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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 64. Der Abschluß von Staatsverträgen.
rechtlichen Verkehr begründet; Abs. 1 cit. enthält die allge-
meine staatsrechtliche Bevollmächtigung des Kaisers,
Rechtsgeschäfte im Namen des Reiches mit fremden
Staaten abzuschließen
.

An die allgemeine im Abs. 1 enthaltene Regel schließen sich
aber zwei weitere Bestimmungen an. Der zweite Absatz, welcher
in der Verf. des Nordd. Bundes fehlte und erst bei dem Eintritt
der süddeutschen Staaten in den Bund hinzugefügt wurde, be-
stimmt, daß zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches
die Zustimmung des Bundesrathes erforderlich ist, es sei denn,
daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.
Der dritte Absatz fügt die Regel hinzu:
"Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche
Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der
Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zu-
stimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit die
Genehmigung des Reichstages erforderlich" 1).

Wenn man zunächst für einen Augenblick zugiebt, daß sich
diese Bestimmung überhaupt auf die Legitimation zum Abschluß
von Verträgen und auf die völkerrechtliche Verbindlichkeit
der letzteren bezieht, so ist doch der Satz zweifellos und unbestreit-
bar, daß die im ersten Absatz ertheilte Stellvertretungsbefugniß
durch Abs. 3 nicht allgemein d. h. für alle Staatsverträge des
Reiches aufgehoben oder an Bedingungen geknüpft wird, sondern
nur für eine gewisse Sorte von Staatsverträgen. Man würde daher
zunächst folgendes Resultat gewinnen: Es giebt zwei Klassen von
Staatsverträgen; die einen kann der Kaiser mit völkerrechtlicher
Gültigkeit Namens des Reiches abschließen; dagegen ist er nicht
befugt, die anderen abzuschließen, wofern er nicht die Zustimmung
des Bundesrathes und die Genehmigung des Reichstages hat.

1) In dem ursprünglichen Entwurf der Norddeutschen Bundesverf. fehlte
der Satz. Bei den Berathungen der Regierungs-Kommissare über den Preuß.
Entw. wurde das Erforderniß der Zustimmung des Bundesrathes hinzugefügt,
das Erforderniß der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfassungs-
berath. Reichstag auf Grund eines Antrages des Abg. Lette eingeschaltet,
ohne daß bei der Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März
1867 die Bedeutung des Amendements erörtert worden ist. Stenogr. Be-
richte S. 374.

§. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen.
rechtlichen Verkehr begründet; Abſ. 1 cit. enthält die allge-
meine ſtaatsrechtliche Bevollmächtigung des Kaiſers,
Rechtsgeſchäfte im Namen des Reiches mit fremden
Staaten abzuſchließen
.

An die allgemeine im Abſ. 1 enthaltene Regel ſchließen ſich
aber zwei weitere Beſtimmungen an. Der zweite Abſatz, welcher
in der Verf. des Nordd. Bundes fehlte und erſt bei dem Eintritt
der ſüddeutſchen Staaten in den Bund hinzugefügt wurde, be-
ſtimmt, daß zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches
die Zuſtimmung des Bundesrathes erforderlich iſt, es ſei denn,
daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder deſſen Küſten erfolgt.
Der dritte Abſatz fügt die Regel hinzu:
„Inſoweit die Verträge mit fremden Staaten ſich auf ſolche
Gegenſtände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der
Reichsgeſetzgebung gehören, iſt zu ihrem Abſchluß die Zu-
ſtimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit die
Genehmigung des Reichstages erforderlich“ 1).

Wenn man zunächſt für einen Augenblick zugiebt, daß ſich
dieſe Beſtimmung überhaupt auf die Legitimation zum Abſchluß
von Verträgen und auf die völkerrechtliche Verbindlichkeit
der letzteren bezieht, ſo iſt doch der Satz zweifellos und unbeſtreit-
bar, daß die im erſten Abſatz ertheilte Stellvertretungsbefugniß
durch Abſ. 3 nicht allgemein d. h. für alle Staatsverträge des
Reiches aufgehoben oder an Bedingungen geknüpft wird, ſondern
nur für eine gewiſſe Sorte von Staatsverträgen. Man würde daher
zunächſt folgendes Reſultat gewinnen: Es giebt zwei Klaſſen von
Staatsverträgen; die einen kann der Kaiſer mit völkerrechtlicher
Gültigkeit Namens des Reiches abſchließen; dagegen iſt er nicht
befugt, die anderen abzuſchließen, wofern er nicht die Zuſtimmung
des Bundesrathes und die Genehmigung des Reichstages hat.

1) In dem urſprünglichen Entwurf der Norddeutſchen Bundesverf. fehlte
der Satz. Bei den Berathungen der Regierungs-Kommiſſare über den Preuß.
Entw. wurde das Erforderniß der Zuſtimmung des Bundesrathes hinzugefügt,
das Erforderniß der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfaſſungs-
berath. Reichstag auf Grund eines Antrages des Abg. Lette eingeſchaltet,
ohne daß bei der Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März
1867 die Bedeutung des Amendements erörtert worden iſt. Stenogr. Be-
richte S. 374.
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[164/0178] §. 64. Der Abſchluß von Staatsverträgen. rechtlichen Verkehr begründet; Abſ. 1 cit. enthält die allge- meine ſtaatsrechtliche Bevollmächtigung des Kaiſers, Rechtsgeſchäfte im Namen des Reiches mit fremden Staaten abzuſchließen. An die allgemeine im Abſ. 1 enthaltene Regel ſchließen ſich aber zwei weitere Beſtimmungen an. Der zweite Abſatz, welcher in der Verf. des Nordd. Bundes fehlte und erſt bei dem Eintritt der ſüddeutſchen Staaten in den Bund hinzugefügt wurde, be- ſtimmt, daß zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches die Zuſtimmung des Bundesrathes erforderlich iſt, es ſei denn, daß ein Angriff auf das Bundesgebiet oder deſſen Küſten erfolgt. Der dritte Abſatz fügt die Regel hinzu: „Inſoweit die Verträge mit fremden Staaten ſich auf ſolche Gegenſtände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der Reichsgeſetzgebung gehören, iſt zu ihrem Abſchluß die Zu- ſtimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich“ 1). Wenn man zunächſt für einen Augenblick zugiebt, daß ſich dieſe Beſtimmung überhaupt auf die Legitimation zum Abſchluß von Verträgen und auf die völkerrechtliche Verbindlichkeit der letzteren bezieht, ſo iſt doch der Satz zweifellos und unbeſtreit- bar, daß die im erſten Abſatz ertheilte Stellvertretungsbefugniß durch Abſ. 3 nicht allgemein d. h. für alle Staatsverträge des Reiches aufgehoben oder an Bedingungen geknüpft wird, ſondern nur für eine gewiſſe Sorte von Staatsverträgen. Man würde daher zunächſt folgendes Reſultat gewinnen: Es giebt zwei Klaſſen von Staatsverträgen; die einen kann der Kaiſer mit völkerrechtlicher Gültigkeit Namens des Reiches abſchließen; dagegen iſt er nicht befugt, die anderen abzuſchließen, wofern er nicht die Zuſtimmung des Bundesrathes und die Genehmigung des Reichstages hat. 1) In dem urſprünglichen Entwurf der Norddeutſchen Bundesverf. fehlte der Satz. Bei den Berathungen der Regierungs-Kommiſſare über den Preuß. Entw. wurde das Erforderniß der Zuſtimmung des Bundesrathes hinzugefügt, das Erforderniß der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfaſſungs- berath. Reichstag auf Grund eines Antrages des Abg. Lette eingeſchaltet, ohne daß bei der Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März 1867 die Bedeutung des Amendements erörtert worden iſt. Stenogr. Be- richte S. 374.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/178>, abgerufen am 27.04.2024.