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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 83. Das stehende Heer.

Der Art. 62 der R.V. ist hervorgegangen aus einem Amende-
ment der Abgeordneten Herzog v. Ujest und v. Bennigsen,
welches der Reichstag von 1867 erst in der Schlußberathung des
Verfassungs-Entwurfes angenommen hat und das einen Ausgleich
zwischen den Ansprüchen der Regierung und denen der Reichstags-
mehrheit darstellte. Die Regierung forderte, daß die Friedens-
präsenzstärke dauernd festgestellt werde 1), und acceptirte eine in-
terimistische Feststellung derselben nur unter der Bedingung, daß
wenigstens die Einnahmen der Bundeskasse, die zur Bestreitung
des für das Heer erforderlichen Aufwandes unerläßlich sind, dauernd
sichergestellt werden 2). Es wurde dadurch im Wesentlichen für den
Nordd. Bund dieselbe Grundlage gewahrt, die im Preußischen
Staatsrecht anerkannt ist, indem nach dem Art. 109 der Preuß.
Verf.Urk. die Forterhebung der bestehenden Steuern und Abgaben
von der jährlichen Etatsfestsetzung unabhängig ist. Die Preuß.
Regierung war nicht Willens, diese verfassungsmäßig vorhandene
Grundlage aufzuopfern und den Fortbestand der Preuß. Armee
vom Jahre 1872 ab dem willkührlichen Gutbefinden einer Reichs-
tagsmajorität anheimzugeben, und der Reichstag bestand nicht auf
einem solchen Verlangen, sondern begnügte sich mit der vollen
Wahrung des Ausgabebewilligungsrechts unter Einschiebung einer
kurzen Pauschquantum-Periode und dem Vorbehalte einer späteren
Vereinbarung über die dauernde Präsenzstärke 3).

Die Berechnung der von den Einzelstaaten an die Reichs-
kasse zu zahlenden Beiträge erfolgt nach der im Art. 60 interimistisch
festgestellten Friedens-Präsenzstärke, bis sie durch ein Reichsgesetz

1) Entwurf zur Verf. Art. 58.
2) In diesem Sinne verstanden alle Redner das Amendement Ujest,
welche über dasselbe das Wort nahmen. Vgl. Stenogr. Berichte des constit.
Reichst. 1867 S. 716 ff. 723 ff. Vgl. ferner die Ausführungen des Abg. v.
Bennigsen bei der Diskussion des §. 1 des Milit.-Gesetzes. (Stenogr. Berichte
I Sess. 1874 S. 755.)
3) Die richtige Ansicht ist vollkommen zutreffend und wohlbegründet dar-
gelegt worden von Thudichum Verf.Recht des Nordd. Bundes S. 416 ff.
und in v. Holtzend. Jahrb. I S. 41. Vgl. ferner meine Darstellung des
Reichssinanzr. in Hirth's Annalen 1873 S. 551. Die gegen diese Ausführung
gerichtete Erörterung v. Rönne's II, 1 S. 176 fg. zeichnet sich nicht sowohl
durch Gründe, als durch das Bemühen aus, die deutlichen Vorschriften der
R.V. einfach bei Seite zu schieben.
§. 83. Das ſtehende Heer.

Der Art. 62 der R.V. iſt hervorgegangen aus einem Amende-
ment der Abgeordneten Herzog v. Ujeſt und v. Bennigſen,
welches der Reichstag von 1867 erſt in der Schlußberathung des
Verfaſſungs-Entwurfes angenommen hat und das einen Ausgleich
zwiſchen den Anſprüchen der Regierung und denen der Reichstags-
mehrheit darſtellte. Die Regierung forderte, daß die Friedens-
präſenzſtärke dauernd feſtgeſtellt werde 1), und acceptirte eine in-
terimiſtiſche Feſtſtellung derſelben nur unter der Bedingung, daß
wenigſtens die Einnahmen der Bundeskaſſe, die zur Beſtreitung
des für das Heer erforderlichen Aufwandes unerläßlich ſind, dauernd
ſichergeſtellt werden 2). Es wurde dadurch im Weſentlichen für den
Nordd. Bund dieſelbe Grundlage gewahrt, die im Preußiſchen
Staatsrecht anerkannt iſt, indem nach dem Art. 109 der Preuß.
Verf.Urk. die Forterhebung der beſtehenden Steuern und Abgaben
von der jährlichen Etatsfeſtſetzung unabhängig iſt. Die Preuß.
Regierung war nicht Willens, dieſe verfaſſungsmäßig vorhandene
Grundlage aufzuopfern und den Fortbeſtand der Preuß. Armee
vom Jahre 1872 ab dem willkührlichen Gutbefinden einer Reichs-
tagsmajorität anheimzugeben, und der Reichstag beſtand nicht auf
einem ſolchen Verlangen, ſondern begnügte ſich mit der vollen
Wahrung des Ausgabebewilligungsrechts unter Einſchiebung einer
kurzen Pauſchquantum-Periode und dem Vorbehalte einer ſpäteren
Vereinbarung über die dauernde Präſenzſtärke 3).

Die Berechnung der von den Einzelſtaaten an die Reichs-
kaſſe zu zahlenden Beiträge erfolgt nach der im Art. 60 interimiſtiſch
feſtgeſtellten Friedens-Präſenzſtärke, bis ſie durch ein Reichsgeſetz

1) Entwurf zur Verf. Art. 58.
2) In dieſem Sinne verſtanden alle Redner das Amendement Ujeſt,
welche über daſſelbe das Wort nahmen. Vgl. Stenogr. Berichte des conſtit.
Reichst. 1867 S. 716 ff. 723 ff. Vgl. ferner die Ausführungen des Abg. v.
Bennigſen bei der Diskuſſion des §. 1 des Milit.-Geſetzes. (Stenogr. Berichte
I Seſſ. 1874 S. 755.)
3) Die richtige Anſicht iſt vollkommen zutreffend und wohlbegründet dar-
gelegt worden von Thudichum Verf.Recht des Nordd. Bundes S. 416 ff.
und in v. Holtzend. Jahrb. I S. 41. Vgl. ferner meine Darſtellung des
Reichsſinanzr. in Hirth’s Annalen 1873 S. 551. Die gegen dieſe Ausführung
gerichtete Erörterung v. Rönne’s II, 1 S. 176 fg. zeichnet ſich nicht ſowohl
durch Gründe, als durch das Bemühen aus, die deutlichen Vorſchriften der
R.V. einfach bei Seite zu ſchieben.
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[94/0104] §. 83. Das ſtehende Heer. Der Art. 62 der R.V. iſt hervorgegangen aus einem Amende- ment der Abgeordneten Herzog v. Ujeſt und v. Bennigſen, welches der Reichstag von 1867 erſt in der Schlußberathung des Verfaſſungs-Entwurfes angenommen hat und das einen Ausgleich zwiſchen den Anſprüchen der Regierung und denen der Reichstags- mehrheit darſtellte. Die Regierung forderte, daß die Friedens- präſenzſtärke dauernd feſtgeſtellt werde 1), und acceptirte eine in- terimiſtiſche Feſtſtellung derſelben nur unter der Bedingung, daß wenigſtens die Einnahmen der Bundeskaſſe, die zur Beſtreitung des für das Heer erforderlichen Aufwandes unerläßlich ſind, dauernd ſichergeſtellt werden 2). Es wurde dadurch im Weſentlichen für den Nordd. Bund dieſelbe Grundlage gewahrt, die im Preußiſchen Staatsrecht anerkannt iſt, indem nach dem Art. 109 der Preuß. Verf.Urk. die Forterhebung der beſtehenden Steuern und Abgaben von der jährlichen Etatsfeſtſetzung unabhängig iſt. Die Preuß. Regierung war nicht Willens, dieſe verfaſſungsmäßig vorhandene Grundlage aufzuopfern und den Fortbeſtand der Preuß. Armee vom Jahre 1872 ab dem willkührlichen Gutbefinden einer Reichs- tagsmajorität anheimzugeben, und der Reichstag beſtand nicht auf einem ſolchen Verlangen, ſondern begnügte ſich mit der vollen Wahrung des Ausgabebewilligungsrechts unter Einſchiebung einer kurzen Pauſchquantum-Periode und dem Vorbehalte einer ſpäteren Vereinbarung über die dauernde Präſenzſtärke 3). Die Berechnung der von den Einzelſtaaten an die Reichs- kaſſe zu zahlenden Beiträge erfolgt nach der im Art. 60 interimiſtiſch feſtgeſtellten Friedens-Präſenzſtärke, bis ſie durch ein Reichsgeſetz 1) Entwurf zur Verf. Art. 58. 2) In dieſem Sinne verſtanden alle Redner das Amendement Ujeſt, welche über daſſelbe das Wort nahmen. Vgl. Stenogr. Berichte des conſtit. Reichst. 1867 S. 716 ff. 723 ff. Vgl. ferner die Ausführungen des Abg. v. Bennigſen bei der Diskuſſion des §. 1 des Milit.-Geſetzes. (Stenogr. Berichte I Seſſ. 1874 S. 755.) 3) Die richtige Anſicht iſt vollkommen zutreffend und wohlbegründet dar- gelegt worden von Thudichum Verf.Recht des Nordd. Bundes S. 416 ff. und in v. Holtzend. Jahrb. I S. 41. Vgl. ferner meine Darſtellung des Reichsſinanzr. in Hirth’s Annalen 1873 S. 551. Die gegen dieſe Ausführung gerichtete Erörterung v. Rönne’s II, 1 S. 176 fg. zeichnet ſich nicht ſowohl durch Gründe, als durch das Bemühen aus, die deutlichen Vorſchriften der R.V. einfach bei Seite zu ſchieben.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/104>, abgerufen am 04.05.2024.