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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.
Allen zu contrahiren bereit ist. Dadurch wird die Vertrags-
freiheit
der Post als einheitliches Institut nicht aufge-
hoben, sondern nur die Befugniß der einzelnen Postämter und Post-
beamten zur Vertretung der Postanstalt beim Abschluß der Verträge
beschränkt. Und zwar in doppelter Beziehung; die Postbeamten
dürfen von den Spezialbestimmungen, welche für die Geschäfte
der Post erlassen sind, bei dem Abschluß dieser Geschäfte nicht ab-
weichen; sie dürfen aber auch andererseits, soweit keine Spezial-
bestimmungen erlassen sind, von den allgemeinen, zur Ergänzung,
der Spezialbestimmungen dienenden Rechtsvorschriften nicht ab-
weichen 1). Faßt man die einzelnen, von den Postämtern geschlos-
senen Geschäfte in das Auge, so kehrt sich allerdings der Grund-
satz des Privatrechts, daß die Parteien beim Abschluß von ver-
mögensrechtlichen Verträgen volle Dispositionsfreiheit haben, so weit
nicht ausnahmsweise ein Rechtssatz zum ius cogens erklärt ist, in
das Gegentheil um. Bei den einzelnen Geschäften der Postan-
stalt können Abweichungen von den dafür ergangenen allgemeinen
Vorschriften und den Anordnungen des Privatrechts nicht ver-
abredet werden, so weit nicht ausnahmsweise für besondere Fälle
dies für statthaft erklärt ist 2). Die Postverwaltung als solche aber
kann durch Erlaß allgemeiner Anordnungen Spezialvorschriften für
die Geschäfte aufstellen, d. h. die naturalia negotii (das bürger
liche Recht) ausschließen.

Nach den oben S. 214 ff. gegebenen Ausführungen ist die Auf-
stellung solcher allgemeiner Normativ-Bestimmungen für die Ver-
träge ein Verwaltungsakt; denn es handelt sich dabei um eine
Bethätigung der allgemeinen Handlungs- (Vertrags-) freiheit intra
legem
(d. h. unter Beobachtung des ius cogens). Der Regel
nach wird also die Regierung diese Bedingungen in der Form des
Verwaltungsaktes d. h. durch Reglement, Instruktion, Verordnung
erlassen können.


1) Nach der Ausdrucksweise der älteren scholastischen Jurisprudenz kann
man dies so formuliren, daß die Beamten der Post im einzelnen Falle keine
Accidentalia negotii verabreden dürfen, sondern daß die Naturalia negotii
(das bürgerliche resp. Handelsrecht) Anwendung finden, soweit sie nicht durch
Spezial-Vorschriften ausgeschlossen sind.
2) So z. B. Vereinbarungen über das Abholen von Postsendungen, über
Einrichtung von Postfächern, über Kreditirung und Kontirung von Porto u. dgl.

§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.
Allen zu contrahiren bereit iſt. Dadurch wird die Vertrags-
freiheit
der Poſt als einheitliches Inſtitut nicht aufge-
hoben, ſondern nur die Befugniß der einzelnen Poſtämter und Poſt-
beamten zur Vertretung der Poſtanſtalt beim Abſchluß der Verträge
beſchränkt. Und zwar in doppelter Beziehung; die Poſtbeamten
dürfen von den Spezialbeſtimmungen, welche für die Geſchäfte
der Poſt erlaſſen ſind, bei dem Abſchluß dieſer Geſchäfte nicht ab-
weichen; ſie dürfen aber auch andererſeits, ſoweit keine Spezial-
beſtimmungen erlaſſen ſind, von den allgemeinen, zur Ergänzung,
der Spezialbeſtimmungen dienenden Rechtsvorſchriften nicht ab-
weichen 1). Faßt man die einzelnen, von den Poſtämtern geſchloſ-
ſenen Geſchäfte in das Auge, ſo kehrt ſich allerdings der Grund-
ſatz des Privatrechts, daß die Parteien beim Abſchluß von ver-
mögensrechtlichen Verträgen volle Dispoſitionsfreiheit haben, ſo weit
nicht ausnahmsweiſe ein Rechtsſatz zum ius cogens erklärt iſt, in
das Gegentheil um. Bei den einzelnen Geſchäften der Poſtan-
ſtalt können Abweichungen von den dafür ergangenen allgemeinen
Vorſchriften und den Anordnungen des Privatrechts nicht ver-
abredet werden, ſo weit nicht ausnahmsweiſe für beſondere Fälle
dies für ſtatthaft erklärt iſt 2). Die Poſtverwaltung als ſolche aber
kann durch Erlaß allgemeiner Anordnungen Spezialvorſchriften für
die Geſchäfte aufſtellen, d. h. die naturalia negotii (das bürger
liche Recht) ausſchließen.

Nach den oben S. 214 ff. gegebenen Ausführungen iſt die Auf-
ſtellung ſolcher allgemeiner Normativ-Beſtimmungen für die Ver-
träge ein Verwaltungsakt; denn es handelt ſich dabei um eine
Bethätigung der allgemeinen Handlungs- (Vertrags-) freiheit intra
legem
(d. h. unter Beobachtung des ius cogens). Der Regel
nach wird alſo die Regierung dieſe Bedingungen in der Form des
Verwaltungsaktes d. h. durch Reglement, Inſtruktion, Verordnung
erlaſſen können.


1) Nach der Ausdrucksweiſe der älteren ſcholaſtiſchen Jurisprudenz kann
man dies ſo formuliren, daß die Beamten der Poſt im einzelnen Falle keine
Accidentalia negotii verabreden dürfen, ſondern daß die Naturalia negotii
(das bürgerliche reſp. Handelsrecht) Anwendung finden, ſoweit ſie nicht durch
Spezial-Vorſchriften ausgeſchloſſen ſind.
2) So z. B. Vereinbarungen über das Abholen von Poſtſendungen, über
Einrichtung von Poſtfächern, über Kreditirung und Kontirung von Porto u. dgl.
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[329/0343] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. Allen zu contrahiren bereit iſt. Dadurch wird die Vertrags- freiheit der Poſt als einheitliches Inſtitut nicht aufge- hoben, ſondern nur die Befugniß der einzelnen Poſtämter und Poſt- beamten zur Vertretung der Poſtanſtalt beim Abſchluß der Verträge beſchränkt. Und zwar in doppelter Beziehung; die Poſtbeamten dürfen von den Spezialbeſtimmungen, welche für die Geſchäfte der Poſt erlaſſen ſind, bei dem Abſchluß dieſer Geſchäfte nicht ab- weichen; ſie dürfen aber auch andererſeits, ſoweit keine Spezial- beſtimmungen erlaſſen ſind, von den allgemeinen, zur Ergänzung, der Spezialbeſtimmungen dienenden Rechtsvorſchriften nicht ab- weichen 1). Faßt man die einzelnen, von den Poſtämtern geſchloſ- ſenen Geſchäfte in das Auge, ſo kehrt ſich allerdings der Grund- ſatz des Privatrechts, daß die Parteien beim Abſchluß von ver- mögensrechtlichen Verträgen volle Dispoſitionsfreiheit haben, ſo weit nicht ausnahmsweiſe ein Rechtsſatz zum ius cogens erklärt iſt, in das Gegentheil um. Bei den einzelnen Geſchäften der Poſtan- ſtalt können Abweichungen von den dafür ergangenen allgemeinen Vorſchriften und den Anordnungen des Privatrechts nicht ver- abredet werden, ſo weit nicht ausnahmsweiſe für beſondere Fälle dies für ſtatthaft erklärt iſt 2). Die Poſtverwaltung als ſolche aber kann durch Erlaß allgemeiner Anordnungen Spezialvorſchriften für die Geſchäfte aufſtellen, d. h. die naturalia negotii (das bürger liche Recht) ausſchließen. Nach den oben S. 214 ff. gegebenen Ausführungen iſt die Auf- ſtellung ſolcher allgemeiner Normativ-Beſtimmungen für die Ver- träge ein Verwaltungsakt; denn es handelt ſich dabei um eine Bethätigung der allgemeinen Handlungs- (Vertrags-) freiheit intra legem (d. h. unter Beobachtung des ius cogens). Der Regel nach wird alſo die Regierung dieſe Bedingungen in der Form des Verwaltungsaktes d. h. durch Reglement, Inſtruktion, Verordnung erlaſſen können. 1) Nach der Ausdrucksweiſe der älteren ſcholaſtiſchen Jurisprudenz kann man dies ſo formuliren, daß die Beamten der Poſt im einzelnen Falle keine Accidentalia negotii verabreden dürfen, ſondern daß die Naturalia negotii (das bürgerliche reſp. Handelsrecht) Anwendung finden, ſoweit ſie nicht durch Spezial-Vorſchriften ausgeſchloſſen ſind. 2) So z. B. Vereinbarungen über das Abholen von Poſtſendungen, über Einrichtung von Poſtfächern, über Kreditirung und Kontirung von Porto u. dgl.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/343>, abgerufen am 05.05.2024.