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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwesens.
fassungsmäßigen Formen und Organe der Gesetzgebung und Ver-
waltung des Norddeutschen Bundes in analoger Weise für die
Erledigung der Vereinsgeschäfte ein (Zollvereins-Gesetze, Zollver-
eins-Verordnungen, Zollvereins-Präsidium, Zoll-Bundesrath, Zoll-
Parlament) 1).

Durch die Gründung des Deutschen Reiches fand auch dieser
Zollverein sein Ende; das Rechtsverhältniß unter seinen Mitglie-
dern wurde in derselben Weise umgestaltet, wie durch die Errich-
tung des Norddeutschen Bundes das Verhältniß unter den zu
demselben vereinigten Staaten. Zwar wurden durch den Art. 40
der R.V. die Bestimmungen in dem Zollvereinigungs-Vertrage vom
8. Juli 1867 in Kraft erhalten, soweit sie nicht durch die Vor-
schriften dieser Verfassung abgeändert sind, aber der Grundsatz,
daß das Reichsgebiet ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet
bildet, die ausschließliche Befugniß des Reiches zur Gesetzgebung
über Zölle und über die im Art. 35 aufgeführten Verbrauchsab-
gaben, das Verordnungsrecht des Bundesrathes, die Ueberwachung
der Behörden der Einzelstaaten durch den Kaiser u. s. w. sind
verfassungsmäßig festgestellt und an keinen von dem Willen
der Einzelstaaten abhängigen Endtermin geknüpft 2). Die Bezug-
nahme auf die Bestimmungen des Zollvereinigungsvertrages im
Art. 40 der R.V. darf nicht zu der irrthümlichen Ansicht verleiten,
als bestünde neben dem staatsrechtlichen Reichsverband unter den
Deutschen Staaten noch ein besonderer vertragsmäßiger Zollver-
band. Der Inhalt der Bestimmungen ist hierfür unerheblich;
Alles, was Inhalt eines Gesetzes sein kann, kann auch zum Inhalt
eines Staatsvertrages gemacht werden und umgekehrt; entscheidend
ist allein der Rechtsgrund, auf welchem die verbindliche Kraft
der Bestimmungen beruht, ob auf dem gegenseitigen Versprechen
gleichberechtigter Contrahenten oder auf dem Befehl einer über-
geordneten staatlichen Potenz 3), und dieser Rechtsgrund ist eben
dadurch geändert worden, daß die Verfassung die Bestimmungen
des Zollvereinigungsvertrages "in Kraft erhalten" hat 4).

1) Vgl. die eingehende Darstellung bei Thudichum S. 581 ff.
2) Vgl. Hänel Studien I. S. 123 ff.
3) Vgl. Bd. II. S. 152 ff.
4) Diese Bestimmungen sind selbstverständlich unter der Voraussetzung
eines vertragsmäßigen Vereinsverhältnisses abgefaßt und da sie bei der Grün-

§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.
faſſungsmäßigen Formen und Organe der Geſetzgebung und Ver-
waltung des Norddeutſchen Bundes in analoger Weiſe für die
Erledigung der Vereinsgeſchäfte ein (Zollvereins-Geſetze, Zollver-
eins-Verordnungen, Zollvereins-Präſidium, Zoll-Bundesrath, Zoll-
Parlament) 1).

Durch die Gründung des Deutſchen Reiches fand auch dieſer
Zollverein ſein Ende; das Rechtsverhältniß unter ſeinen Mitglie-
dern wurde in derſelben Weiſe umgeſtaltet, wie durch die Errich-
tung des Norddeutſchen Bundes das Verhältniß unter den zu
demſelben vereinigten Staaten. Zwar wurden durch den Art. 40
der R.V. die Beſtimmungen in dem Zollvereinigungs-Vertrage vom
8. Juli 1867 in Kraft erhalten, ſoweit ſie nicht durch die Vor-
ſchriften dieſer Verfaſſung abgeändert ſind, aber der Grundſatz,
daß das Reichsgebiet ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet
bildet, die ausſchließliche Befugniß des Reiches zur Geſetzgebung
über Zölle und über die im Art. 35 aufgeführten Verbrauchsab-
gaben, das Verordnungsrecht des Bundesrathes, die Ueberwachung
der Behörden der Einzelſtaaten durch den Kaiſer u. ſ. w. ſind
verfaſſungsmäßig feſtgeſtellt und an keinen von dem Willen
der Einzelſtaaten abhängigen Endtermin geknüpft 2). Die Bezug-
nahme auf die Beſtimmungen des Zollvereinigungsvertrages im
Art. 40 der R.V. darf nicht zu der irrthümlichen Anſicht verleiten,
als beſtünde neben dem ſtaatsrechtlichen Reichsverband unter den
Deutſchen Staaten noch ein beſonderer vertragsmäßiger Zollver-
band. Der Inhalt der Beſtimmungen iſt hierfür unerheblich;
Alles, was Inhalt eines Geſetzes ſein kann, kann auch zum Inhalt
eines Staatsvertrages gemacht werden und umgekehrt; entſcheidend
iſt allein der Rechtsgrund, auf welchem die verbindliche Kraft
der Beſtimmungen beruht, ob auf dem gegenſeitigen Verſprechen
gleichberechtigter Contrahenten oder auf dem Befehl einer über-
geordneten ſtaatlichen Potenz 3), und dieſer Rechtsgrund iſt eben
dadurch geändert worden, daß die Verfaſſung die Beſtimmungen
des Zollvereinigungsvertrages „in Kraft erhalten“ hat 4).

1) Vgl. die eingehende Darſtellung bei Thudichum S. 581 ff.
2) Vgl. Hänel Studien I. S. 123 ff.
3) Vgl. Bd. II. S. 152 ff.
4) Dieſe Beſtimmungen ſind ſelbſtverſtändlich unter der Vorausſetzung
eines vertragsmäßigen Vereinsverhältniſſes abgefaßt und da ſie bei der Grün-
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[244/0254] §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens. faſſungsmäßigen Formen und Organe der Geſetzgebung und Ver- waltung des Norddeutſchen Bundes in analoger Weiſe für die Erledigung der Vereinsgeſchäfte ein (Zollvereins-Geſetze, Zollver- eins-Verordnungen, Zollvereins-Präſidium, Zoll-Bundesrath, Zoll- Parlament) 1). Durch die Gründung des Deutſchen Reiches fand auch dieſer Zollverein ſein Ende; das Rechtsverhältniß unter ſeinen Mitglie- dern wurde in derſelben Weiſe umgeſtaltet, wie durch die Errich- tung des Norddeutſchen Bundes das Verhältniß unter den zu demſelben vereinigten Staaten. Zwar wurden durch den Art. 40 der R.V. die Beſtimmungen in dem Zollvereinigungs-Vertrage vom 8. Juli 1867 in Kraft erhalten, ſoweit ſie nicht durch die Vor- ſchriften dieſer Verfaſſung abgeändert ſind, aber der Grundſatz, daß das Reichsgebiet ein einheitliches Zoll- und Handelsgebiet bildet, die ausſchließliche Befugniß des Reiches zur Geſetzgebung über Zölle und über die im Art. 35 aufgeführten Verbrauchsab- gaben, das Verordnungsrecht des Bundesrathes, die Ueberwachung der Behörden der Einzelſtaaten durch den Kaiſer u. ſ. w. ſind verfaſſungsmäßig feſtgeſtellt und an keinen von dem Willen der Einzelſtaaten abhängigen Endtermin geknüpft 2). Die Bezug- nahme auf die Beſtimmungen des Zollvereinigungsvertrages im Art. 40 der R.V. darf nicht zu der irrthümlichen Anſicht verleiten, als beſtünde neben dem ſtaatsrechtlichen Reichsverband unter den Deutſchen Staaten noch ein beſonderer vertragsmäßiger Zollver- band. Der Inhalt der Beſtimmungen iſt hierfür unerheblich; Alles, was Inhalt eines Geſetzes ſein kann, kann auch zum Inhalt eines Staatsvertrages gemacht werden und umgekehrt; entſcheidend iſt allein der Rechtsgrund, auf welchem die verbindliche Kraft der Beſtimmungen beruht, ob auf dem gegenſeitigen Verſprechen gleichberechtigter Contrahenten oder auf dem Befehl einer über- geordneten ſtaatlichen Potenz 3), und dieſer Rechtsgrund iſt eben dadurch geändert worden, daß die Verfaſſung die Beſtimmungen des Zollvereinigungsvertrages „in Kraft erhalten“ hat 4). 1) Vgl. die eingehende Darſtellung bei Thudichum S. 581 ff. 2) Vgl. Hänel Studien I. S. 123 ff. 3) Vgl. Bd. II. S. 152 ff. 4) Dieſe Beſtimmungen ſind ſelbſtverſtändlich unter der Vorausſetzung eines vertragsmäßigen Vereinsverhältniſſes abgefaßt und da ſie bei der Grün-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/254>, abgerufen am 30.04.2024.