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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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alten Zeiten Mode war, von ihrem Berg in's Thal hinunterspähten
und die vorbeiziehenden Kaufleute überfielen.

Blitz! das war kein übles Geschäft! rief Schwamenjackel: da kann
man auf Einen Zug einen guten Fang thun. Möcht' wohl auch ein¬
mal dabei sein.

Gelt, wenn die reichen Augsburger und Ulmer auf die Frank¬
furter Messe ziehen? fragte Bettelmelcher.

Oho! lachte der Ebersbacher Bürgerssohn. Da laß dir nur die
Lust vergehen. Ich hab's oft mit angesehen, wie die mit ihrem Ge¬
leite das Filsthal herunterziehen. Von Ulm werden sie an Wirtem¬
berg überliefert und von einer stattlichen wohlbewaffneten Mannschaft
in die Mitte genommen. Da könntest du dir die Zähne ausbeißen.

Ja, ja, so ist es immer! bemerkte der Zigeuner. Den großen
Dieben ist nicht beizukommen.

Es gibt auch mittlere, versetzte Bettelmelcher. Komm, sagte er,
den neuen Freund bei der Hand nehmend, und führte ihn auf die
andre Seite des Berges. Die Uebrigen folgten und sammelten sich
um sie. Du siehst das Dorf da drunten, links über Wäschenbeuren
hinaus?

Wohl, das ist Börtlingen.

Dort, fuhr Bettelmelcher fort, wohnt ein Schultheiß, den du in
dein Gebet einschließest, so oft du über die Falschheit der Welt fluchst.
Er ist ein Heuchler, ein Kopfhänger, ein Wucherer, und das ist die
beste Seite an ihm, denn er hat brav Geld. Von seiner Lieblosigkeit
gegen seine Nebenmenschen kann ich selbst Zeugniß ablegen, denn ich
hab' einmal bei ihm gebettelt, was die beste Gelegenheit zum Aus¬
kundschaften ist, und bin von ihm mit dem Bescheid weggewiesen wor¬
den, ich sei ein fauler Tagdieb, solle sehen, daß ich was zu arbeiten
bekomme. Bist du dabei, wenn wir ihm heut Nacht einen Besuch
machen?

Ich halte mein Wort, erklärte Friedrich mit entschiedenem Ton,
die Stirn zusammenziehend.

Das Haus steht in den Gärten, es sind nur drei Personen drin,
er, seine Frau und seine Magd. Wenn man alert drauf losgeht, so
ist wohl beizukommen. An Händen fehlt es nicht, für den Fall, daß
im Dorf Lärm entstehen sollte. Wir sind unsrer sieben Genossen, und

alten Zeiten Mode war, von ihrem Berg in's Thal hinunterſpähten
und die vorbeiziehenden Kaufleute überfielen.

Blitz! das war kein übles Geſchäft! rief Schwamenjackel: da kann
man auf Einen Zug einen guten Fang thun. Möcht' wohl auch ein¬
mal dabei ſein.

Gelt, wenn die reichen Augsburger und Ulmer auf die Frank¬
furter Meſſe ziehen? fragte Bettelmelcher.

Oho! lachte der Ebersbacher Bürgersſohn. Da laß dir nur die
Luſt vergehen. Ich hab's oft mit angeſehen, wie die mit ihrem Ge¬
leite das Filsthal herunterziehen. Von Ulm werden ſie an Wirtem¬
berg überliefert und von einer ſtattlichen wohlbewaffneten Mannſchaft
in die Mitte genommen. Da könnteſt du dir die Zähne ausbeißen.

Ja, ja, ſo iſt es immer! bemerkte der Zigeuner. Den großen
Dieben iſt nicht beizukommen.

Es gibt auch mittlere, verſetzte Bettelmelcher. Komm, ſagte er,
den neuen Freund bei der Hand nehmend, und führte ihn auf die
andre Seite des Berges. Die Uebrigen folgten und ſammelten ſich
um ſie. Du ſiehſt das Dorf da drunten, links über Wäſchenbeuren
hinaus?

Wohl, das iſt Börtlingen.

Dort, fuhr Bettelmelcher fort, wohnt ein Schultheiß, den du in
dein Gebet einſchließeſt, ſo oft du über die Falſchheit der Welt fluchſt.
Er iſt ein Heuchler, ein Kopfhänger, ein Wucherer, und das iſt die
beſte Seite an ihm, denn er hat brav Geld. Von ſeiner Liebloſigkeit
gegen ſeine Nebenmenſchen kann ich ſelbſt Zeugniß ablegen, denn ich
hab' einmal bei ihm gebettelt, was die beſte Gelegenheit zum Aus¬
kundſchaften iſt, und bin von ihm mit dem Beſcheid weggewieſen wor¬
den, ich ſei ein fauler Tagdieb, ſolle ſehen, daß ich was zu arbeiten
bekomme. Biſt du dabei, wenn wir ihm heut Nacht einen Beſuch
machen?

Ich halte mein Wort, erklärte Friedrich mit entſchiedenem Ton,
die Stirn zuſammenziehend.

Das Haus ſteht in den Gärten, es ſind nur drei Perſonen drin,
er, ſeine Frau und ſeine Magd. Wenn man alert drauf losgeht, ſo
iſt wohl beizukommen. An Händen fehlt es nicht, für den Fall, daß
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[408/0424] alten Zeiten Mode war, von ihrem Berg in's Thal hinunterſpähten und die vorbeiziehenden Kaufleute überfielen. Blitz! das war kein übles Geſchäft! rief Schwamenjackel: da kann man auf Einen Zug einen guten Fang thun. Möcht' wohl auch ein¬ mal dabei ſein. Gelt, wenn die reichen Augsburger und Ulmer auf die Frank¬ furter Meſſe ziehen? fragte Bettelmelcher. Oho! lachte der Ebersbacher Bürgersſohn. Da laß dir nur die Luſt vergehen. Ich hab's oft mit angeſehen, wie die mit ihrem Ge¬ leite das Filsthal herunterziehen. Von Ulm werden ſie an Wirtem¬ berg überliefert und von einer ſtattlichen wohlbewaffneten Mannſchaft in die Mitte genommen. Da könnteſt du dir die Zähne ausbeißen. Ja, ja, ſo iſt es immer! bemerkte der Zigeuner. Den großen Dieben iſt nicht beizukommen. Es gibt auch mittlere, verſetzte Bettelmelcher. Komm, ſagte er, den neuen Freund bei der Hand nehmend, und führte ihn auf die andre Seite des Berges. Die Uebrigen folgten und ſammelten ſich um ſie. Du ſiehſt das Dorf da drunten, links über Wäſchenbeuren hinaus? Wohl, das iſt Börtlingen. Dort, fuhr Bettelmelcher fort, wohnt ein Schultheiß, den du in dein Gebet einſchließeſt, ſo oft du über die Falſchheit der Welt fluchſt. Er iſt ein Heuchler, ein Kopfhänger, ein Wucherer, und das iſt die beſte Seite an ihm, denn er hat brav Geld. Von ſeiner Liebloſigkeit gegen ſeine Nebenmenſchen kann ich ſelbſt Zeugniß ablegen, denn ich hab' einmal bei ihm gebettelt, was die beſte Gelegenheit zum Aus¬ kundſchaften iſt, und bin von ihm mit dem Beſcheid weggewieſen wor¬ den, ich ſei ein fauler Tagdieb, ſolle ſehen, daß ich was zu arbeiten bekomme. Biſt du dabei, wenn wir ihm heut Nacht einen Beſuch machen? Ich halte mein Wort, erklärte Friedrich mit entſchiedenem Ton, die Stirn zuſammenziehend. Das Haus ſteht in den Gärten, es ſind nur drei Perſonen drin, er, ſeine Frau und ſeine Magd. Wenn man alert drauf losgeht, ſo iſt wohl beizukommen. An Händen fehlt es nicht, für den Fall, daß im Dorf Lärm entſtehen ſollte. Wir ſind unſrer ſieben Genoſſen, und

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/424>, abgerufen am 30.05.2024.