Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 25. Das Subject der kaiserlichen Rechte.

Damit ist dann aber von selbst die Folge gegeben, daß über
die Normirung der Fälle, in welchen eine Regentschaft eingerichtet
werden muß, über das Recht zur Uebernahme der Regentschaft,
über die gesetzliche Fürsorge für den Fall, daß kein volljähriger
Agnat vorhanden ist, über das eventuell eintretende Wahlrecht
des Landtages, über die interimistische Führung der Regierung
durch das Staatsministerium und über den Antritt der Regent-
schaft, einzig und allein die Bestimmungen der Preußischen Ver-
fassung (Art. 56--58) zur Anwendung kommen können. Die
Einrichtung einer Regentschaft in Preußen ist für das Reich ganz
ebenso wie ein Thronwechsel in Preußen, der durch Todesfall
herbeigeführt wird, ein thatsächliches Ereigniß, dessen Folgen es
hinnehmen muß.

Auch in einer anderen Richtung hat eine Bestimmung der
Preußischen Verfassungs-Urkunde zu Bedenken hinsichtlich des Er-
werbes der kaiserlichen Rechte Veranlassung gegeben. Im Art. 54
der Pr. V.-U. wird nämlich dem Könige von Preußen die Ablei-
stung eines Verfassungseides zur Pflicht gemacht. Hieraus folgert
nun v. Rönne a. a. O. S. 157, "daß, sowie der Nachfolger
in der Preußischen Krone, wenn er es unterlassen oder sich aus-
drücklich weigern sollte, der Verpflichtung des Abs. 2 des Art. 54
nachzukommen, rechtlich nicht befugt ist, die durch die Preuß.
Verfassungsurk. mit der Preußischen Krone verbundenen Regie-
rungsrechte auszuüben, derselbe auch rechtlich nicht die Befugniß
hat, die durch die Verfassung des deutschen Reiches nur dem jedes-
maligen Inhaber der Preußischen Krone übertragenen Regierungs-
rechte auszuüben." Uebereinstimmend hiermit ist v. Mohl Reichs-
staatsr. S. 284. Diese Folgerung für das Reichsrecht wäre richtig,
wenn der von v. Rönne angenomme Satz des Preußischen Staats-
rechtes begründet wäre. In seinem Staatsrecht der Preußischen
Monarchie I §. 185 1) führt er aus, daß die Ableistung des Eides
eine "Bedingung" der Ausübung der verfassungsmäßigen Rechte
des Königs sei und daß im Falle der Verweigerung des Ver-
fassungseides die Regierung des Königs vorläufig eine rein that-
sächliche, nicht aber eine rechtliche und verfassungsmäßige sei 2).

1) (3. Aufl. I. 2 S. 588 fg.)
2) Die Theorie beruht auf den Ausführungen v. Mohl's in dessen
Württemb. Staatsr. I. S. 172 ff.
§. 25. Das Subject der kaiſerlichen Rechte.

Damit iſt dann aber von ſelbſt die Folge gegeben, daß über
die Normirung der Fälle, in welchen eine Regentſchaft eingerichtet
werden muß, über das Recht zur Uebernahme der Regentſchaft,
über die geſetzliche Fürſorge für den Fall, daß kein volljähriger
Agnat vorhanden iſt, über das eventuell eintretende Wahlrecht
des Landtages, über die interimiſtiſche Führung der Regierung
durch das Staatsminiſterium und über den Antritt der Regent-
ſchaft, einzig und allein die Beſtimmungen der Preußiſchen Ver-
faſſung (Art. 56—58) zur Anwendung kommen können. Die
Einrichtung einer Regentſchaft in Preußen iſt für das Reich ganz
ebenſo wie ein Thronwechſel in Preußen, der durch Todesfall
herbeigeführt wird, ein thatſächliches Ereigniß, deſſen Folgen es
hinnehmen muß.

Auch in einer anderen Richtung hat eine Beſtimmung der
Preußiſchen Verfaſſungs-Urkunde zu Bedenken hinſichtlich des Er-
werbes der kaiſerlichen Rechte Veranlaſſung gegeben. Im Art. 54
der Pr. V.-U. wird nämlich dem Könige von Preußen die Ablei-
ſtung eines Verfaſſungseides zur Pflicht gemacht. Hieraus folgert
nun v. Rönne a. a. O. S. 157, „daß, ſowie der Nachfolger
in der Preußiſchen Krone, wenn er es unterlaſſen oder ſich aus-
drücklich weigern ſollte, der Verpflichtung des Abſ. 2 des Art. 54
nachzukommen, rechtlich nicht befugt iſt, die durch die Preuß.
Verfaſſungsurk. mit der Preußiſchen Krone verbundenen Regie-
rungsrechte auszuüben, derſelbe auch rechtlich nicht die Befugniß
hat, die durch die Verfaſſung des deutſchen Reiches nur dem jedes-
maligen Inhaber der Preußiſchen Krone übertragenen Regierungs-
rechte auszuüben.“ Uebereinſtimmend hiermit iſt v. Mohl Reichs-
ſtaatsr. S. 284. Dieſe Folgerung für das Reichsrecht wäre richtig,
wenn der von v. Rönne angenomme Satz des Preußiſchen Staats-
rechtes begründet wäre. In ſeinem Staatsrecht der Preußiſchen
Monarchie I §. 185 1) führt er aus, daß die Ableiſtung des Eides
eine „Bedingung“ der Ausübung der verfaſſungsmäßigen Rechte
des Königs ſei und daß im Falle der Verweigerung des Ver-
faſſungseides die Regierung des Königs vorläufig eine rein that-
ſächliche, nicht aber eine rechtliche und verfaſſungsmäßige ſei 2).

1) (3. Aufl. I. 2 S. 588 fg.)
2) Die Theorie beruht auf den Ausführungen v. Mohl’s in deſſen
Württemb. Staatsr. I. S. 172 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0238" n="218"/>
            <fw place="top" type="header">§. 25. Das Subject der kai&#x017F;erlichen Rechte.</fw><lb/>
            <p>Damit i&#x017F;t dann aber von &#x017F;elb&#x017F;t die Folge gegeben, daß über<lb/>
die Normirung der Fälle, in welchen eine Regent&#x017F;chaft eingerichtet<lb/>
werden muß, über das Recht zur Uebernahme der Regent&#x017F;chaft,<lb/>
über die ge&#x017F;etzliche Für&#x017F;orge für den Fall, daß kein volljähriger<lb/>
Agnat vorhanden i&#x017F;t, über das eventuell eintretende Wahlrecht<lb/>
des Landtages, über die interimi&#x017F;ti&#x017F;che Führung der Regierung<lb/>
durch das Staatsmini&#x017F;terium und über den Antritt der Regent-<lb/>
&#x017F;chaft, einzig und allein die Be&#x017F;timmungen der Preußi&#x017F;chen Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung (Art. 56&#x2014;58) zur Anwendung kommen können. Die<lb/>
Einrichtung einer Regent&#x017F;chaft in Preußen i&#x017F;t für das Reich ganz<lb/>
eben&#x017F;o wie ein Thronwech&#x017F;el in Preußen, der durch Todesfall<lb/>
herbeigeführt wird, ein that&#x017F;ächliches Ereigniß, de&#x017F;&#x017F;en Folgen es<lb/>
hinnehmen muß.</p><lb/>
            <p>Auch in einer anderen Richtung hat eine Be&#x017F;timmung der<lb/>
Preußi&#x017F;chen Verfa&#x017F;&#x017F;ungs-Urkunde zu Bedenken hin&#x017F;ichtlich des Er-<lb/>
werbes der kai&#x017F;erlichen Rechte Veranla&#x017F;&#x017F;ung gegeben. Im Art. 54<lb/>
der Pr. V.-U. wird nämlich dem Könige von Preußen die Ablei-<lb/>
&#x017F;tung eines Verfa&#x017F;&#x017F;ungseides zur Pflicht gemacht. Hieraus folgert<lb/>
nun v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> a. a. O. S. 157, &#x201E;daß, &#x017F;owie der Nachfolger<lb/>
in der Preußi&#x017F;chen Krone, wenn er es unterla&#x017F;&#x017F;en oder &#x017F;ich aus-<lb/>
drücklich weigern &#x017F;ollte, der Verpflichtung des Ab&#x017F;. 2 des Art. 54<lb/>
nachzukommen, <hi rendition="#g">rechtlich nicht befugt</hi> i&#x017F;t, die durch die Preuß.<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ungsurk. mit der Preußi&#x017F;chen Krone verbundenen Regie-<lb/>
rungsrechte auszuüben, der&#x017F;elbe auch rechtlich nicht die Befugniß<lb/>
hat, die durch die Verfa&#x017F;&#x017F;ung des deut&#x017F;chen Reiches nur dem jedes-<lb/>
maligen Inhaber der Preußi&#x017F;chen Krone übertragenen Regierungs-<lb/>
rechte auszuüben.&#x201C; Ueberein&#x017F;timmend hiermit i&#x017F;t v. <hi rendition="#g">Mohl</hi> Reichs-<lb/>
&#x017F;taatsr. S. 284. Die&#x017F;e Folgerung für das Reichsrecht wäre richtig,<lb/>
wenn der von v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> angenomme Satz des Preußi&#x017F;chen Staats-<lb/>
rechtes begründet wäre. In &#x017F;einem Staatsrecht der Preußi&#x017F;chen<lb/>
Monarchie <hi rendition="#aq">I</hi> §. 185 <note place="foot" n="1)">(3. Aufl. <hi rendition="#aq">I.</hi> 2 S. 588 fg.)</note> führt er aus, daß die Ablei&#x017F;tung des Eides<lb/>
eine &#x201E;Bedingung&#x201C; der Ausübung der verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßigen Rechte<lb/>
des Königs &#x017F;ei und daß im Falle der Verweigerung des Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ungseides die Regierung des Königs vorläufig eine rein that-<lb/>
&#x017F;ächliche, nicht aber eine rechtliche und verfa&#x017F;&#x017F;ungsmäßige &#x017F;ei <note place="foot" n="2)">Die Theorie beruht auf den Ausführungen v. <hi rendition="#g">Mohl</hi>&#x2019;s in de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Württemb. Staatsr. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 172 ff.</note>.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0238] §. 25. Das Subject der kaiſerlichen Rechte. Damit iſt dann aber von ſelbſt die Folge gegeben, daß über die Normirung der Fälle, in welchen eine Regentſchaft eingerichtet werden muß, über das Recht zur Uebernahme der Regentſchaft, über die geſetzliche Fürſorge für den Fall, daß kein volljähriger Agnat vorhanden iſt, über das eventuell eintretende Wahlrecht des Landtages, über die interimiſtiſche Führung der Regierung durch das Staatsminiſterium und über den Antritt der Regent- ſchaft, einzig und allein die Beſtimmungen der Preußiſchen Ver- faſſung (Art. 56—58) zur Anwendung kommen können. Die Einrichtung einer Regentſchaft in Preußen iſt für das Reich ganz ebenſo wie ein Thronwechſel in Preußen, der durch Todesfall herbeigeführt wird, ein thatſächliches Ereigniß, deſſen Folgen es hinnehmen muß. Auch in einer anderen Richtung hat eine Beſtimmung der Preußiſchen Verfaſſungs-Urkunde zu Bedenken hinſichtlich des Er- werbes der kaiſerlichen Rechte Veranlaſſung gegeben. Im Art. 54 der Pr. V.-U. wird nämlich dem Könige von Preußen die Ablei- ſtung eines Verfaſſungseides zur Pflicht gemacht. Hieraus folgert nun v. Rönne a. a. O. S. 157, „daß, ſowie der Nachfolger in der Preußiſchen Krone, wenn er es unterlaſſen oder ſich aus- drücklich weigern ſollte, der Verpflichtung des Abſ. 2 des Art. 54 nachzukommen, rechtlich nicht befugt iſt, die durch die Preuß. Verfaſſungsurk. mit der Preußiſchen Krone verbundenen Regie- rungsrechte auszuüben, derſelbe auch rechtlich nicht die Befugniß hat, die durch die Verfaſſung des deutſchen Reiches nur dem jedes- maligen Inhaber der Preußiſchen Krone übertragenen Regierungs- rechte auszuüben.“ Uebereinſtimmend hiermit iſt v. Mohl Reichs- ſtaatsr. S. 284. Dieſe Folgerung für das Reichsrecht wäre richtig, wenn der von v. Rönne angenomme Satz des Preußiſchen Staats- rechtes begründet wäre. In ſeinem Staatsrecht der Preußiſchen Monarchie I §. 185 1) führt er aus, daß die Ableiſtung des Eides eine „Bedingung“ der Ausübung der verfaſſungsmäßigen Rechte des Königs ſei und daß im Falle der Verweigerung des Ver- faſſungseides die Regierung des Königs vorläufig eine rein that- ſächliche, nicht aber eine rechtliche und verfaſſungsmäßige ſei 2). 1) (3. Aufl. I. 2 S. 588 fg.) 2) Die Theorie beruht auf den Ausführungen v. Mohl’s in deſſen Württemb. Staatsr. I. S. 172 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/238
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/238>, abgerufen am 06.05.2024.