andere, damit unser
nächstes Vorhaben gelingen möge.

Das kommt mir sonderbar vor, bemerkte er. So gut stehen wir
Lutheraner nicht mit dem Himmel, daß wir so frei wären ihm zuzu¬
muthen, er solle uns bei -- solchen Dingen behilflich sein.

Warum denn nicht? versetzte sie ruhig. Deine honnetten Spie߬
bürger, die Ketzer wie die katholischen Christen, beten auch täglich zu
Gott, daß er sie in ihrer Hanthierung segnen möge, und was ist ihre
Hanthierung? Einander bestehlen, betrügen, unterdrücken, den guten
Namen morden. Geh' in den Landen umher und zähle die Leute,
die im wahren Sinn des Worts ehrlich sind und also allein zu beten
berechtigt wären. Du wirst keine große Tafel zum Aufschreiben brauchen.
Du hast Recht, erwiderte er.

Sie gingen einige Zeit stumm neben einander, während welcher
er es nicht unterlassen konnte, wiederholt ihre Augen zu suchen.

Du scheinst mir nicht recht aufgeräumt zu sein, begann sie nach
einer Weile. Es gefällt dir nicht bei uns.

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 26

bildete. Mit dieſen Worten ging er raſch ſeines Weges, und Schwamen¬
jackel folgte ihm, ſo daß Friedrich nur die Wahl hatte, auf ſeine
ſchöne Freundin vom Walde, die den Fingerzeig geſehen hatte, zu
warten, oder mit ſichtbarer Gefliſſenheit ihre Geſellſchaft zu meiden.
Er fand keinen Grund, ihr dieſe Beleidigung zuzufügen, wohl aber
hundert Gründe, das Gegentheil zu thun.

Komm, Katharina, ſagte er, am Wege ſtehen bleibend.
Ich heiße nicht Katharina, erwiderte ſie. Chriſtina iſt mein Name.
Du heißt alſo wie meine Frau? rief er erſtaunt. Warum haben
dir denn die Deinigen einen falſchen Namen gegeben?

Um meiner Sicherheit willen, antwortete ſie. Ich bin aller Länder,
außer Frankreich, Sachſen und Ungarn, verbannt, hab' überall Urphede
ſchwören müſſen, und wenn ich mich betreten ließe, ſo ging' mir's um
den Hals.

Noch ſo jung und ſchon ſo viel erlebt! ſagte er.
Von Kindesbeinen an bin ich in der Welt herumgehetzt und hab'
früh lernen müſſen auf eigenen Füßen ſtehen, denn meine Mutter kann
mir rathen, aber nicht helfen, ſie iſt eben eine uralte Frau.
Wo iſt ſie jetzt?

Sie betet ein Pater und Ave Maria um's andere, damit unſer
nächſtes Vorhaben gelingen möge.

Das kommt mir ſonderbar vor, bemerkte er. So gut ſtehen wir
Lutheraner nicht mit dem Himmel, daß wir ſo frei wären ihm zuzu¬
muthen, er ſolle uns bei — ſolchen Dingen behilflich ſein.

Warum denn nicht? verſetzte ſie ruhig. Deine honnetten Spie߬
bürger, die Ketzer wie die katholiſchen Chriſten, beten auch täglich zu
Gott, daß er ſie in ihrer Hanthierung ſegnen möge, und was iſt ihre
Hanthierung? Einander beſtehlen, betrügen, unterdrücken, den guten
Namen morden. Geh' in den Landen umher und zähle die Leute,
die im wahren Sinn des Worts ehrlich ſind und alſo allein zu beten
berechtigt wären. Du wirſt keine große Tafel zum Aufſchreiben brauchen.
Du haſt Recht, erwiderte er.

Sie gingen einige Zeit ſtumm neben einander, während welcher
er es nicht unterlaſſen konnte, wiederholt ihre Augen zu ſuchen.

Du ſcheinſt mir nicht recht aufgeräumt zu ſein, begann ſie nach
einer Weile. Es gefällt dir nicht bei uns.

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[401/0417] bildete. Mit dieſen Worten ging er raſch ſeines Weges, und Schwamen¬ jackel folgte ihm, ſo daß Friedrich nur die Wahl hatte, auf ſeine ſchöne Freundin vom Walde, die den Fingerzeig geſehen hatte, zu warten, oder mit ſichtbarer Gefliſſenheit ihre Geſellſchaft zu meiden. Er fand keinen Grund, ihr dieſe Beleidigung zuzufügen, wohl aber hundert Gründe, das Gegentheil zu thun. Komm, Katharina, ſagte er, am Wege ſtehen bleibend. Ich heiße nicht Katharina, erwiderte ſie. Chriſtina iſt mein Name. Du heißt alſo wie meine Frau? rief er erſtaunt. Warum haben dir denn die Deinigen einen falſchen Namen gegeben? Um meiner Sicherheit willen, antwortete ſie. Ich bin aller Länder, außer Frankreich, Sachſen und Ungarn, verbannt, hab' überall Urphede ſchwören müſſen, und wenn ich mich betreten ließe, ſo ging' mir's um den Hals. Noch ſo jung und ſchon ſo viel erlebt! ſagte er. Von Kindesbeinen an bin ich in der Welt herumgehetzt und hab' früh lernen müſſen auf eigenen Füßen ſtehen, denn meine Mutter kann mir rathen, aber nicht helfen, ſie iſt eben eine uralte Frau. Wo iſt ſie jetzt? Sie betet ein Pater und Ave Maria um's andere, damit unſer nächſtes Vorhaben gelingen möge. Das kommt mir ſonderbar vor, bemerkte er. So gut ſtehen wir Lutheraner nicht mit dem Himmel, daß wir ſo frei wären ihm zuzu¬ muthen, er ſolle uns bei — ſolchen Dingen behilflich ſein. Warum denn nicht? verſetzte ſie ruhig. Deine honnetten Spie߬ bürger, die Ketzer wie die katholiſchen Chriſten, beten auch täglich zu Gott, daß er ſie in ihrer Hanthierung ſegnen möge, und was iſt ihre Hanthierung? Einander beſtehlen, betrügen, unterdrücken, den guten Namen morden. Geh' in den Landen umher und zähle die Leute, die im wahren Sinn des Worts ehrlich ſind und alſo allein zu beten berechtigt wären. Du wirſt keine große Tafel zum Aufſchreiben brauchen. Du haſt Recht, erwiderte er. Sie gingen einige Zeit ſtumm neben einander, während welcher er es nicht unterlaſſen konnte, wiederholt ihre Augen zu ſuchen. Du ſcheinſt mir nicht recht aufgeräumt zu ſein, begann ſie nach einer Weile. Es gefällt dir nicht bei uns. D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 26

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/417>, abgerufen am 28.05.2024.