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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 56. Der Begriff und die Erfordernisse des Gesetzes.
daher der Befehl zur Verkündigung des Gesetzes. Schon die
altfranzösischen Gesetzes-Ausfertigungen enthielten diesen Befehl an
die Parlamente; ebenso findet er sich in der Promulgationsformel
des Ges. v. 9. Nov. 1789; die Verf. vom 5 Fructid. des Jahres III,
welches dem Directorium die Promulgation der Gesetze übertrug,
schrieb im Art. 130 für die Promulgation ebenfalls eine Formel
vor, welche einen Publikationsbefehl enthielt 1); dasselbe gilt von
dem Reglement v. 13. Aug. 1814. Nicht selten wird daher das
Wesen der Promulgation, zwar nicht in der Verkündigung selbst,
wohl aber in dem Befehl zur Verkündigung gefunden, da dieser
Befehl gewissermaßen die unmittelbare und praktische Consequenz
der Ausfertigung des Gesetzes ist 2).

Diese Rechtsanschauungen sind mit der französischen constitu-
tionellen Staatsrechtstheorie in das Deutsche Landesstaats-
recht
eingedrungen. Bei der monarchischen Verfassung der Deut-
schen Staaten lag aber kein praktischer Anlaß vor zwischen der
Sanction und der Promulgation zu unterscheiden. Es galt als
selbstverständlich, daß die Sanction in einer vom Landesherrn unter-
schriebenen, mit dem Staatssiegel versehenen und gegengezeichneten
Urkunde erklärt wird und es galt als ebenso selbstverständlich, daß
in dieser Urkunde auf die erfolgte Zustimmung der Stände Bezug
genommen und dieselbe ausdrücklich bezeugt werde. In allen
Deutschen Staaten herrscht in dieser Beziehung eine gleichmäßige,
fast bis auf den Wortlaut der Formel übereinstimmende Praxis 3).
In der Promulgation des französischen Rechts sah man Nichts
Anderes als die Verkündigung des Gesetzes, oder im günstigsten
Fall den Verkündigungs-Befehl 4). Daß sich zwischen Sanction

1) Sie lautete: "Le Directoire ordonne que la loi ou l'acte du Corps
legislatif ci-dessus sera publie, execute", etc.
2) Vergl. z. B. Duranton, Cours de droit francais I. chap. II.
nr. 44 ff. Berriat-St. Prix, Theorie de droit Constit. franc.
S. 502 ff.
Aubry et Rau, Cours de droit civil francais (4. Ausg.) I. § 26. S. 48 ff.
Laurent, Principes de droit civil (Brüssel 1869) I. S. 57 ff. Der Zu-
sammenhang zwischen Ausfertigung und Verkündigungsbefehl wird angedeutet
von Demante, Cours analytique de Code civ. (1849) I. p. 33.
3) Vgl. Zachariä, Deutsches Staatsr. II. §. 161 (S. 176).
4) Das Wort Promulgation wird in der Deutschen Rechtsliteratur
in sehr verschiedenem Sinne verwendet. Die überwiegende Mehrzahl der
Schriftsteller gebraucht dasselbe als ganz gleichbedeutend mit Publikation. Ebenso

§. 56. Der Begriff und die Erforderniſſe des Geſetzes.
daher der Befehl zur Verkündigung des Geſetzes. Schon die
altfranzöſiſchen Geſetzes-Ausfertigungen enthielten dieſen Befehl an
die Parlamente; ebenſo findet er ſich in der Promulgationsformel
des Geſ. v. 9. Nov. 1789; die Verf. vom 5 Fructid. des Jahres III,
welches dem Directorium die Promulgation der Geſetze übertrug,
ſchrieb im Art. 130 für die Promulgation ebenfalls eine Formel
vor, welche einen Publikationsbefehl enthielt 1); daſſelbe gilt von
dem Reglement v. 13. Aug. 1814. Nicht ſelten wird daher das
Weſen der Promulgation, zwar nicht in der Verkündigung ſelbſt,
wohl aber in dem Befehl zur Verkündigung gefunden, da dieſer
Befehl gewiſſermaßen die unmittelbare und praktiſche Conſequenz
der Ausfertigung des Geſetzes iſt 2).

Dieſe Rechtsanſchauungen ſind mit der franzöſiſchen conſtitu-
tionellen Staatsrechtstheorie in das Deutſche Landesſtaats-
recht
eingedrungen. Bei der monarchiſchen Verfaſſung der Deut-
ſchen Staaten lag aber kein praktiſcher Anlaß vor zwiſchen der
Sanction und der Promulgation zu unterſcheiden. Es galt als
ſelbſtverſtändlich, daß die Sanction in einer vom Landesherrn unter-
ſchriebenen, mit dem Staatsſiegel verſehenen und gegengezeichneten
Urkunde erklärt wird und es galt als ebenſo ſelbſtverſtändlich, daß
in dieſer Urkunde auf die erfolgte Zuſtimmung der Stände Bezug
genommen und dieſelbe ausdrücklich bezeugt werde. In allen
Deutſchen Staaten herrſcht in dieſer Beziehung eine gleichmäßige,
faſt bis auf den Wortlaut der Formel übereinſtimmende Praxis 3).
In der Promulgation des franzöſiſchen Rechts ſah man Nichts
Anderes als die Verkündigung des Geſetzes, oder im günſtigſten
Fall den Verkündigungs-Befehl 4). Daß ſich zwiſchen Sanction

1) Sie lautete: »Le Directoire ordonne que la loi ou l’acte du Corps
législatif ci-dessus sera publié, exécuté«, etc.
2) Vergl. z. B. Duranton, Cours de droit français I. chap. II.
nr. 44 ff. Berriat-St. Prix, Théorie de droit Constit. franç.
S. 502 ff.
Aubry et Rau, Cours de droit civil français (4. Ausg.) I. § 26. S. 48 ff.
Laurent, Principes de droit civil (Brüſſel 1869) I. S. 57 ff. Der Zu-
ſammenhang zwiſchen Ausfertigung und Verkündigungsbefehl wird angedeutet
von Demante, Cours analytique de Code civ. (1849) I. p. 33.
3) Vgl. Zachariä, Deutſches Staatsr. II. §. 161 (S. 176).
4) Das Wort Promulgation wird in der Deutſchen Rechtsliteratur
in ſehr verſchiedenem Sinne verwendet. Die überwiegende Mehrzahl der
Schriftſteller gebraucht daſſelbe als ganz gleichbedeutend mit Publikation. Ebenſo
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[21/0035] §. 56. Der Begriff und die Erforderniſſe des Geſetzes. daher der Befehl zur Verkündigung des Geſetzes. Schon die altfranzöſiſchen Geſetzes-Ausfertigungen enthielten dieſen Befehl an die Parlamente; ebenſo findet er ſich in der Promulgationsformel des Geſ. v. 9. Nov. 1789; die Verf. vom 5 Fructid. des Jahres III, welches dem Directorium die Promulgation der Geſetze übertrug, ſchrieb im Art. 130 für die Promulgation ebenfalls eine Formel vor, welche einen Publikationsbefehl enthielt 1); daſſelbe gilt von dem Reglement v. 13. Aug. 1814. Nicht ſelten wird daher das Weſen der Promulgation, zwar nicht in der Verkündigung ſelbſt, wohl aber in dem Befehl zur Verkündigung gefunden, da dieſer Befehl gewiſſermaßen die unmittelbare und praktiſche Conſequenz der Ausfertigung des Geſetzes iſt 2). Dieſe Rechtsanſchauungen ſind mit der franzöſiſchen conſtitu- tionellen Staatsrechtstheorie in das Deutſche Landesſtaats- recht eingedrungen. Bei der monarchiſchen Verfaſſung der Deut- ſchen Staaten lag aber kein praktiſcher Anlaß vor zwiſchen der Sanction und der Promulgation zu unterſcheiden. Es galt als ſelbſtverſtändlich, daß die Sanction in einer vom Landesherrn unter- ſchriebenen, mit dem Staatsſiegel verſehenen und gegengezeichneten Urkunde erklärt wird und es galt als ebenſo ſelbſtverſtändlich, daß in dieſer Urkunde auf die erfolgte Zuſtimmung der Stände Bezug genommen und dieſelbe ausdrücklich bezeugt werde. In allen Deutſchen Staaten herrſcht in dieſer Beziehung eine gleichmäßige, faſt bis auf den Wortlaut der Formel übereinſtimmende Praxis 3). In der Promulgation des franzöſiſchen Rechts ſah man Nichts Anderes als die Verkündigung des Geſetzes, oder im günſtigſten Fall den Verkündigungs-Befehl 4). Daß ſich zwiſchen Sanction 1) Sie lautete: »Le Directoire ordonne que la loi ou l’acte du Corps législatif ci-dessus sera publié, exécuté«, etc. 2) Vergl. z. B. Duranton, Cours de droit français I. chap. II. nr. 44 ff. Berriat-St. Prix, Théorie de droit Constit. franç. S. 502 ff. Aubry et Rau, Cours de droit civil français (4. Ausg.) I. § 26. S. 48 ff. Laurent, Principes de droit civil (Brüſſel 1869) I. S. 57 ff. Der Zu- ſammenhang zwiſchen Ausfertigung und Verkündigungsbefehl wird angedeutet von Demante, Cours analytique de Code civ. (1849) I. p. 33. 3) Vgl. Zachariä, Deutſches Staatsr. II. §. 161 (S. 176). 4) Das Wort Promulgation wird in der Deutſchen Rechtsliteratur in ſehr verſchiedenem Sinne verwendet. Die überwiegende Mehrzahl der Schriftſteller gebraucht daſſelbe als ganz gleichbedeutend mit Publikation. Ebenſo

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/35>, abgerufen am 26.04.2024.