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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 68. Die Formen der Verwaltung.
oder Vollziehung, dem ersteren die Normirung und Beaufsichtigung
zusteht.

IV. Neben der Beaufsichtigung der Geschäftsführung, welche
sich innerhalb der Verwaltung selbst vollzieht und einen integriren-
den Bestandtheil derselben bildet, ist die Verwaltung überdies einer
mehrfachen Controlle unterworfen, welche man als indirecte bezeich-
nen kann. Es ist nämlich die Gefahr vorhanden, daß die Ver-
waltungsbehörden durch einseitige und rücksichtslose Verfolgung
der von ihnen zu erreichenden Zwecke, andere gleichberechtigte oder
noch höher stehende Interessen des Staates verletzen, insbesondere
die Finanzwirthschaft oder die Rechtsordnung, sowie daß die von
der Verwaltung eingeschlagene Richtung nicht im Einklang steht
mit den allgemeinen Zielpunkten der Politik, welche der Staat
verfolgt. Der Staat bedarf daher gegen seine eigene Verwaltung
eines Schutzes, der die Schädigung dieser der Verwaltungsthätig-
keit an sich fremden Interessen verhütet. Daraus ergiebt sich eine
dreifache Controlle der Verwaltung:

a) Die Finanzcontrolle. Dieselbe betrifft lediglich die
staatswirthschaftliche Seite der staatlichen Geschäftsführung; sie
wird geführt durch die Ober-Rechnungsbehörde. Ihr liegt
es ob, zu prüfen und festzustellen, ob die Rechnungen über die
Einnahmen und Ausgaben der Staatskassen in Ordnung sind, ob
die Verwaltungsbehörden bei der Einnahme von Staatsgeldern
und bei der Verwendung des Staatsvermögens den bestehenden
Vorschriften gemäß gehandelt haben, und ob die Verwaltung dem
in dem Etatsgesetz aufgestellten Wirthschaftsplan gemäß geführt
worden ist 1).

b) Die Rechtscontrolle. Dieselbe erstreckt sich nur auf
die Rechtmäßigkeit der von der Verwaltung vorgenommenen Rechts-
acte; weder die Zweckmäßigkeit derselben noch die finanzielle Wir-
kung derselben auf die Staatswirthschaft läßt eine Prüfung nach
Rechtssätzen zu. Sie wird geführt durch die Gerichte, gleichviel
ob durch die gewöhnlichen zur Handhabung der Rechtspflege ein-
gesetzten Gerichtsbehörden oder durch Spezialgerichte, denen die
Entscheidung verwaltungsrechtlicher Streitfragen übertragen ist, so-
genannte Verwaltungsgerichte. Diese Controlle setzt die Erhebung

1) Das Nähere unten bei der Darstellung des Finanzrechts.
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§. 68. Die Formen der Verwaltung.
oder Vollziehung, dem erſteren die Normirung und Beaufſichtigung
zuſteht.

IV. Neben der Beaufſichtigung der Geſchäftsführung, welche
ſich innerhalb der Verwaltung ſelbſt vollzieht und einen integriren-
den Beſtandtheil derſelben bildet, iſt die Verwaltung überdies einer
mehrfachen Controlle unterworfen, welche man als indirecte bezeich-
nen kann. Es iſt nämlich die Gefahr vorhanden, daß die Ver-
waltungsbehörden durch einſeitige und rückſichtsloſe Verfolgung
der von ihnen zu erreichenden Zwecke, andere gleichberechtigte oder
noch höher ſtehende Intereſſen des Staates verletzen, insbeſondere
die Finanzwirthſchaft oder die Rechtsordnung, ſowie daß die von
der Verwaltung eingeſchlagene Richtung nicht im Einklang ſteht
mit den allgemeinen Zielpunkten der Politik, welche der Staat
verfolgt. Der Staat bedarf daher gegen ſeine eigene Verwaltung
eines Schutzes, der die Schädigung dieſer der Verwaltungsthätig-
keit an ſich fremden Intereſſen verhütet. Daraus ergiebt ſich eine
dreifache Controlle der Verwaltung:

a) Die Finanzcontrolle. Dieſelbe betrifft lediglich die
ſtaatswirthſchaftliche Seite der ſtaatlichen Geſchäftsführung; ſie
wird geführt durch die Ober-Rechnungsbehörde. Ihr liegt
es ob, zu prüfen und feſtzuſtellen, ob die Rechnungen über die
Einnahmen und Ausgaben der Staatskaſſen in Ordnung ſind, ob
die Verwaltungsbehörden bei der Einnahme von Staatsgeldern
und bei der Verwendung des Staatsvermögens den beſtehenden
Vorſchriften gemäß gehandelt haben, und ob die Verwaltung dem
in dem Etatsgeſetz aufgeſtellten Wirthſchaftsplan gemäß geführt
worden iſt 1).

b) Die Rechtscontrolle. Dieſelbe erſtreckt ſich nur auf
die Rechtmäßigkeit der von der Verwaltung vorgenommenen Rechts-
acte; weder die Zweckmäßigkeit derſelben noch die finanzielle Wir-
kung derſelben auf die Staatswirthſchaft läßt eine Prüfung nach
Rechtsſätzen zu. Sie wird geführt durch die Gerichte, gleichviel
ob durch die gewöhnlichen zur Handhabung der Rechtspflege ein-
geſetzten Gerichtsbehörden oder durch Spezialgerichte, denen die
Entſcheidung verwaltungsrechtlicher Streitfragen übertragen iſt, ſo-
genannte Verwaltungsgerichte. Dieſe Controlle ſetzt die Erhebung

1) Das Nähere unten bei der Darſtellung des Finanzrechts.
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[227/0241] §. 68. Die Formen der Verwaltung. oder Vollziehung, dem erſteren die Normirung und Beaufſichtigung zuſteht. IV. Neben der Beaufſichtigung der Geſchäftsführung, welche ſich innerhalb der Verwaltung ſelbſt vollzieht und einen integriren- den Beſtandtheil derſelben bildet, iſt die Verwaltung überdies einer mehrfachen Controlle unterworfen, welche man als indirecte bezeich- nen kann. Es iſt nämlich die Gefahr vorhanden, daß die Ver- waltungsbehörden durch einſeitige und rückſichtsloſe Verfolgung der von ihnen zu erreichenden Zwecke, andere gleichberechtigte oder noch höher ſtehende Intereſſen des Staates verletzen, insbeſondere die Finanzwirthſchaft oder die Rechtsordnung, ſowie daß die von der Verwaltung eingeſchlagene Richtung nicht im Einklang ſteht mit den allgemeinen Zielpunkten der Politik, welche der Staat verfolgt. Der Staat bedarf daher gegen ſeine eigene Verwaltung eines Schutzes, der die Schädigung dieſer der Verwaltungsthätig- keit an ſich fremden Intereſſen verhütet. Daraus ergiebt ſich eine dreifache Controlle der Verwaltung: a) Die Finanzcontrolle. Dieſelbe betrifft lediglich die ſtaatswirthſchaftliche Seite der ſtaatlichen Geſchäftsführung; ſie wird geführt durch die Ober-Rechnungsbehörde. Ihr liegt es ob, zu prüfen und feſtzuſtellen, ob die Rechnungen über die Einnahmen und Ausgaben der Staatskaſſen in Ordnung ſind, ob die Verwaltungsbehörden bei der Einnahme von Staatsgeldern und bei der Verwendung des Staatsvermögens den beſtehenden Vorſchriften gemäß gehandelt haben, und ob die Verwaltung dem in dem Etatsgeſetz aufgeſtellten Wirthſchaftsplan gemäß geführt worden iſt 1). b) Die Rechtscontrolle. Dieſelbe erſtreckt ſich nur auf die Rechtmäßigkeit der von der Verwaltung vorgenommenen Rechts- acte; weder die Zweckmäßigkeit derſelben noch die finanzielle Wir- kung derſelben auf die Staatswirthſchaft läßt eine Prüfung nach Rechtsſätzen zu. Sie wird geführt durch die Gerichte, gleichviel ob durch die gewöhnlichen zur Handhabung der Rechtspflege ein- geſetzten Gerichtsbehörden oder durch Spezialgerichte, denen die Entſcheidung verwaltungsrechtlicher Streitfragen übertragen iſt, ſo- genannte Verwaltungsgerichte. Dieſe Controlle ſetzt die Erhebung 1) Das Nähere unten bei der Darſtellung des Finanzrechts. 15*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/241>, abgerufen am 28.04.2024.